Keine Verbesserung

Gegentorflut schon historisch: VfL-Defensive weiter zu instabil

Die Gefühlswelten könnten kaum unterschiedlicher sein. Am 22. Spieltag der vergangenen Saison befand sich Fußball-Bochum im siebten Himmel. Der VfL hatte gerade den großen FC Bayern mit 4:2 aus dem eigenen Stadion geschossen. Die Fans waren sich einig: Wer den Rekordmeister besiegt, der steigt auch nicht ab – und sie behielten Recht. Nun, knapp ein Jahr später, schaut die Welt nach 22 Spielen ganz anders aus. Pessimismus prägt die Kommentarspalten im Netz, die 0:3-Pleite und der blutleere Auftritt in Bremen haben Eindruck hinterlassen, obwohl den VfL nur das schlechtere Torverhältnis von einem Nicht-Abstiegsplatz trennt.

Womit wir auch schon beim großen Problem wären: Der VfL kassiert weiter zu viele Gegentreffer. 54 sind es seit Saisonbeginn, 35 seit dem Amtsantritt von Thomas Letsch, 18 allein in diesem Kalenderjahr. Wie man das Blatt auch wendet: Die Bilanz ist verheerend – und historisch schlecht. In 34 Bundesliga-Jahren hatte der VfL nach 22 Partien noch nie so viele Gegentreffer auf dem Konto. In genau der Hälfte aller Spielzeiten waren es am Saisonende sogar weniger als zum jetzigen Zeitpunkt. „Über das Torverhältnis werden wir den Klassenerhalt eher nicht schaffen“, hatte Thomas Letsch schon vor Wochen gesagt und wird damit ganz sicher Recht behalten.

Ordets und Soares sind die Eckpfeiler

Ohne eine verbesserte Defensivarbeit wird es aber auch schwer, die benötigten Punkte einzufahren. Die Hoffnungen ruhen derzeit vor allem auf zwei Akteuren, die gegen Bremen krankheitsbedingt aussetzen mussten, im Derby gegen Schalke aber sehr wahrscheinlich wieder dabei sind: Ivan Ordets im Abwehrzentrum und Danilo Soares auf der linken Seite. Soares ist am Dienstag ins Training zurückgekehrt, Ordets soll im Laufe der Woche folgen. Doch während sie nun ein Teil der Lösung sein sollen, waren sie in der Vergangenheit ein Teil des Problems. Beide haben bislang nur wenige Begegnungen verpasst. Auch sie haben folglich zum mit Abstand schlechtesten Torverhältnis der Liga beigetragen.

Dennoch zählen gerade Ordets und Soares zu den wenigen Säulen in der Hintermannschaft. „Ivan ist mehr und mehr unser Boss da hinten“, erklärte Letsch jüngst mit Blick auf die Bedeutung des großgewachsenen Verteidigers für das Bochumer Spiel. Und Soares? „Auch er zählt zu unseren Eckpfeilern. Ihn zeichnet seine Konstanz aus.“ Die Ergebnisse stützen die Einschätzung des Trainers. Immer dann, wenn einer der beiden fehlte oder nicht zur Startelf gehörte, hat der VfL verloren. Umgekehrt standen Ordets und Soares bei allen sechs Saisonsiegen von Beginn an auf dem Platz.

Neben den beiden fehlt es jedoch auch an der personellen Konstanz. In der Innenverteidigung durften sich im Saisonverlauf mit Erhan Masovic, Vasilios Lampropoulos, Dominique Heintz, Keven Schlotterbeck und Tim Oermann bereits fünf Akteure versuchen – zu oft ohne Erfolg. Vor allem Lampropoulos und Heintz fehlt mittlerweile das Tempo und die Klasse für die Bundesliga. Aber auch Winterneuzugang Keven Schlotterbeck hat nach seinem gelungenen Einstand kein wirklich gutes Spiel mehr gemacht und war schon an mehreren Gegentreffern entscheidend beteiligt. Erhan Masovic läuft seiner guten Form aus der vergangenen Saison ebenfalls noch hinterher.

