Thiede als Herausforderer

Riemann bleibt gesetzt – oder? Neuer Keeper soll Druck machen

Flexibilität ist nicht nur auf, sondern auch neben dem Fußballplatz gefragt. Für den ersten kompletten Tag im Bochumer Trainingslager waren eigentlich zwei intensive Einheiten angesetzt. Doch der Wettergott schickte viel Regen und eine Gewitterfront nach Südtirol. Zumindest die morgendliche Einheit auf dem Platz musste abgesagt werden. Stattdessen zog es die Spieler ins Feuerwehrhaus der Gemeinde Gais. Dort hat der VfL provisorisch eine Art Fitnessraum hergerichtet.

Riemann ist wieder fit

Für Manuel Riemann war die kurzfristige Verlegung besonders ärgerlich. Der Torhüter hatte ja bereits den ersten Teil der Saisonvorbereitung überwiegend im Kraftraum verbracht. In Gais soll er nun wieder vollständig ins Teamtraining integriert werden; die muskulären Probleme sind überwunden, Riemann wird am Mittwoch im Testspiel gegen den italienischen Zweitligisten Spezia Calcio mindestens eine Halbzeit lang das Tor hüten. Damit ist der 34-Jährige automatisch wieder die Nummer eins, oder? Das ist grundsätzlich anzunehmen, auch wenn Thomas Letsch aus nachvollziehbaren Gründen noch keine Entscheidung getroffen hat.

„Es gilt auf der Torwartposition das, was auf jeder anderen Position auch gilt: Ich bin froh über jede Konkurrenzsituation. Wir haben ein gutes Torhütergespann, das sich batteln wird“, sagte der Coach kurz vor dem Abflug ins Trainingslager. Dass Riemann trotz der knapp zweiwöchigen Pause als Favorit in den zweiten Abschnitt der Saisonvorbereitung gehen wird, ist aber ebenso klar. Seit Ende 2015 ist der extrovertierte Schlussmann die Nummer eins beim VfL. Mittlerweile hat er mehr als 250 Pflichtspiele für den VfL absolviert. Riemann war und ist nicht unumstritten, wurde aber von keinem Trainer grundsätzlich in Frage gestellt, auch nicht von Letsch.

Esser wäre jederzeit bereit

Zumal die Bochumer in diesem Sommer niemanden verpflichtet haben, der darauf drängt, sofort die Nummer eins zu werden. Im Gegenteil: Michael Esser geht möglicherweise in sein letztes Vertragsjahr. Der stets loyale Ersatzmann wäre zwar jederzeit einsatzbereit, mit seinen 35 Jahren aber allenfalls eine Übergangslösung, bis sich Niclas Thiede auf Bundesliga-Niveau hochtrainiert hat. Der 24-Jährige muss ohnehin noch einen kleinen Trainingsrückstand aufholen. Thiede zog sich im März einen Syndesmosebandriss zu. Zum Trainingsstart in Bochum war er wieder gesund, musste dann aber aus anderen Gründen aussetzen und verpasste bislang alle Testspiele. Ähnlich wie Riemann steigt er in Gais wieder voll ein. Vermutlich wird Thiede zunächst als Nummer drei in die Saison gehen.

Das aber muss und soll auch nicht so bleiben. Die Verantwortlichen sehen ihn perspektivisch als Herausforderer und sogar als potenziellen Nachfolger von Riemann. Thiedes Vertrag ist nicht ohne Grund bis Mitte Juni 2027 datiert, vier Jahre hat der VfL den Keeper also gebunden. „Er ist hier in Bochum sowie in Freiburg als Torwart top ausgebildet worden und konnte im Seniorenbereich bereits knapp 100 Spiele absolvieren“, sagt Kaderplaner Marc Lettau und betont: „Niclas ist von der Perspektive, die wir ihm bieten, überzeugt und hat das auch durch sein langfristiges Commitment dokumentiert.“ Der Neuzugang vom SC Verl ist auf dem Papier zwar ein externer Neuzugang, im Grunde aber ein Bochumer Eigengewächs. Von 2015 bis 2018 spielte Thiede bereits in der Jugend des VfL.

