Debatte

VfL-Kolumne: Ein Klub ist nur so gut wie sein Sportchef

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Suche nach dem neuen Sportchef.

Der Wert seines Mitarbeiters für ein Unternehmen lässt sich selten am Gehalt ablesen. Beim VfL Bochum hätte dies in der jüngeren Vergangenheit auch zu eigenartigen Interpretationen geführt. Dann nämlich wären einige Reservespieler bedeutsamer für den Klub gewesen als der Sportchef.

Diese Prioritätensetzung bei der Verteilung von Geldern mag innerhalb der Branche fast Usus sein, ist von außen betrachtet aber irgendwie merkwürdig. Das beginnt schon beim Arbeitsaufkommen. Ein Profifußballer hat in der Regel ziemlich viel Tagesfreizeit. Ein Sportchef hingegen kann vor allem in Transferphasen froh sein, wenn er halbwegs regelmäßig seinen Kindern eine gute Nacht wünschen kann. Und es hört auf bei der Verantwortung. Niemand bewegt so viel Geld innerhalb eines Klubs wie der Sportchef, er ist für den Trainer und die Spieler verantwortlich.

Natürlich: Der VfL Bochum verfügt über endliche Finanzmittel und muss genau überlegen, wie er diese einsetzt. Aber: Ein Klub ist nur so gut wie sein Sportchef. Und gerade deshalb muss die bestmögliche Strategie und die Suche nach den bestmöglichen Spielern an erster Stelle stehen. Denn der sportliche Erfolg ist die Basis für alles andere. Doch ist das beim VfL Bochum der Fall? Allein das neue Organigramm wirft Fragen auf. Dass das Präsidium erst vor wenigen Monaten Ilja Kaenzig zum alleinigen Geschäftsführer für alle Bereiche – und damit auch für den Sport – ernannt hat, ist per se nicht das Problem. Allerdings hat auch Kaenzigs Tag nur 24 Stunden.

Wenn der VfL einen guten Sportchef für sich finden möchte, muss er erstens ein überzeugendes Gehalt zahlen und darf ihn zweitens nicht auf die dritte Entscheiderebene unterhalb des Präsidiums und der Geschäftsführung stellen. Im Grunde braucht es wieder die Struktur, die es bis vor wenigen Monaten gab und die in der Bundesliga der Standard ist: Einen Geschäftsführer Sport, der sich um die strategischen Belange der Profis, der Frauen und der Jugend kümmert, und einen Sportdirektor für die Kaderplanung. Kurzum: Innerhalb eines Fußballklubs sollte das naheliegendste Priorität genießen – der Fußball.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Losilla versus Kaenzig

Viele Sprachen, kaum Leitwölfe: Bochumer Kabinenprobleme

Es sind Nebenschauplätze, die der VfL Bochum in seiner jetzigen Situation nicht gebrauchen kann, die aber irgendwie ins Bild eines momentan chaotisch und zerstritten wirkenden Fußballklubs passen. Am Sonntagabend hatte der Bochumer Team-Kapitän dem Geschäftsführer des VfL vor laufenden Aufnahmegeräten vehement und auf ungewohnt deutliche Art widersprochen. Dabei ging es um die Aussage von Ilja Kaenzig, der Revierklub habe derzeit „keine einfache Mannschaft.“ Gleich zweimal, in einer Medienrunde am vergangenen Donnerstag sowie in der Pressekonferenz am Freitag, war Kaenzig nicht gut auf die eigenen Kicker zu sprechen. Damit hat er nicht nur die Unruhe im Umfeld weiter befeuert, sondern auch bei den Spielern für Irritationen gesorgt.