Bochum hat hinten ein Qualitätsproblem

Ließen sich die Abwehrprobleme zu Saisonbeginn zum Teil noch auf die schwierige Vorbereitung mit späten Transfers schieben, ist es längst ein Qualitätsproblem, das auch im Winter nicht behoben werden konnte. Die Liste mit den Ursachen für die zahlreichen Gegentreffer ist dementsprechend lang: Häufig waren es schwere individuelle Fehler, manchmal eine Mischung aus Naivität und fehlender Konsequenz, gelegentlich auch taktische Mängel oder sogar Torwartfehler. Hinzu kommt die ebenfalls rekordverdächtige Zahl an verschuldeten Elfmetern. Versuche, diese Probleme womöglich mit einer Systemumstellung in den Griff zu bekommen, scheiterten bereits mehrfach.

Die Gegentorflut allein auf die Abwehr oder gar auf die Innenverteidigung zu schieben, würde jedoch zu kurz greifen. Etliche Einschläge nahmen ihren Ursprung im Mittelfeld oder auf den Außenbahnen. Die Hoffnung, dass sich der VfL im letzten Saisondrittel plötzlich stabilisiert, ist realistischerweise nicht allzu groß, aber durchaus vorhanden. Ausgerechnet der kommende Gegner hat es vorgemacht. Nachdem Schalke in der Hinrunde sogar noch mehr Gegentreffer als Bochum kassiert hat, hat der Revier- und Tabellennachbar in der Rückrunde in vier von fünf Partien zu Null gespielt. Der VfL hat das in der gesamten Saison bislang erst zweimal geschafft.

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(Foto: Imago / Team 2)

0:3-Pleite in Bremen

Kaum Gegenwehr: Letsch und Fabian vermissen VfL-Tugenden

Knapp eine Stunde nach Abpfiff kam es in Bremen plötzlich zu einem Wintereinbruch. Dicke Schneeflocken gingen über der Hansestadt hernieder. Einige VfL-Fans, die gerade auf dem Nachhauseweg waren, wurden kalt erwischt – ähnlich wie ihre Mannschaft zwischen 15.30 Uhr und 17.25 Uhr auf dem grünen Rasen. Das Erschreckende: Der SV Werder musste nicht einmal an sein Leistungslimit gehen, um die Gäste aus Bochum verdient und deutlich mit 3:0 zu schlagen. Das ist ein alarmierendes Signal für den neuen Tabellenvorletzten, der im Kampf um den Klassenerhalt zwar weiter alle Chancen hat, in diesem Kalenderjahr aber fünf von sieben Bundesligapartien verloren hat.

Auch Fabian schwer enttäuscht

Ausnahmsweise konnte auch Trainer Thomas Letsch nach dem Spiel in Bremen nichts Positives benennen – es gab einfach nichts. Sein Team enttäuschte auf ganzer Linie. Eine halbe Stunde lang hielt die neu formierte Fünferkette zwar dicht, dann mutierte sie aber zur Fehlerkette und lud Werder noch vor der Pause zweimal zum Toreschießen ein. Auf einfachste Art und Weise gingen die Bremer in Führung. Ein Freistoß in der zweiten Halbzeit brachte die Entscheidung, wobei der VfL nie das Gefühl vermittelte, die Wende noch schaffen zu können. Hinten zu naiv, vorne ohne Ideen und insgesamt kaum Gegenwehr – in dieser Verfassung ist der VfL Bochum nicht bundesligatauglich. 

Das wissen auch die Verantwortlichen. Geschäftsführer Patrick Fabian sprach nach der Partie deshalb Klartext: „So geht es nicht. Wir drehen uns auswärts leider im Kreis.“ Dass der VfL elf von zwölf Partien in der Fremde verloren hat, „ist auch für mich nicht erklärbar. So etwas habe ich noch nie erlebt. Wir setzen uns damit für die Heimspiele immer wieder selbst unter Druck.“ Das Spiel in Bremen sticht aus der langen Reihe der Auswärtsniederlagen sogar noch ein bisschen hervor. „Ich habe positive Emotionen und die Intensität vermisst, die uns normalerweise auszeichnen und die wir brauchen, um in dieser Liga zu bleiben“, sagte Fabian mit ruhiger Stimme, aber trotzdem voller Enttäuschung.

Ohne zahlreiche Stammkräfte

Thomas Letsch erging es nicht anders und fand auffallend kritische Worte: „Wir können diesen Auftritt nicht schönreden. Wir haben wieder drei Gegentreffer kassiert, vorne keine zwingenden Aktionen herausgearbeitet und es nicht geschafft, die Tugenden auf den Platz zu bringen, die uns normalerweise auszeichnen. Das ist aber die Grundvoraussetzung, wenn wir den Klassenerhalt schaffen wollen.“ Letsch wollte bei seiner Spielanalyse auch nicht die Ausrede gelten lassen, dass mehrere Stammkräfte gefehlt haben. Dennoch: Neben Kapitän Anthony Losilla und Simon Zoller fielen kurzfristig auch Ivan Ordets und Danilo Soares erkrankt aus – offensichtlich zu viel für diese Mannschaft.