Thiede dankt Greiber

Mangels Einsatzmöglichkeit im Seniorenbereich wechselte er dann aber zum SC Freiburg und feierte dort sogar sein Bundesliga-Debüt. Dabei blieb es allerdings auch, weitere Erstliga-Einsätze folgten bislang nicht. Thiede zog weiter zum SC Verl. Beim Drittligisten war er zuletzt Stammkeeper und Leistungsträger mit starken Reflexen, aber auch einigen unnötigen Patzern. Daran will er nun arbeiten, gemeinsam mit seinem Förderer Peter Greiber. Ihm habe er „viel zu verdanken“, sagte Thiede bei der Bekanntgabe seines Wechsels. Der Bochumer Torwarttrainer hat bereits zahlreichen Talenten den Weg in die Bundesliga ermöglichst. Neben Andreas Luthe und Michael Esser gingen auch Daniel Heuer Fernandes und Tjark Ernst durch die Torwartschule des 54-Jährigen. Logisch also, dass Thomas Letsch tiefenentspannt betont: „Auf der Torhüterposition ist mir gar nicht bange.“


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(Foto: Marc Niemeyer)

Zwischenbilanz

Ohne Verstärkung nach Gais: Letsch sieht Defensivprobleme

Die Testspielbilanz von Thomas Letsch beim VfL Bochum könnte schlechter kaum sein. In der WM-Pause Ende 2022 gab es drei Niederlagen in vier Partien, in der Vorbereitung auf die Restsaison ebenfalls keinen Sieg. Das 9:2 gegen den Oberligisten Kickers Emden vor knapp anderthalb Wochen ist bislang der einzige Testspielerfolg unter seiner Leitung. Gegen Fortuna Düsseldorf verlor der VfL an diesem Freitag ebenso mit 1:3 wie zuletzt beim SC Verl.

Acht Gegentore in drei Partien

„Komisch, der VfL und Testspiele, prickelnd ist das irgendwie nicht“, befand der Chefcoach nach dem Spiel in Düsseldorf, um anschließend genauer auf die erneute Niederlage einzugehen. „Die Leistung war durchwachsen“, sagte Letsch. „Ich habe eine deutliche Steigerung gegenüber dem Auftritt in Verl gesehen. Trotzdem war es noch längst nicht so, wie wir uns das vorstellen.“ Defizite gab es noch in allen Mannschaftsteilen, vor allem aber in der Defensive – sowohl in vermeintlicher Bestbesetzung als auch mit der zweiten Garde.

Wobei potenzielle Stammkräfte wie Erhan Masovic und Ivan Ordets in den bisherigen Testspielen stabiler wirkten als Mitbewerber wie Noah Loosli und Tim Oermann. „Es geht zu einfach, wie wir Gegentore kassieren“, ärgerte sich Letsch in Düsseldorf nicht nur über die Art und Weise der Fehler, sondern auch über die Anzahl. „Zwei Gegentore gegen einen Oberligisten und je drei gegen einen Dritt- und einen Zweitligisten sind zu viel.“

Wechsel der Spielsysteme

Letsch hatte gegen die Fortuna, die bereits am kommenden Samstag ihr erstes Pflichtspiel absolviert, in beiden Halbzeiten auf die altbewährte Viererkette gesetzt. In Verl lief die Mannschaft zunächst in einer Dreierkette auf. Beide Varianten sollen in der kommenden Saison zum Repertoire der Bochumer gehören.

Das hat natürlich auch Einfluss auf die Offensive. Mit drei zentralen Abwehrspielern ist neben einer 3-4-3-Formation auch ein 3-5-2 denkbar, mit einer Viererkrette läuft es wahrscheinlich auf ein 4-2-3-1 hinaus. In Düsseldorf war Letzteres das Mittel der Wahl, wobei der erst später eingewechselte Moritz Broschinski nach Vorarbeit von Kevin Stöger den einzigen Bochumer Treffer erzielte. „Wir erspielen uns die Chancen, aber der Ball muss dann auch häufiger ins Tor“, bemängelte Letsch die mangelnde Effektivität und suchte nicht nach Ausreden: „Wir können nicht alles auf fehlende Spritzigkeit schieben.“

Trainingslager in Südtirol

Klingt also nach einer ganzen Menge Arbeit, die in der kommenden Woche bevorsteht. Am Sonntag fliegt der VfL ins Trainingslager nach Südtirol. Erneut zieht es die Bochumer ins kleine Örtchen Gais bei Bruneck. Das Ziel des Trainers ist klar: „Dort geht es darum, Automatismen einzuüben und die beste Kombination für den Saisonstart zu finden.“ Rund 250 VfL-Fans werden der Mannschaft dabei zusehen. Zehn Trainingseinheiten und zwei Testspiele stehen auf dem Programm, wobei Letsch überlegt, noch ein drittes Duell einzuschieben, damit alle Akteure auf genügend Einsatzzeit kommen.