Losilla verteidigt die Mannschaft

Vor allem Anthony Losilla wehrte sich gegen diese Kritik. „Er ist unser Chef, er hat seine Meinung. Ich finde nicht, dass wir eine schwierige Gruppe haben. Wir hatten noch nie so eine einfache Gruppe“, sagte der Kapitän am Sonntag auf Nachfrage von Tief im Westen – Das VfL-Magazin und legte verärgert nach: „Ich finde schade, dass so etwas gesagt wird. Das brauchen wir nicht. Wir müssen eine Einheit sein.“ Schon wenige Minuten zuvor äußerte sich Losilla in ähnlicher Form im Interview mit dem WDR: „Klar, wir haben viele neue Gesichter, einige von ihnen können die Sprache nicht und kennen die VfL-Mentalität noch nicht. Aber negativ über die Mannschaft zu reden, bringt uns nicht weiter.“

Kaenzig und Losilla haben sich mittlerweile hinter den Kulissen ausgetauscht, doch eine Frage bleibt: Wer hat denn nun recht? Kaenzigs Argumente sind jedenfalls valide und fielen ursprünglich im Zusammenhang mit der laufenden Trainersuche. „Viele Spieler sind ambitioniert und haben auch hohe Ansprüche an den Verein. Der neue Trainer muss eine gewisse Autorität haben, Klartext sprechen“, erklärte Bochums alleiniger Geschäftsführer am vergangenen Donnerstag und präzisierte seine ursprüngliche Wortwahl am Freitag, blieb aber bei der gleichen Kernaussage. „Das bezieht sich nicht auf die Menschen, niemand ist böse oder negativ. Aber es gibt einfachere Kabinen im Fußball.“

Kaenzig will strenger sein

Interimstrainer Markus Feldhoff bestätigte diesen Eindruck, ohne konkreter zu werden und verwies einzig auf die Gruppengröße. 31 Spieler gehören offiziell zur Bochumer Mannschaft. Ungewöhnlich für VfL-Verhältnissse ist vor allem, dass zahlreiche Spieler der deutschen Sprache (noch) nicht mächtig sind. Dazu gehören unter anderem fünf Neuzugänge, aber auch Profis, die schon länger für den VfL kicken, die bislang aber nicht die Notwendigkeit gesehen haben, sich sprachlich zu integrieren. Das wiederum fördert eine Grüppchenbildung. „Wir müssen den Laden besser im Griff haben, noch enger führen“, bekräftigte Kaenzig, der vor gut einer Woche eine Kabinenansprache hielt.

Sauer aufgestoßen war ihm unter anderem, dass die Mannschaft schon bei kleineren Veränderungen interner Abläufe Widerstand geleistet hat und sensible Interna immer an die Öffentlichkeit kamen. Unter dem unbeliebten Ex-Trainer Peter Zeidler sollte es zum Beispiel feste Frühstückszeiten für alle, gemeinsame Spaziergänge und ein Bierverbot geben. Einige Spieler fühlten sich deswegen offenbar in ihrer Komfortzone gestört. Zudem trug Zeidler innerhalb des Kabinentrakts einen Spitznamen, der zwar nicht bösartig ist, aber dennoch auf mangelnden Respekt schließen lässt. Derartige Randthemen in Kombination mit dem letzten Tabellenplatz möchte Kaenzig in Zukunft gerne vermeiden.

Führungsspieler fehlen zurzeit

Bald soll sich um Probleme dieser Art ohnehin nicht mehr der Geschäftsführer, sondern der neue Sportdirektor kümmern. Für gewöhnlich sind dann vor allem die Führungsspieler seine Ansprechpartner. An denen mangelt es gerade aber. Kevin Stöger, Keven Schlotterbeck und Manuel Riemann haben nicht nur sportlich, sondern auch abseits des Platzes eine große Lücke hinterlassen. Vize-Kapitän Philipp Hofmann ist kein unumstrittener Stammspieler, und hinter Maximilian Wittek, der die Binde ebenfalls schon tragen durfte, fehlen Leitwölfe. Die Mannschaft ist generell zu leise, praktisch keiner marschiert vorneweg. Die vielen Neuen haben fast niemanden, an dem sie sich orientieren können. Das zu regeln, wird auch für den neuen Trainer eine schwierige Aufgabe. Nichts anderes hat Ilja Kaenzig übrigens gesagt.