Verbergen ließ sich ihr Ausfall jedenfalls nicht, vor allem die Defensive war fast komplett neu besetzt. Dass Letsch zusätzlich das System umstellte, war mit Blick auf den Gegner und das eigene Personal zwar nachvollziehbar, blieb aber nicht zum ersten Mal ohne den gewünschten Effekt. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass die Rolle rückwärts in der Pause keine Besserung brachte. Mehr als 4.000 VfL-Fans wurden abermals bitter enttäuscht. Die Verantwortlichen im Klub hoffen deshalb auf eine möglichst schnelle Rückkehr von Ordets und Soares als Leistungsträger in der Abwehr. Auch Cristian Gamboa könnte im brisanten Aufeinandertreffen gegen Schalke wieder zur Verfügung stehen.

Viel zu viele Gegentreffer

Denn ohne eine halbwegs stabile Defensive wird der Klassenerhalt kaum gelingen, weder auf direktem Weg noch über die ungeliebte, aber Hoffnung stiftende Relegation. Das belegen die Zahlen mehr als deutlich: Schon jetzt nach 22 Spielen hat der VfL mehr Gegentreffer kassiert als in der gesamten letzten Saison. Seinerzeit waren es 52, nun sind es bereits 54. Kein Team in der Bundesliga ist anfälliger. Doch auch auf der anderen Seite muss sich die Mannschaft von Thomas Letsch steigern. In fast der Hälfte aller Begegungen hat der VfL kein eigenes Tor erzielt. All das muss im Derby besser werden. Sonst könnte es auch in Bochum frostig-kalt werden – zumindest im übertragenen Sinne.

(Foto: Firo Sportphoto)

Kapitän gesperrt

Aufgabe mit Seltenheitswert: Wie Losilla ersetzt werden kann

Wenn erfolgreiche Unternehmer aus Altersgründen aufhören wollen, ist es oft nicht leicht, einen passenden Nachfolger zu finden. Beim VfL Bochum ist die Lage auf einer Schlüsselposition nicht wesentlich anders. Kapitän und Leistungsträger Anthony Losilla wird zwar noch mindestens in der kommenden Saison auf dem Rasen stehen, doch das Karriereende rückt unzweifelhaft näher – und damit auch die Suche nach einem würdigen Nachfolger.

Losilla hat kaum ein Spiel verpasst

Einen ersten Vorgeschmack darauf gibt es bereits in dieser Woche. Weil der 36-Jährige nach seinem Platzverweis gegen Freiburg für zwei Spiele gesperrt wurde, muss ein Ersatz her – eine Frage, die sich in der Vergangenheit nur selten gestellt hat, und deshalb auch so schwer zu beantworten ist. In der laufenden Saison hat Losilla noch keine Partie verpasst, in der vergangenen Spielzeit lediglich eine. Dass er zwei oder mehr Spiele am Stück aussetzen musste, kam zuletzt im Herbst 2016 vor. „Eins zu eins werden wir ihn nicht ersetzen können. Trotzdem werden wir eine Lösung finden“, sagt Trainer Thomas Letsch mit seinem gewohnten Pragmatismus, ohne schon mehr zu verraten.

Optionen, betont er, gibt es mehrere: Pierre Kunde und Patrick Osterhage ebenso wie Jacek Goralski, Konstantinos Stafylidis und Erhan Masovic. „Sie alle können auf dieser Position spielen“, erklärt der Trainer und fügt hinzu: „Es geht nicht darum, einen ‚neuen Toto‘ zu finden, sondern die richtige Mischung für unser Spiel gegen Bremen.“ Losilla habe Stärken, die in dieser Form keiner der genannten Fünf in einer Person vereint. Vor der Abwehr steht der Franzose für Kopf- und Zweikampfstärke, für Gegenpressing und viel Laufarbeit, für Organisation und lautstarke Kommandos.