Denn zum Kader für das Trainingslager gehören insgesamt 25 Feldspielern und vier Torhüter. Jacek Goralski ist für Vertragsgespräche freigestellt, Mohammed Tolba verletzt. Lys Mousset fehlt mit einem Achillessehnenriss und ist auch ansonsten kein Thema mehr für das Team. Stattdessen sind die beiden A-Jugendlichen Jeremias Heufken und Niko Bozickovic dabei, die sich zuletzt schon in den Testspielen zeigen konnten. Auch die noch angeschlagenen Profis reisen mit nach Gais, Philipp Förster ebenso wie Neuzugang Moritz Kwarteng und Jungprofi Mats Pannewig. Wann sie aber ins Mannschaftstraining zurückkehren werden, ist weiter offen.

Kein weiterer Neuzugang in Sicht

Ein Gefühl der Zufriedenheit vermittelt dem Trainer die große Reisegruppe ohnehin noch nicht ganz. Weder ein zusätzlicher Innenverteidiger noch ein weiterer Außenverteidiger ist seit dem Trainingsauftakt Anfang Juli bislang zur Mannschaft gestoßen. Thomas Letsch, der sich eigentlich immer zurückhaltend äußert, macht keinen Hehl daraus, dass weitere Neuverpflichtungen notwendig sind: „Es ist ja nicht so, dass wir keine Leute hätten. Wir sind in der Abwehr nicht schlecht aufgestellt. Aber es muss natürlich noch was passieren.“ Ein wenig erinnert die Situation ans vergangene Jahr. Auch da fehlten in Gais noch zwei bis drei Verteidiger – wobei Ivan Ordets just am Tag der Anreise als Neuzugang vorgestellt wurde. Auf eine ähnliche Überraschung deutet an diesem Wochenende aber nichts hin.


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(Foto: Imago / pmk)

Neuzugang aus Arnheim

„Zweiten Toto gibt es nicht“: Wie Letsch mit Bero plant

Dreimal fehlte Kapitän ‚Toto‘ Losilla in der vergangenen Saison, und jedes Mal stand Trainer Thomas Letsch vor der schwierigen Aufgabe, wie er den Ausfall des Routiniers kompensieren soll. Einen Führungsspieler und Leistungsträger dieser Art, mit hohem Spielverständnis, Lauf- und Kopfballstärke sowie einem konsequenten Anlaufverhalten, gab es kein zweites Mal im Bochumer Kader – und wird es auch in der neuen Saison nicht geben.

„Einen zweiten Toto gibt es nicht. Wir haben deshalb den Gedanken verworfen, einen klassischen Sechser und eine Art Ersatz für ihn zu verpflichten“, sagt Trainer Thomas Letsch nun gegenüber Tief im Westen – Das VfL-Magazin. „Den Spieler, den wir gesucht haben, den haben wir entweder nicht gefunden oder nicht bekommen.“ Dennoch sind die Bochumer kürzlich auf dem Transfermarkt aktiv geworden und haben mit dem slowakischen Nationalspieler Matus Bero einen neuen Mittelfeldspieler fürs Zentrum verpflichtet.

Bero ist ein Teamplayer

Letsch kennt den 27-Jährigen im Grunde sogar besser als alle anderen Spieler in seinem Kader, denn die beiden kennen sich aus Arnheim. Bero war zwei Jahre lang Stammspieler unter Letsch und erhielt sogar die Kapitänsbinde. „Er war immer ein wichtiger Ansprechpartner für mich“, betont sein alter und neuer Coach. „Kein Lautsprecher, aber einer, der sich immer in den Dienst Mannschaft gestellt hat.“ Das klingt, zumindest charakterlich, irgendwie doch nach Losilla, was Letsch sogar bestätigt: „Matus bringt Laufstärke, Siegeswillen und eine große Leidenschaft mit. Er ist auch im Training sehr fleißig – ähnlich wie Toto.“