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(Foto: Marc Niemeyer)

0:5 gegen die Bayern

Feldhoff dreht die Uhr zurück: Neuer Schwung, herbe Schlappe

Auch in Bochum wurden an diesem Sonntag die Uhren umgestellt. Markus Feldhoff, der Interimstrainer des VfL, legte persönlich Hand an. Der 50-Jährige hat die Trainingswoche für viele Gespräche genutzt und nach eigener Aussage „einiges zurückgedreht“, um die Spieler mitzunehmen. „Da gab es verschiedene Wünsche. Natürlich können wir nicht jedem gerecht werden. Aber die Spieler haben genaue Vorstellungen, wie es in der Vergangenheit geklappt hat“, sagte Feldhoff schon im Vorfeld seiner Premierenpartie, die er ausgerechnet gegen die großen Bayern bestreiten musste. Für Feldhoff gehe es darum, „einen gemeinsamen Weg zu finden.“ Das war auch das große Ziel seines Vorgängers; mit dem Unterschied, dass Zeidler ihn vorgegeben hat und ihm fast niemand mehr gefolgt ist.

Taktik verändert

Logisch also, dass Feldhoff von Zeidlers Ideen großen Abstand nahm und die Taktik veränderte. Er entschied sich für eine sehr tiefe 3-3-2-2-Formation mit nominell acht Defensivkräften, die aber nicht nur Beton anrühren sollten, sondern mutig attackierten. Die erste große Chance der Partie verzeichnete sodann Bochums Moritz Broschinski, dessen Abschluss aber im letzten Moment noch von der Linie gekratzt wurde. Nachdem der VfL eine Viertelstunde lang keine Torchance zuließ, nutzten die Bayern sofort ihre erste Gelegenheit: Michael Olise verwandelte einen Freistoß sehenswert zur Führung. „Wenn du gegen den FC Bayern aus dem Spiel heraus wenig zulässt, ist es ärgerlich, durch zwei Standards mit 0:2 hinten zu liegen“, bemängelte Feldhoff die Unachtsamkeiten.

Tapfer gewehrt

Tapfere und disziplinierte Bochumer hielten eine Halbzeit lang gut mit, dann aber gab es trotz neuem Schwung die gewohnte Schlappe. Drei fein herausgespielte und elegant erzielte Treffer der Bayern bescherten dem VfL am Ende ein deutliches 0:5. „Niemand hat in diesem Spiel drei Punkte von uns erwartet“, weiß VfL-Kapitän Anthony Losilla die Erwartungshaltung im Umfeld einzuschätzen. Nicht wenige Anhänger verließen das Stadion schon weit vor dem Schlusspfiff, die übrigen spendeten ihrer Mannschaft aber Applaus. Sie honorierten den Einsatz und wissen, dass der VfL seine dringend benötigten Punkte an anderen Tagen holen muss. Mit dem Trainerwechsel ist dieses Unterfangen nicht automatisch leichter geworden, aber wahrscheinlicher als in den Wochen zuvor.

Tiefer verteidigt

Schließlich haben die Spieler mit dafür gesorgt, dass Peter Zeidler gehen musste. Losilla und Vertreter des Mannschaftsrats stellten in einer Krisensitzung mit der Klubführung die Probleme in der Zusammenarbeit mit Zeidler als so gravierend dar, dass anschließend die Trennung erfolgte. „Das Vertrauen der Spieler in den Trainer war irreparabel beschädigt“, erklärte Geschäftsführer Ilja Kaenzig. Interimstrainer Feldhoff ist eine Art Anti-Zeidler, konnte nach Schilderungen aus dem Mitarbeiterstab mit der Spielphilsophie und den Trainingsideen seines Vorgängers wenig anfangen. „Wir spielen klar mannorientierter mit einem anderen Pressingverhalten. Auch das tiefe Verteidigen gehört dazu. Da haben wir zuletzt teilweise viele Räume zugelassen“, sagt Feldhoff.