Kunde ist ein Startelfkandidat

Die Frage ist also, was Thomas Letsch wichtig ist. Bevorzugt er einen Spieler mit einer ähnlichen Statur, wäre Erhan Masovic die erste Wahl. Setzt er auf Zweikampfpräsenz am Boden, dürfte Konstantinos Stafylidis zum Einsatz kommen. Geht es in erster Linie um das konsequente Anlaufen der Gegenspieler, könnte Patrick Osterhage von Beginn an spielen. Erschwert wird die Personalsuche ohnehin dadurch, dass Kevin Stöger, der neben Losilla normalerweise gesetzt ist, derzeit etwas kränkelt, und Simon Zoller, der gegen Freiburg in der Reihe davor zum Einsatz kam, wegen einer Muskelverletzung mindestens gegen Bremen fehlen wird. Philipp Förster ist dagegen wieder fit.

Für beide Positionen – für die von Zoller, aber vor allem als Ersatz für Losilla – kommt natürlich auch Pierre Kunde infrage. Der Winterneuzugang gehörte beim Auswärtsspiel in Mainz zu den wenigen Lichtblicken und machte auch in München eine ordentliche Figur. Natürlich, bestätigte Letsch zu Beginn dieser Woche, wird Kunde in den Gedanken des Trainerteams eine große Rolle spielen: „Pierre ist ein Spielertyp, den wir im zentralen Mittelfeld lange Zeit nicht hatten: Er ist dynamisch und körperlich sehr robust.“ Kunde könnte als Sechser oder Achter beginnen.

Kapitänsfrage auch noch offen

Kein Thema für die Startelf ist derweil Jacek Goralski. Der polnische Nationalspieler ist nach längerer Ausfallzeit zwar wieder fit, aber der einzige Feldspieler beim VfL, der in diesem Kalenderjahr noch kein einziges Mal für den 20er-Kader nominiert wurde. „Er verhält sich sehr professionell und wartet auf seine Chance“, berichtete Letsch schon in der vergangenen Woche, wohlwissend, dass der Sommerneuzugang nicht einmal zweite Wahl ist. In wenigen Monaten, davon ist auszugehen, dürften sich die Wege von Goralski und dem VfL wieder trennen.

Bleibt kurzfristig noch die Frage, wer Losilla als Spielführer ersetzt und die Kollegen aufs Feld führen wird. Thomas Letsch musste zu Wochenbeginn zugeben, dass er sich mit dieser Thematik noch gar nicht beschäftigt hat: „Seitdem ich hier bin, war das ja nie notwendig. Toto war immer dabei.“ Wahrscheinlich aber wird Manuel Riemann die Kapitänsbinde tragen und aus der letzten Reihe noch mehr brüllen als üblich. Schließlich fallen mit Losilla und Zoller gleich zwei Leitwölfe aus, die die Mannschaft mit ihrer Erfahrung und ihren Kommandos gerne dirigieren.

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(Foto: Firo Sportphoto)

Bundesliga an der Konsole

Eigener Coach, tausende Fans: VfL setzt beim eSport Maßstäbe

Tarsis Bonga war Bochums vielleicht wertvollster Bundesligaspieler. Diesen Satz verstehen viele Anhänger des VfL Bochum sicher nicht auf Anhieb. Im Gegenteil: Sie dürften eher irritiert sein. Doch bei den eSportlern des Vereins war Bonga ein kleiner Star. Der Offensivallrounder, der Ende Januar zu Eintracht Braunschweig gewechselt ist, war für die Kicker an der Konsole ziemlich wichtig. „In dem Modus, in dem wir spielen, haben alle Bundesligaspieler das gleiche Level, damit Chancengleichheit herrscht“, erklärt Michael Fischer, der beim VfL den Bereich eSports leitet und verantwortet. Trotzdem unterscheiden sich die Spieler voneinander. „Ein Innenverteidiger hat andere Stärken als ein Angreifer. Und die körperliche Statur wird auch nicht verändert. Bonga ist sehr groß und hat uns damit enorm geholfen.“

VfL schon sehr erfolgreich

Es sind Aussagen wie diese, die für Außenstehende wichtig sind, um in die Welt der eSportler einzutauchen. Vor mehr als fünf Jahren hat der VfL Bochum die Abteilung gegründet. Gespielt wird an der Playstation, über den Bildschirm flimmert jeweils die neueste Version der FIFA-Reihe. „Das ist die größte Herausforderung. Wir müssen uns immer wieder anpassen und auf Neuerungen einstellen. Jemand, der im letzten Jahr noch überragend war, hat mit dem neuen Spiel vielleicht Probleme – oder umgekehrt“, erklärt Hakan Aslan, der Coach der Bochumer eSports-Mannschaft. Er gilt als Koryphäe in der Branche und trainiert den VfL seit 2021. „Ich gebe Tipps und analysiere die Leistungen – unsere wie die des Gegners. Meine Aufgabe ist es, dass unser Team das neue Spiel so schnell wie möglich beherrscht.“