Fußballerisch aber gibt es Unterschiede. „Matus ist ein Box-to-box-Spieler, der auch nach vorne mitgeht. Das ist eine neue Option, die wir so noch nicht im Kader hatten. Wenn so ein Spieler ablösefrei auf dem Markt ist, macht es Sinn, zuzuschlagen“, erklärt Letsch die Idee hinter der Verpflichtung. Losilla dürfte gesetzt bleiben, doch Bero könnte auch neben ihm auflaufen. Denn unabhängig vom Spielsystem ist klar: Die doppelte Absicherung vor der Abwehr will Letsch nicht aufgeben, für die Balance im Bochumer Spiel ist sie unabdingbar. Bereits im vergangenen Winter hatte sich der Fußballlehrer eine zusätzliche Option im zentralen Mittelfeld gewünscht, der Plan mit Leihspieler Pierre Kunde ging aber nicht auf.

Auswahl vor der Abwehr

Den frei gewordenen Kaderplatz nimmt nun also Bero ein, dem auch Angebote aus Italien und England vorlagen. „Mit ihm hätten wir auch die Möglichkeit, einen Ausfall von Toto – den wir uns natürlich alle nicht wünschen – besser aufzufangen“, erklärt Letsch, der nun genügend Auswahl haben dürfte. Patrick Osterhage möchte in seiner dritten Bundesliga-Saison weiter durchstarten, und Kevin Stöger seinen Platz in der Startelf nicht hergeben. Angesichts seiner Leistungen in der vergangenen Saison und seiner spielprägenden Art hat der Österreicher gegenüber Bero zunächst einen klaren Vorteil. Allerdings kann Stöger – je nach Spielausrichtung – auch als Zehner eingesetzt werden, mit Losilla und einem weiteren Mann dahinter.

Klar ist jedenfalls: Die Kaderplanung im zentral-defensiven Mittelfeld ist vorerst abgeschlossen. Wobei es noch einen Abgang geben soll. Jacek Goralski darf sich in der Saisonvorbereitung zwar auch in Testspielen präsentieren, doch der Neuzugang aus dem vergangenen Sommer steht weiter auf der Streichliste. Das Problem: Goralski hat noch keinen Klub gefunden, der seine sportlichen und finanziellen Wünsche erfüllt. Ein weiteres Jahr ohne Spielpraxis wird er aber auch nicht in Kauf nehmen wollen. Denn nur bei einem Wechsel besteht die Aussicht auf eine Rückkehr in die polnische Nationalmannschaft.


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(Foto: Imago / osnapix)

Sommertransfers

Neuland Bundesliga: VfL setzt auf Entwicklung statt Erfahrung

Die Zahlen sind eindeutig. In diesem Sommer war Bundesliga-Erfahrung bei den Neuzugängen des VfL Bochum offensichtlich ein eher ungeordnetes Kriterium. Nur Felix Passlack hat schon 35 Partien im Fußball-Oberhaus bestritten. Die anderen hingegen – Moritz Kwarteng, Lukas Daschner und Niclas Thiede – betreten Neuland. Matus Bero und Noah Loosli ebenso, allerdings haben die beiden auch noch nicht in Deutschland gespielt. Bero bringt es immerhin auf 137 Einsätze in der niederländischen Eredivisie, Loosli auf 101 Spiele in der schweizerischen Super League.

Bundesliga-Erfahrung

Eine veränderte Transferstrategie beim VfL Bochum lässt sich trotzdem nicht leugnen. Die Verantwortlichen setzen nach dem erneuten Klassenerhalt auf Entwicklungspotenzial, weniger auf Erfahrung. Das war in den ersten beiden Jahren nach dem Aufstieg definitiv anders. Im Sommer 2022 brachten Kevin Stöger, Philipp Förster und Dominique Heintz nennenswerte Bundesliga-Erfahrung mit. Saidy Janko sowie Lys Mousset waren zuvor in europäischen Topligen aktiv, der eine in Spanien, der andere in England. Ivan Ordets kam bereits in der Champions League zum Einsatz. Auch für die Winter-Neuzugänge Keven Schlotterbeck und Pierre Kunde war die Bundesliga kein unbeschriebenes Blatt.