Training intensiver

Moritz Broschinski lobte nach dem Bayern-Spiel ausdrücklich die Herangehensweise des Übungsleiters, der „Spaß“ sei „zurück“ und das Training wieder „intensiver“. Kapitän Anthony Losilla pflichtete ihm bei. All das müssen sie natürlich schnellstmöglich in Punkte umwandeln, so schwer die Aufgaben auch sind. Am kommenden Samstag gastiert der VfL in Frankfurt. Unmöglich, gegen die Eintracht zu punkten, ist es keineswegs; in fünf von sechs Partien nach dem Aufstieg schafften die Bochumer mindestens ein Unentschieden. Das wäre ein erster Achtungserfolg, der für den sieglosen Revierklub dringend nötig wäre, moralisch wie tabellerisch. Denn Feldhoff kann zwar die Uhr zurückdrehen, aber verlorene Zeit nicht zurückholen. Der verunglückte Saisonstart bleibt als Hypothek.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Vereinsspitze

Villis zieht sich vorerst zurück: Differenzen im Präsidium

Eigentlich diente die ohnehin geplante Medienrunde am Donnerstagmittag dazu, die Vorgänge und Ereignisse des vergangenen Wochenende aufzuarbeiten. Es sollte vor allem um die Beurlaubung von Peter Zeidler und Marc Lettau gehen, und zugleich natürlich um die Suche nach einem neuen Trainer und einem neuen Sportdirektor. Doch von den angekündigten Gesprächspartnern erschien einer nicht: Hans-Peter Villis. Das war seit dem Morgen allerdings auch keine Überraschung mehr. Über verschiedene Medien war bekannt geworden, dass der 66-Jährige sein Amt am Vorabend vorerst niedergelegt hat. Die WAZ nannte dafür gesundheitliche Gründe, Tief im Westen – Das VfL-Magazin sprach von internen Differenzen innerhalb des Präsidiums. Am Nachmittag veröffentlichte auch die WAZ einen noch ausführlicheren Bericht über Unstimmigkeiten im Bochumer Kontrollgremium.

Volpers und Tigges übernehmen

Denn gesundheitliche Gründe, die der Verein offiziell für den Rückzug nennt, spielen nur eine untergeordnete Rolle. Villis ist mit dieser Begründung lediglich einer möglichen Abwahl zuvorgekommen. Mindestens vier der übrigen sechs Gremiumsmitglieder sollen sich zuletzt aufgrund inhaltlicher Differenzen bei verschiedenen Themen deutlich von Villis distanziert haben. Villis, der seit 2012 Vorsitzender war, bleibt zwar Mitglied des Präsidiums, den Vorsitz übernehmen zurzeit aber seine Vertreter Uwe Tigges und Martin Volpers. Neu gewählt werden mussten sie laut Satzung nicht. Bereits am Mittwochnachmittag hatte Tief im Westen – Das VfL-Magazin verschiedene Präsidiumsmitglieder kontaktiert und gefragt, ob es innerhalb des Gremiums Unstimmigkeiten gebe und ob in diesem Zusammenhang sogar eine Neuwahl des Vorsitzenden ein Thema sei. Dies dementierten sie.

Mitgliederversammlung im Dezember

Villis wusste allerdings davon, dass eine Mehrheit innerhalb des Präsidiums nicht mehr auf seiner Seite steht. Deshalb erklärte er gesichtswahrend seinen Rückzug, zunächst vorübergehend. Alle Präsidiumsmitglieder waren anwesend oder zugeschaltet und stimmten dieser Lösung am Mittwochabend zu. „Hans-Peter Villis ist an uns herangetreten und hat den Wunsch geäußert, sein Amt aus gesundheitlichen Gründen zunächst ruhen zu lassen. Dies respektieren wir natürlich“, sagte Uwe Tigges am Donnerstag. Zu internen Abläufen wollte er ansonsten nichts sagen. Volpers betonte, dass verschiedene Meinungen nicht ungewöhnlich und sogar bereichernd seien. Villis könne jederzeit in sein Amt zurückkehren. Allerspätestens zur Mitgliederversammlung am 12. Dezember dürfte das Thema wieder auf der Agenda landen. Neuwahlen stehen allerdings erst wieder 2026 an.