Praktisch jeden Tag halten die eSportler den Controller für mehrere Stunden in ihren Händen, der Zeitaufwendung ist immens. „Das klassische Gamer-Vorurteil – die sehen die Sonne nicht und essen den ganzen Tag nur Chips – zieht hier trotzdem nicht. Das sind echte Sportler, die körperlich wie mental sehr gefordert sind“, betont Michael Fischer, wobei er Letzteres besonders hervorhebt. „Am Ende entscheidet vor allem der Kopf über Sieg und Niederlage.“ Der VfL arbeitet deshalb auch mit einer Mental-Trainerin zusammen. Sie kümmert sich vor allem um den vierköpfigen Bundesliga-Kader der Bochumer. Der VfL setzt auf die erst 17-jährigen Jamie Barte und Justin Springer, auf Eigengewächs Laurin-Noah Bartsch sowie auf Timo Siep, der für andere Klubs schon Deutscher Meister und Vize-Weltmeister geworden ist.

Zwei von ihnen dürfen pro Spieltag antreten, insgesamt gibt es dann drei Duelle: Zunächst im Doppel, dann einzeln. Wer zwei der drei Partien gewinnt, bekommt drei Punkte in der Virtual Bundesliga (VBL). „Das ist unser Tagesgeschäft“, berichtet Fischer, der früher selbst erfolgreich an der Konsole gespielt hat. Hinzu kommen diverse Turniere, etwa die Klubweltmeisterschaft. Immer wieder hat der VfL seit Gründung der Abteilung Erfolge gefeiert. Bei der Klub-WM qualifizierte sich der VfL als einziger deutscher Verein schon zweimal für das Finalturnier. Darüber hinaus gewann das eSports-Team 2021 die Nordwest-Staffel in der VBL. Das Interesse wird dabei immer größer. Bis zu 6.000 Menschen schauen zu. Die Spiele werden über die Plattform Twitch live übertragen und von eigenen Moderatoren kommentiert.

eSports-Team wird zur Pflicht

„Wir haben ligaweit die besten Zahlen“, berichtet Fischer stolz und sieht sich darin bestätigt, dass der VfL 2017 als damals fünfter deutscher Verein ein eSports-Team ins Leben gerufen hat. In der kommenden Saison ist eine Teilnahme an der Virtual Bundesliga erstmals verpflichtend. Die Bayern und der BVB sind bislang noch nicht dabei. Beim VfL hingegen wächst die eSports-Abteilung weiter. Neben dem eTalentwerk, einer vereinseigenen Kaderschmiede für junge Talente, ist beim VfL auch der Spielort ein außergewöhnlicher. Seit 2019 steht eine eigene WG zur Verfügung. Wobei es sich eigentlich nicht um eine Wohn-, sondern eher um eine Spielgemeinschaft handelt. Hauptsponsor Vonovia stellt die Räumlichkeiten, die der VfL vor allem für Trainingseinheiten und für die Austragung seiner Bundesligaspiele nutzt.

Dieser Text ist zuerst in der Winterausgabe des Magazins „100% VfL Bochum“ erschienen. Auf 100 Seiten bietet der Bochumer 3Satz-Verlag unter anderem Interviews mit Thomas Letsch, Patrick Fabian und Ilja Kaenzig. Ihr könnt das Heft an dieser Stelle digital durchblättern und lesen (funktioniert nur in der Desktopversion). Gedruckte Exemplare liegen in vielen Geschäften im gesamten Stadtgebiet kostenlos aus.

0:2 gegen Freiburg

Rot mit Folgen: Bochum braucht ein neues „Herzstück“

Nach der Pressekonferenz gab es die obligatorische Verabschiedung. Thomas Letsch reichte Christian Streich die Hand – und gratulierte mit einem Schmunzeln zum Klassenerhalt. Der SC Freiburg, der weiter ein Kandidat für die internationalen Plätze ist, aber in der Öffentlichkeit gerne tiefstapelt, hat mit dem 2:0-Sieg in Bochum die magische Grenze von 40 Punkten erreicht. „Die hätten wir auch gern“, sagte Letsch im Dialog mit Streich, der dem Trainer des VfL anschließend auf die Schulter klopfte. „Die werdet ihr noch holen“, entgegnete der dienstälteste Übungsleiter der Liga. Nun: Ob der VfL tatsächlich sieben von 13 verbliebenen Partien gewinnen wird, ist sicher fraglich. Aber die Aussageabsicht von Christian Streich war ohnehin eine andere: Er glaubt an den Bochumer Klassenerhalt. 