Im Jahr davor war das Beuteschema sogar noch eindeutiger. Sieben von acht Neuzugängen sind schon vor ihrer Zeit beim VfL Bochum in der Bundesliga aufgelaufen – unter anderem die Leihspieler Elvis Rexhbecaj und Konstantinos Stafylidis, aber auch Takuma Asano und Michael Esser, die immer noch an der Castroper Straße unter Vertrag stehen. Der große Unterscheid allerdings: Aus dem Aufstiegskader waren nur fünf Spieler mit der neuen Spielklasse vertraut. Das ist nun anders und erklärt auch den Strategiewechsel. Zehn Spieler kommen mittlerweile auf mehr als 50 Bundesliga-Einsätze, drei davon – Kevin Stöger, Simon Zoller und Gerrit Holtmann – sogar auf über 100.

Vorbilder für die Neuzugänge

Dass mangelnde Bundesliga-Erfahrung zum Zeitpunkt der Verpflichtung kein Nachteil sein muss, dafür gibt es beim VfL Bochum gleich mehrere Beispiele. Das prominenteste: Philipp Hofmann. Der Angreifer spielte bis zu einem Wechsel im vergangenen Sommer höchstens zweitklassig, schaffte im Alter von 29 Jahren aber dennoch problemlos den Sprung ins Oberhaus. Manuel Riemann und Anthony Losilla waren bei ihrem Erstliga-Debüt sogar noch deutlich älter – Riemann 32, Losilla bereits 35. Gleichwohl: Sie waren zuvor jahrelang Stammkräfte und Leistungsträger in der zweiten Liga. Das trifft auf Moritz Kwarteng und Lukas Daschner, die in diesem Sommer nach Bochum gewechselt, nur bedingt zu.

Leistungsträger waren sie zuletzt zweifellos – Kwarteng beim 1. FC Magdeburg und Daschner beim FC St. Pauli. Aber: Beide haben bislang nur eine komplette Zweitliga-Saison absolviert. Kwarteng war zuvor vor allem in der Regionalliga unterwegs, Daschner am Millerntor zunächst kein Stammspieler. Sie werden ihre Leistungen also direkt in einer höheren Liga bestätigen müssen. Der Vorteil für den VfL: Bis auf Passlack fehlt keinem der sechs Neuen die Spielpraxis. Alle anderen waren in der vergangenen Saison Stammspieler in ihrem jeweiligen Klub. Auch das ist neu. Insbesondere im Sommer 2022 fehlte vielen Neuzugängen die Wettkampfpraxis, teilweise sogar der Trainingsrhythmus.

Stammkräfte sind geblieben

Im Vergleich zu den beiden vergangenen Jahren gibt es einen weiteren Unterschied: Von den Leistungsträgern hat praktisch keiner den VfL verlassen, der Bedarf an neuen Stammkräften ist also geringer. Lediglich Keven Schlotterbeck und Konstantinos Stafylidis zählten zum erweiterten Stammpersonal, Saidy Janko und Dominique Heintz trumpften nur im Saisonendspurt kurz auf. 2022 verlor der VfL bekanntlich die halbe Startformation, 2021 immerhin Spielgestalter Robert Zulj. Das gibt den Bundesliga-Neulingen womöglich etwas Zeit, sich in der neuen Spielklasse zurechtzufinden.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Nach Auszeit

Fabian spricht über Rückkehr: „Wusste nicht, wie es endet“

Patrick Fabian ist wieder da. Das ist die Nachricht der Woche beim VfL Bochum. Hunderte Fans reagierten in den sozialen Netzwerken mit Freude und blau-weißen Herzen auf die Rückkehr des Bochumer Urgesteins, als seine Rückkehr am Montag vermeldet wurde. Fabian ist zwar erst 35 Jahre jung, aber schon mehr als 23 Jahre beim VfL. Er war Nachwuchsspieler und Fußballprofi, sogar Kapitän der Mannschaft, stets emotional mit dem Klub verbunden. Die Fans mochten ihn und mögen ihn immer noch. Vier Kreuzbandrisse warfen ihn zurück, doch Fabian stand immer wieder auf. Auch jetzt wieder in seiner Rolle als Funktionär.