Viele bevorstehende Entscheidungen

Wegen der sportlichen und außersportlichen Lage ist in jedem Fall mit Nachfragen und hitzigen Diskussionen zu rechnen. Zumal unklar ist, wie das Präsidium in den kommenden Wochen für die notwendige Geschlossenheit sorgen möchte, innerhalb des Gremiums wie auch nach außen. Meinungsverschiedenheiten gab es zuletzt unter anderem in der Trainerfrage, sowohl bei der Verpflichtung als auch in der Folge bis hin zur Freistellung, wobei am Ende alle Mitglieder für die Beurlaubung von Peter Zeidler und auch von Marc Lettau gestimmt haben sollen. Angesprochen auf die nun laufende Trainer- und Sportdirektoren-Suche, sagte Geschäftsführer Ilja Kaenzig am Donnerstag: „Wir machen nur etwas, wenn wir uns darüber zu 100 Prozent einig sind.“ Das bedeutet, die Klubspitze strebt einstimmige Beschlüsse an. Angesichts der Gemengelage im Präsidium könnte das womöglich schwierig werden.


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(Foto: Imago / Revierfoto)

Personalien

Keine Experimente: Kaenzig sucht Trainer und Sportchef

Viel Schlaf wird Ilja Kaenzig in diesen Tagen und Wochen nicht bekommen. Der alleinige Geschäftsführer des VfL Bochum wurde vom Präsidium mit der Suche nach einem neuen Trainer und einem neuen Sportdirektor beauftragt. Mit einer schnellen Antwort in den nächsten Tagen ist eher nicht zu rechnen. Womöglich wird es auch noch wenige Wochen dauern, bis beide Personalien geklärt sind, zumal nicht bekannt ist, ob im Hintergrund für den Fall der Fälle entsprechende Vorarbeit geleistet wurde. Wobei die interne Vorgabe lautet: Tempo, Tempo, Tempo!

Im Idealfall wird Kaenzig zunächst einen Sportchef vorstellen und erst im Anschluss, gemeinsam mit dem neuen Mann, einen Trainer. Doch die Suche laufe derzeit parallel, erklärte Kaenzig in einer Medienrunde am Donnerstag. Es kann also sein, dass erst der Trainer vorgestellt wird und dann der neue Sportchef. Ohnehin ist noch vieles unklar, nicht nur die Reihenfolge. Kaenzig und das Präsidium haben die Stellen- und Anforderungsprofile bislang nur grob umrissen, zumindest gegenüber der Öffentlichkeit. Intern habe man sich in beiden Fällen auf fünf Kernpunkte verständigt.

Bundesliga-Erfahrung könnte ein Kriterium sein, nachdem Thomas Letsch und Peter Zeidler im Grunde Quereinsteiger waren. Urs Fischer und Andre Breitenreiter werden von den Fans und Medien am häufigsten genannt und wurden in der Vergangenheit bereits kontaktiert. Angesichts der sportliche Lage und der wirtschaftlichen Situation muss der VfL aber mit Absagen rechnen. Namen wie Markus Gisdol oder Torsten Lieberknecht wären ebenfalls naheliegend und auch logisch, konkrete Anzeichen für Gespräche gibt aber noch keine. Auch ein Blick ins angrenzende Ausland wäre denkbar.

Gründe für den Doppel-Rauswurf

Klar ist: Speziell auf dem Trainerstuhl soll es „kein Experiment“ mehr geben, bekräftigte Kaenzig. Gesucht werde ein Trainer, der „taktisch flexibel“ ist und, etwas salopp formuliert, „aus den Zutaten etwas Leckeres kocht“. Thomas Letsch und Peter Zeidler hätten zu sehr ihre eigenen Vorstellungen durchdrücken wollen. „Das einfachste Gericht hat zuletzt Thomas Reis gekocht“, vervollständigte Kaenzig seinen Gedanken. „Von diesem Weg sind wir zuletzt abgekommen.“ Kaenzig nahm sich dabei selbst in die Mitverantwortung. Als Geschäftsführer liegt das letzte Wort bei ihm.

In der Causa Zeidler habe auch er sich „irgendwann eingestehen müssen, dass es nicht mehr funktioniert.“ Kaenzig kannte Zeidler bereits aus einer gemeinsamen Zeit in Sochaux. Der Vorschlag ging aber noch von Ex-Geschäftsführer Patrick Fabian aus. Sportdirektor Marc Lettau unterstützte diese Idee, wie auch eine Mehrheit innerhalb des Präsidiums. Das Zögern bei der Beurlaubung erklärte Kaenzig damit, dass es um „viel Vereinsvermögen“ gegangen sei. Zeidler wird bis zum Vertragsende Mitte 2026 noch schätzungsweise 1,5 Millionen Euro ohne Gegenleistung erhalten.