Vorerst aber verharrt der VfL bei 19 Zählern, die Heimserie ist gerissen. „Dann müssen wir eben auswärts eine neue starten“, sagte Letsch selbstbewusst nach der verdienten und dennoch unglücklichen Niederlage in einer eigentlich ausgeglichenen Partie. Verdient, weil die Freiburger die wenigen Torchancen, die es auf beiden Seiten gab, besser nutzten. Und unglücklich, weil die Gegentore jeweils kurz vor und nach der Pause fielen. „Dann zurückzukommen, ist schwer“, sagte Letsch, machte seiner Mannschaft aber ein Kompliment „für die Phase nach dem 0:2“, auch wenn der Anschlusstreffer nicht mehr gelang. Zumal der VfL nach einer Stunde in Unterzahl spielen musste. Anthony Losilla wurde nach einem Foulspiel mit gestrecktem Bein und offener Sohle vom Feld gestellt – regeltechnisch nicht falsch.

Umstrittener Platzverweis

Doch der Platzverweis war diskutabel und ziemlich hart, weil keine Absicht und ein Duell um den Ball vorlag. „Eine Fehlentscheidung war es nicht. Aber Gelb statt Rot hätte auch gereicht“, kommentierte Letsch die Entscheidung des insgesamt schwachen Unparteiischen. Felix Zwayer lag in der Zweikampfbeurteilung mehrfach falsch. Er war aber nicht Schuld daran, dass der VfL erstmals unter Letsch im Ruhrstadion verlor. „Wir waren im vorderen Drittel nicht zwingend, haben zu oft falsche Entscheidungen getroffen“, analysierte Angreifer Philipp Hofmann. „Es gab einfach zu wenige Torraumszenen“, ergänzte Trainer Letsch, der mitansehen musste, wie die Freiburger seiner Mannschaft ihre Stärken nahm. Der VfL gewann weniger zweite Bälle als üblich und konnte die schnellen Flügelspieler kaum in Szene setzen.

„Diese Niederlage wird uns aber nicht umwerfen“, glaubt Letsch an eine positive Wendung und vermeidet zum jetzigen Zeitpunkt einen zu intensiven Blick auf die Tabelle. Aktuell stehen die Bochumer auf dem Relegationsplatz. Von zentraler Bedeutung im Abstiegskampf dürften vor allem die nächsten zwei Spiele werden. Zunächst tritt der VfL in Bremen an, dann kommt Schalke 04 ins Ruhrstadion. Dass die Bochumer mindestens in diesen beiden Partien auf ihren Kapitän verzichten müssen, schmerzt besonders – deutlich mehr als die knapp 30-minütige Unterzahl gegen Freiburg. Thomas Letsch spricht vom „fehlenden Herzstück im Zentrum“ und einem „Spielertypen, den wir so nur einmal haben.“ Aber: „Wir reden oft davon, dass wir auch in der Breite einen guten Kader haben. Also werden wir eine Lösung finden.“

Alternativen für Losilla

Kandidaten gibt es definitiv einige. Patrick Osterhage oder Pierre Kunde kommen ebenso infrage wie Erhan Masovic oder Konstantinos Stafylidis, je nach taktischer Ausrichtung und Besetzung der Abwehr. Theoretisch stünde auch Jacek Goralski als Alternative für das defensive Mittelfeld zur Verfügung, doch der polnische Nationalspieler wurde in diesem Jahr noch gar nicht berücksichtigt. Wie auch immer: „Wir setzen darauf, dass uns Toto nicht länger als zwei Spiele fehlen wird“, hofft Letsch auf ein mildes und angemessenes Sportgerichtsurteil, das frühestens am Montag fallen wird. Denn der Kapitän, Dauerbrenner und Antreiber bleibt für das Erreichen des Saisonziels von zentraler Bedeutung. Schließlich soll sich die Prognose von Christian Streich in wenigen Monaten auch bewahrheiten…

UPDATE: Anthony Losilla wurde am Montag vom DFB-Sportgericht für zwei Bundesligaspiele gesperrt. Er fehlt somit gegen Bremen und Schalke.