Fabian bedankt sich

Rückblick: Anfang März wurde bekannt, dass der Geschäftsführer Sport aus gesundheitlichen Gründen eine Auszeit braucht. Details wurden nicht bekannt. Fabian und der Verein baten um Privatsphäre. „Ich möchte mich dafür bedanken, dass alle so respektvoll mit meiner Situation umgegangen sind. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man in der Öffentlichkeit steht“, sagte Fabian am Mittwoch, als er in einer kleinen Medienrunde das erste Interview nach seiner Rückkehr gab. „Ich möchte die vergangenen Monate hinter mir lassen und hoffe, dass ich das alles nicht noch einmal erleben muss, bin da aber sehr, sehr zuversichtlich.“

Die oft nur aus Höflichkeit gestellte Frage nach dem Wohlbefinden des Gegenübers hatte in diesem Gespräch also einen tieferen Sinn. Und Fabian beantwortete sie mit Freude: „Ich fühle mich gut.“ Er ließ durchblicken, dass seine Auszeit sowohl mit seiner persönlichen als auch mit seiner familiären Situation zusammenhing, ohne ins Detail gehen zu wollen: „Manchmal gibt es eben Themen, die größer sind als der Fußball.“ Was dazu führte, dass die Distanz zum VfL so groß wurde wie noch nie. „Wenn du die ganzen Jahre im Fußball unterwegs bist, dann besteht die Möglichkeit, dass du dich in diesem Geschäft auch mal verlierst.“

Auszeit ohne Fußball

Es war also nötig, Abstand zu gewinnen. Kein Spiel des VfL hat er live im Stadion verfolgt, nicht einmal vor dem Fernseher – obwohl das Kribbeln samstags um 15.30 Uhr immer da war. Einzige Ausnahme: „Die letzten 15 Minuten gegen Leverkusen. Da konnte ich nicht anders. Und habe mich natürlich sehr gefreut.“ Weder Trainer Thomas Letsch noch seinen Stellvertreter Marc Lettau habe er während seiner Auszeit kontaktiert. Vielleicht auch, weil Fabian „nicht wusste, wie es endet. Ich habe gehofft, dass ich wieder hier sitzen darf, aber davon war nicht zwingend auszugehen. Umso mehr freue ich mich, wieder da zu sein.“

Passend zum Start in die neue Saison ist Fabian also wieder im Dienst. „Im Grunde von 0 auf 100, auch wenn ich das noch etwas steuern werde. Aber natürlich schaue ich jetzt, was passiert ist. Das Gute ist: Vieles ist auch ohne mich weitergelaufen.“ Fabian bedankt sich ausdrücklich bei seinem Kollegen Ilja Kaenzig und bei Marc Lettau, mit dem er künftig eng zusammenarbeiten wird. Dafür hat ihn Fabian im Winter schließlich geholt. Während sich der eine als Geschäftsführer Sport um die strategischen Themen und die Weiterentwicklung aller Fußball-Abteilungen kümmern soll, bleibt der andere als Kaderplaner der Profis aktiv.

Teamarbeit beim VfL

Lettau rückt also mitnichten zurück ins zweite Glied. Aus der Öffentlichkeit wird er vielleicht ein wenig verschwinden, doch für die Anbahnung und Abwicklung von Transfers bleibt Lettau der erste Ansprechpartner – eine Struktur, die für den VfL Bochum zwar neu ist, in vielen anderen Vereinen aber schon länger gelebt wird. Fabian wird in der noch laufenden Transferperiode zwar wieder mitmischen, aber niemandem den Telefonhörer aus der Hand nehmen. Zumal er sich bestimmt auch auf ein paar freie Stunden in den eigenen vier Wänden freut. Denn Fabian ist vor knapp drei Wochen glücklicher Vater einer Tochter geworden.


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Kaderplanung

Lücken in der Abwehr: Letsch hat noch Transferwünsche

Im vergangenen Jahr begrüßte der VfL Bochum zum Trainingsauftakt gerade einmal 14 Akteure, darunter mehrere Torhüter, Nachwuchsspieler und Wechselkandidaten. Das war in dieser Woche anders. Als Thomas Letsch am Mittwochvormittag zur ersten Übungseinheit der neuen Saison bat, war seine Trainingsgruppe deutlich größer. 23 Spieler standen auf dem Platz. Weitere Profis fehlten angeschlagen oder befinden sich noch im Sonderurlaub. Insgesamt stehen aktuell 30 Akteure auf der Bochumer Gehaltsliste. Doch dabei wird es nicht bleiben, jedenfalls nicht in dieser Zusammensetzung.