Marc Lettau wiederum wird in der Zeit seiner Beurlaubung weitaus weniger Geld kassieren. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin soll es sich um eine niedrige sechsstellige Summe handeln. Lettaus Freistellung erfolgte zusammen mit der von Peter Zeidler. „Es wäre inkonsequent, nur dem Trainer die Schuld zu geben“, erklärte Kaenzig den Doppel-Rauswurf. Der Kader sei gemeinschaftlich geplant worden. „Ein guter Spieler ist nicht unbedingt ein guter Transfer“, sagte Kaenzig. Soll heißen: Neuzugänge und der bestehende Kader müssten auch gut zusammen passen.

Bescheidenheit als Auswahlkriterium

Neben der Kaderplanung, auf die der neue Sportchef mangels Geld in der laufenden Saison fast oder gar keinen Einfluss mehr nehmen kann, spielen bei der Personalsuche auch noch andere Kriterien eine Rolle. Vor allem das Präsidium wünscht sich eine bessere Personalführung und auch eine andere Kommunikation, sowohl intern als auch in der Außendarstellung. Von Vorteil wäre zudem eine Vergangenheit als Fußballprofi; Lettau hatte diese nicht. Kaenzig nannte zudem ein weiteres Kriterium: Bescheidenheit. Der neue Mann müsse die begrenzten Möglichkeiten akzeptieren.

Einen eigenen Mitarbeiterstab wird folglich niemand mitbringen dürfen. Die finanziellen Möglichkeiten sind eingeschränkt und lassen sich sogar auf die Gehälter der VfL-Manager übertragen. Marc Lettau, für den der Job beim VfL ein Karrieresprung war, soll im Bundesliga-Vergleich mit einem äußerst geringen Salär abgespeist worden sein. Auch Patrick Fabian und Sebastian Schindzielorz haben als Berufseinsteiger eher wenig verdient, obwohl sie sogar Geschäftsführer waren. Selbst viele Reservespieler haben zuletzt ein höheres Gehalt bezogen als der Sportdirektor.

Das lässt durchaus an der richtigen Prioritätensetzung zweifeln; schließlich ist der Mann für die Kaderplanung einer der wichtigsten Akteure im Klub. Eine erfahrene Führungspersönlichkeit mit einem guten Netzwerk, mit einem souveränen Auftreten und einem guten Draht zur Mannschaft, womöglich noch mit einer Bochumer Vergangenheit, wäre zu den Konditionen der Vergangenheit jedenfalls nicht zu bekommen. Bekannte Namen wie der Ex-HSV-Manager Jonas Boldt oder Alexander Rosen, der langjährige Sportchef der TSG Hoffenheim, liegen also weit außerhalb der Reichweite.

Viele Kandidaten, keine heiße Spur

Gleiches gilt vermutlich auch für Sportdirektoren von aufstrebenden Zweitligisten wie dem SC Paderborn, der in der vergangenen Jahren gleich mehrere Senkrenkstarter der Szene hervorgebracht hat. Der VfL wird folglich eher in die zweite Reihe anderer Klubs schauen müssen. Der Name Claus Costa, ein Ex-Bochumer im Management des HSV, fiel bereits, heiß ist die Spur aktuell aber nicht; ebenso wie die zu Marcel Klos vom Genua CFC, der medial häufiger genant wurde. Potenzielle Kandidaten dieser Kategorie gibt es jedoch zuhauf, ebenso wie vereinslose Sportdirektoren.

Die bekanntesten dürften Benjamin Schmedes aus Arnheim und Osnabrück und der erst vor wenigen Tagen in Fürth beurlaubte Rachid Azzouzi sein. Zudem sind beim VfL dutzende Initiativbewerbungen von spannenden und weniger interessanten Kandidaten eingegangen. Berücksichtigt man die Tatsache, dass die Verantwortlichen am Donnerstag angedeutet haben, dass aus dem Sportdirektor auch wieder ein Geschäftsführer Sport werden könnte, sind sogar erfahrene Manager der Kategorie Dieter Hecking oder Peter Knäbel keineswegs ausgeschlossen.