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(Foto: Firo Sportphoto)

Bochums Mittelstürmer

Leuchtturm und Heimsieggarant: Hofmann immer wertvoller

Einen Fachkräftemangel gibt es auch im Fußball. Seit Jahren gibt es Diskussionen über fehlende Mittelstürmer. Wie akut das Problem ist, zeigte sich vor der Weltmeisterschaft Ende des vergangenen Jahres. Bundestrainer Hansi Flick suchte wochenlang nach einer Lösung, und fand sie plötzlich bei Werder Bremen. Niclas Füllkrug feierte im Alter von 29 Jahren sein Debüt im Nationaldress. Aktuell ist er mit 13 Treffern der erfolgreichste Angreifer der Bundesliga. Sucht man auf der Torschützenliste nach weiteren Mittelstürmern, die für das DFB-Team spielberechtigt sind, ist Philipp Hofmann vom VfL Bochum bereits der nächste.

Seine Zwischenbilanz ist mehr als vorzeigbar: Sieben Treffer stehen nach 20 Saisoneinsätzen auf der Habenseite. Sechs davon hat Hofmann nach dem Trainerwechsel erzielt, alle im Ruhrstadion. In jedem der vergangenen fünf Heimspiele hat Hofmann mindestens einmal getroffen – und der VfL immer gewonnen. Vor allem als Heimsieggarant ist Hofmann längst unverzichtbar. „Ich bin froh, dass wir diesen selten gewordenen Spielertypen im Kader haben“, sagt Trainer Thomas Letsch. „Philipp hat etwas Zeit gebraucht, um in der Bundesliga anzukommen, aber nun ist er für unser Spiel extrem wichtig.“

Unangenehmer Gegenspieler

Das belegen neben der Trefferquote auch andere Zahlen. Der 29-Jährige gewinnt im Schnitt sieben Kopfballduelle pro Partie – keiner in der Liga schafft mehr. Kein Wunder also, dass der 1,95 Meter lange Angreifer drei seiner sieben Tore per Kopf erzielt hat. Doch auch Bodenduelle scheut Bochums Leuchtturm nicht. Ligaweit gewinnt er die drittmeisten Zweikämpfe. Auf seiner Position ist der Blondschopf sogar Spitzenreiter. „Mit seiner körperlichen Wucht ist Philipp nur schwer zu verteidigen. Er liebt es, sich in den Gegenspieler zu stellen. Wir haben das Spiel mehr auf ihn zugeschnitten. Das zahlt er zurück“, erklärt Letsch.

Vor allem die Außenbahnspieler hat der Trainer angewiesen, Hofmann besser in Szene zu setzen. „Er hat immer wieder gesagt, es müssen mehr Flanken in den Strafraum kommen. So sehe ich das natürlich auch“, berichtet der Zielspieler, für den die Bundesliga im Sommer Neuland war. Für sechs verschiedene Klubs hat Hofmann zusammen mehr als 200 Zweitliga-Partien bestritten, zuletzt in Karlsruhe. Dort hat er in den vergangenen drei Jahren jeweils zweistellig getroffen – was nun auch eine Klasse höher gelingen soll. „Logisch, das ist mein großes Ziel“, bestätigt der Familienvater, der im Sauerland aufgewachsen ist.

Vertrag läuft bis 2024

Dass er nun in Bochum gelandet ist, basiert keineswegs auf einem Zufall. Hofmann stand beim VfL schon zu Zweitligazeiten auf der Kandidatenliste. Immer wieder gab es Kontakt, zustande gekommen ist der Wechsel aber erst nach dem Klassenerhalt in der vergangenen Saison. „Weil ich unbedingt in der Bundesliga spielen möchte“, sagte Hofmann nach der Vertragsunterzeichnung. Unterschrieben hat er allerdings nur für zwei Jahre. Angesichts des Fachkräftemangels auf seiner Position würde es überraschen, wenn sich der VfL im Sommer nicht mit Anfragen anderer Klubs beschäftigen müsste.