„Der Kader, mit dem wir in die Vorbereitung gestartet sind, wird nicht exakt der sein, mit dem wir in die Saison gehen“, kündigte Trainer Letsch nach der ersten Einheit an. „Ich erwarte, dass auf beiden Seiten noch etwas passiert, also Zu- und Abgänge.“ Wobei er damit im Grunde nichts Neues verriet. Viel interessanter: Auf welchen Positionen sieht Letsch noch Handlungsbedarf? Er zögerte kurz, wurde dann aber konkret: „Wir brauchen speziell im Defensivbereich noch Verstärkung, damit die Balance wieder stimmt. Dort haben uns viele Spieler verlassen.“ Mindestens zwei Neuzugänge wünscht sich der Fußballlehrer noch, „unabhängig von möglichen Abgängen.“

Viele Abgänge in der Abwehr

Immerhin: Auf der rechten Abwehrseite haben die Verantwortlichen ihre Hausaufgaben bereits erledigt. Mit Felix Passlack haben sie einen Ersatz für Saidy Janko gefunden. Passlack bringt als einziger der sechs Neuen bereits Bundesliga-Erfahrung mit und kann in verschiedenen Systemen spielen. Anders ist die Lage dagegen auf der linken Seite: Dort steht mit Danilo Soares nur ein etatmäßiger Verteidiger zur Verfügung. Sowohl Konstantinos Stafylidis als auch Jannes Horn haben den Verein verlassen. Zuwachs ist auch deshalb vonnöten, weil fraglich ist, ob Soares für das von Trainer Thomas Letsch angedachte System mit sogenannten Schienenspielern wirklich prädestiniert wäre. Moritz Römling gehört zwar auch noch zum Kader, das Eigengewächs soll den Verein aber verlassen.

Auch im Abwehrzentrum ist der Kader noch nicht komplett. Sollte Letsch auf eine Dreierkette umstellen, wird schließlich ein zentraler Verteidiger mehr benötigt. Dass sich Ivan Ordets für einen Vertragsverlängerung in Bochum entschieden hat und Erhan Masovic nur bei einem unmoralisch hohen Angebot wechseln würde, erleichtert die Planungen ungemein – denn im Gegensatz zum vergangenen Sommer bricht kein Stammspieler weg. Gleichwohl: Hinter ihnen klafft nach den Abgängen von Keven Schlotterbeck, Dominique Heintz und Vasilios Lampropoulos eine unübersehbare Lücke. Ob sie Neuzugang Noah Loosli füllen kann, muss der Schweizer auf höchstem Niveau erst noch beweisen. Gleiches gilt für Eigengewächs Tim Oermann, der zuletzt an den österreichischen Erstligisten Wolfsberger AC verliehen war.

Dass die Innenverteidigung eine Schlüsselposition im erneuten Abstiegskampf sein wird, darüber herrscht intern Einigkeit. Mit 72 Gegentreffern stellte der VfL in der abgelaufenen Spielzeit die Schießbude der Liga – genau das soll sich nicht wiederholen. Deshalb sondieren sie den Markt, bevorzugt nach einem Linksfuß. Zwei Kandidaten sind ja längst öffentlich bekannt: Maxim Leitsch und Keven Schlotterbeck. Beide kennen nicht nur die Liga, sondern auch den VfL. Doch in beiden Fällen ist eine Rückkehr ungewiss und aus finanziellen Gründen nicht ohne weitere Zugeständnisse ihres aktuellen Arbeitgebers möglich.

Poker bei Leitsch und Schlotterbeck

Mainz 05 räumt Leitsch nach einer für ihn schwierigen Saison zwar eine neue Chance ein, würde ihm bei einer passenden Ablöse aber sicher keine Steine in den Weg legen. Doch dass der VfL eine Summe jenseits von zwei Millionen Euro zahlt, ist utopisch – allenfalls die Hälfte ist realistisch, oder aber ein Leihgeschäft. Ähnliches gilt für den SC Freiburg und Keven Schlotterbeck. Bei den Breisgauern hat der Linksfuß kaum noch Aussicht auf Spielzeit. Dennoch stocken die Verhandlungen. Hier sind neben der Ablöse auch die Gehaltsvorstellungen des Spielers ein Knackpunkt. Gut möglich, dass sein Preis und seine Wünsche gegen Ende der Transferperiode auf ein für Bochumer Verhältnisse akzeptables Niveau sinken. Doch allzu lange wollen die Verantwortlichen beim VfL eigentlich nicht mehr warten.