Ziel ist es in jedem Fall, einen Sportchef zu finden, der deutlich länger an Bord bleibt, nachdem Sebastian Schindzielorz im Sommer 2022 mangels Vertrauen selbst das Handtuch warf und kurze Zeit zum VfL Wolfsburg wechselte, Patrick Fabian im Mai 2024 zugleich gehen wollte und musste, und nun auch Marc Lettau geschasst wurde. Nicht nur aus finanziellen, auch aus sportlichen Gründen darf sich der Tabellenletzte aus Bochum bei der Personalauswahl keinen Fehler mehr erlauben. Dafür wird Ilja Kaenzig sicher gerne ein paar schlaflose Nächte in Kauf nehmen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Im Gespräch

VfL-Magazin x Einsachtvieracht: Podcast zur Lage beim VfL

Ereignisreiche Tage liegen hinter dem VfL Bochum: Trainer Peter Zeidler musste gehen, Sportdirektor Marc Lettau ebenfalls. Über die Gründe dafür, die Nachfolge und fehlende personelle Kontinuität sprechen in einer Podcast-Sonderfolge Claudio Gentile vom Bochumer Fan-Blog Einsachtvieracht und Philipp Rentsch von Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Viel Spaß beim Hören!

Hinweis: Das Gespräch fand bereits am Mittwoch und damit vor den Veränderungen im Präsidium statt.


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Debatte

VfL-Kolumne: Die Führungsriege hätte früher eingreifen müssen

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„In ganz Europa kannst du an der Tabelle ablesen, wo Ruhe ist und Kontinuität herrscht.“ Dieser Satz fällt Geschäftsführer Ilja Kaenzig gerade vielleicht auf die Füße, aber er ist zutreffend, denn: Bundesliga-Schlusslicht ist derzeit der VfL Bochum. An der Castroper Straße geht es fast schon ähnlich turbulent zu wie nebenan in Gelsenkirchen.

Nun: Die Trennung von Peter Zeidler war unausweichlich, weil er das Vertrauen vieler Spieler und Mitarbeiter schnell verloren oder nie gewonnen hat. Die Frage aber ist: Was sagt der erneute Trainerwechsel über die Qualität der Personalsuche aus? Hier kommt unter anderem Ex-Sportdirektor Marc Lettau ins Spiel, der immerhin schnell erkannt hat, dass er falsch lag. Zeidlers dogmatische Herangehensweise hätte bekannt sein müssen, ebenso, dass seine Spielidee nicht zur Bochumer Mannschaft passt.

Aber auch andere sitzen bei dieser Fehlentscheidung mit im Boot. Wie kann es sein, dass das Präsidium von all den internen Problemen so wenig mitbekommen hat? Nicht anders ist der späte Trainer-Rauswurf zu erklären. Die operative Gesamtverantwortung liegt zudem bei Ilja Kaenzig. Mindestens zwei Wochen haben sie, hat der ganze Klub verloren. Ernstzunehmende Hinweise zur Trainingsgestaltung, zur Taktik, zu Zeidlers Führungsstil und zu seltsamen Verhaltensweisen gab es schon länger. Einige davon fanden an dieser Stelle bereits Erwähnung. Vielleicht hätten sie noch mehr in die Tiefe gehen müssen, um die Problematik zu verdeutlichen. Nur weil die Mannschaft am Sonntag bei der Krisensitzung quasi blankzog, änderten auch die Befürworter von Zeidler ihre Meinung. Logisch: Die Spieler müssen sich auch selbst hinterfragen und stehen nun in der Pflicht, endlich zu liefern. Aber dass sich die Beziehung zwischen Peter Zeidler und dem VfL zum großen Missverständnis entwickelt, lag nicht an ihnen und war sehr schnell abzusehen.

Aus den Ereignissen müssen die Verantwortlichen lernen. Vor allem für das Präsidium gilt: Es muss seiner Kontrollfunktion nachkommen. Denn wer Kontinuität will, muss zunächst die richtigen Leute auswählen. Ansonsten duelliert sich der VfL bald nicht nur bei den Negativ-Schlagzeilen mit Schalke 04.


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