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(Foto: Firo Sportphoto)

0:3 in München

Besser als befürchtet: VfL-Fans feiern trotz Niederlage

Wären die allermeisten Fans des VfL Bochum nicht von Grund auf optimistisch, dann wären sie die lange Auswärtsreise nach München wahrscheinlich gar nicht angetreten. Diese Feststellung ist zum einen der enttäuschenden Auswärtsbilanz in dieser Saison geschuldet. Nur ein Spiel hat der VfL bislang gewonnen. Zum anderen ist es die Übermacht des FC Bayern, die der VfL allein in den letzten anderthalb Jahren mit zwei 0:7-Niederlagen zu spüren bekam. Landauf, landab erklären Trainer deshalb Woche für Woche, dass der Rekordmeister nur dann zu schlagen sei, wenn die eigene Mannschaft die bestmögliche Leistung abruft. Und die Bayern nicht ihren besten Tag erwischen.

Janko mit dem großen Fehler

Genau diesen Tag zu erleben, den erst zweiten Sieg in München in der Vereinsgeschichte, hat viele Bochumer angetrieben, auch wenn sie im Vorfeld des Spiels nur noch über die Höhe der Niederlage diskutierten. Das wollte Thomas Letsch selbstverständlich nicht hören und sah sich 41 Minuten lang auch bestätigt. Dann aber verlor auch der sonst so ruhige Cheftrainer kurz die Fassung. Ein simpler Rückpass von Saidy Janko zu Torhüter Manuel Riemann war zu kurz geraten, Thomas Müller ging dazwischen und erzielte den Führungstreffer. „Individuelle Fehler ziehen sich leider durch unsere Saison“, stellte Letsch nach der Partie fest und nahm Janko direkt in Schutz: „Diese Fehler passieren im Grunde fast allen von uns.“ Die Liste ist lang, und erst neulich gegen Dortmund und Mainz länger geworden. 

Das Problem: „Erklären kann ich diese Fehler nicht, und abstellen kann ich sie auch nicht – anders als bei taktischen Problemen“, gab Letsch offen zu, und sah kurz zu den Bayern herüber: „Die machen solche Fehler nicht oder extrem selten. Das ist der Unterschied.“ Bei seiner Spielanalyse wollte sich Letsch aber nicht nur auf einen gravierenden Fehler konzentrieren. Mit etwas zeitlichem Abstand zum Schlusspfiff betonte er, dass seine Mannschaft 60 Minuten lang eine mehr als ordentliche, für Bochumer Verhältnisse sogar wirklich gute Leistung gezeigt hat. „Unser Plan ging voll auf. Wir haben in der ersten Halbzeit kaum Torchancen zugelassen und den Bayern die Spielfreude genommen.“ Einziges Manko: Die wenigen Konterchancen, die sich boten, vergaben die Bochumer leichtfertig und überhastet.

Doch auch nach dem ärgerlichen 0:1 glaubte der VfL an seine Chance und spielte nur drei Tage nach dem Pokalaus gegen Dortmund viel besser als befürchtet. „In der Viertelstunde nach der Pause war Bochum besser, da hätten sie den Ausgleich schießen können“, musste auch Julian Nagelsmann zugeben. Dann aber schlugen die Bayern selbst zweimal zu, auch weil der VfL in Person von Janko den bereits zwölften Elfmeter in dieser Saison verursachte. „Vielleicht hätten wir heute etwas mitnehmen können“, dachte Simon Zoller laut nach. Wobei fraglich ist, ob die Bayern mit zunehmender Spieldauer nicht doch noch aufgedreht hätten, auch wenn das Champions-League-Duell gegen Paris wohl schon in den Köpfen war. Doch das ist Spekulation, und die meisten Fans werden das Spiel trotzdem in guter Erinnerung behalten. Generell werden die Auswärtsspiele des VfL in der Bundesliga ja zelebriert, in München aber noch mehr.

50 Jahre Fanfreundschaft

Viele Fans verbrachten das ganze Wochenende in der Landeshaupstadt, überall waren Fans mit Schal oder Trikot zu entdecken. Und auch im Stadion herrschte eine besondere Atmosphäre. Beide Fanlager feierten die seit 50 Jahren bestehende Fanfreundschaft; erst mit einer gemeinsamen Choreo im Heim- und Gästebereich, dann mit einem Wechselgesang, und weit nach Abpfiff mit einem Besuch der Bayern-Fans im Gästeblock. Einige hundert Schlachtenbummler nahmen für das Spiel sogar ganz besondere Strapazen in Kauf. Der eingesetzte Sonderzug verließ das Ruhrgebiet in der Nacht mit großer Verspätung, stundenlang standen die Fans in der Kälte und hatten Glück, überhaupt rechtzeitig zum Anpfiff in München anzukommen. Die Ursache: Wohl ein individueller Fehler bei der Bahn.

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