Denn klar ist: Sie wollen verhindern, dass es zu einer ähnlich problematischen Lage wie im vergangenen Sommer kommt. Da kam Ivan Ordets mit reichlich Trainingsrückstand erst zum Trainingslager in Bochum an, Dominique Heintz sogar erst nach dem ersten Spieltag. Mit Erhan Masovic und Vasilios Lampropoulos gab es folglich nur zwei bundesligaerfahrene Innenverteidiger im Bochumer Kader. Ähnlich gestaltete sich die Situation auf der Linksverteidigerposition. Dort war Konstantinos Stafylidis bis zum Ende der Vorbereitung die einzige Alternative, weil Danilo Soares ausfiel und Jannes Horn zwar als zusätzliche Option verpflichtet wurde, sich aber sofort verletzte.


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Saison 2023/24

Trainingsstart beim VfL: Vier Neue und 1.500 Neugierige

Die Autogrammjäger kamen am Mittwochvormittag voll auf ihre Kosten. Zum Bochumer Trainingsauftakt vor knapp 1.500 Zuschauer erschien der Kader des VfL in fast kompletter Mannstärke. Selbst die Spieler, die zunächst nur im Kraftraum aktiv waren und bei der knapp 90-minütigen Teameinheit nicht auf dem Rasen standen, kamen für die Wünsche der Fans nach draußen. Der VfL hatte die erste Übungseinheit der neuen Saison ins Stadion verlegt – eine Idee, die bei den Zuschauern sehr gut ankam. Sie empfingen die Mannschaft mit einem warmen Applaus.

„Ich freue mich, dass so viele Leute hier waren. Die Begeisterung in Bochum ist groß“, sagte Trainer Thomas Letsch nach dem ersten Training mit 20 Feldspielern und drei Torhütern. Im Mittelpunkt des Interesses standen natürlich die Neuzugänge. Vier von ihnen, nämlich Felix Passlack, Lukas Daschner, Noah Loosli und Niclas Thiede, waren bereits dabei. Moritz Kwarteng trainierte wegen einer Schambeinproblematik nur in Laufschuhen, Matus Bero darf wegen seiner Länderspielreisen länger Urlaub machen. Er wird am kommenden Mittwoch erstmals zur Mannschaft stoßen.

Riemann und Kwarteng angeschlagen

Mit Takuma Asano, Philipp Förster und Manuel Riemann fehlten außerdem drei Stammkräfte aus der vergangenen Saison. Japans Nationalspieler Asano weilt noch bis zum 17. Juli im Urlaub. Förster steigt wegen anhaltender Probleme an der Achillessehne erst später in die Vorbereitung ein, ebenso wie Riemann, den eine Muskelverletzung ausbremst. Wobei Letsch bereits in der kommenden Woche wieder mit ihm rechnet, während es bei Förster im schlimmsten Fall noch länger dauern kann. ​Allerdings hat der Trainer im offensiven Mittelfeld nun genügend Alternativen.

Insgesamt zeigte sich der Fußballlehrer zufrieden mit den Transferaktivitäten: „Ich finde, dass wir es ganz gut gemacht haben. Klar ist aber, dass sich der Kader weiter verändern wird. Ich erwarte sowohl Zu- als auch Abgänge.“ Insbesondere in der Defensive „stimmt die Balance noch nicht.“ Fünf Abwehrspieler haben den VfL verlassen, nur zwei sind neu dazugekommen. Weitere Neuzugänge könnte es geben, wenn Kaderplätze frei werden. Jacek Goralski, Jordi Osei-Tutu und Moritz Römling stehen auf der Streichliste, Gerrit Holtmann will bekanntlich ebenfalls weg.

Viele Veränderungen im Trainerteam

Verändert hat sich zur neuen Saison außerdem das Trainerteam. Neu dabei sind Co-Trainer Markus Feldhoff, Athletiktrainer Klaus Luisser, Rehacoach Björn Kadlubowski sowie Videoanalyst Robin Mehring. Feldhoff springt für VfL-Urgestein Frank Heinemann ein, der kürzertreten möchte; Luisser, den Letsch noch aus Salzburg kennt, übernimmt den Job von Lucas Kern, der den VfL verlässt. Kadlubowski ersetzt Marius Kirmse, der sich von nun an für alle Mannschaften des VfL dem Thema Ernährung widmen wird. Mehring kommt als zweiter Videoanalyst neu dazu.


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(Foto: Marc Niemeyer)