Trainersuche

Keine Trendwende mit Feldhoff – Hecking wird übernehmen

Update: Dieter Hecking hat mittlerweile einen Vertrag bis zum Saisonende unterschrieben. Er wird am Dienstag seine erste Trainingseinheit leiten und anschließend offiziell vorgestellt. Dann erfolgt auch eine weitere Berichterstattung.

Der ursprüngliche Text von Sonntag:

Die Chancen auf eine dauerhafte Beförderung waren ohnehin eher gering, und liegen nach der 2:7-Pleite in Frankfurt praktisch bei null. Dass Markus Feldhoff noch deutlich länger als Chef an der Bochumer Seitenlinie stehen wird, ist mittlerweile fast ausgeschlossen. Seine bisherigen Maßnahmen hätten nicht gegriffen, gab der Fußballlehrer nach der Partie am Samstag freimütig zu. Auf einen akzeptablen Auftritt gegen Bayern München, der trotzdem in einer 0:5-Niederlage mündete, folgte nun das Debakel in der Main-Metropole. Die schnelle Trendwende nach der Beurlaubung von Peter Zeidler ist somit ausgeblieben. Die Lage hat sich sogar weiter zugespitzt.

Trainer kommt vor dem Manager

Auch deshalb forcieren die Verantwortlichen die Trainersuche, im Hintergrund laufen längst die Gespräche. Die ursprüngliche Reihenfolge sah so aus, dass zunächst der neue Sportdirektor verpflichtet und anschließend gemeinsam der neue Trainer ausgesucht wird. „Aber wenn der richtige Trainer zuerst vor der Tür steht, nehmen wir ihn“, sagte VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig jüngst in einer Medienrunde. So wird es nun auch laufen. Sehr wahrscheinlich schon vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen am kommenden Samstag soll der neue Trainer präsentiert werden. Der Plan ist, dass ihm Feldhoff als Co-Trainer assistieren wird, in Stein gemießelt ist das aber nicht. Klar ist nur, dass der VfL aktuell kaum Geld für einen Vertrauten des Cheftrainers hat.

Trainer mit Ruhe und Erfahrung

Gesucht wird also ein bescheidener Pragmatiker, der Ruhe ausstrahlt und souverän auftritt, der weder neue Mitarbeiter fordert noch mit der Zusammenstellung des Kaders hadert, der keine hohen Gehaltsforderungen stellt und einen Vertrag bis Saisonende akzeptiert. Auch muss er mit der Ungewissheit leben können, nicht zu wissen, wer Sportdirektor wird oder wie es im Präsidium weitergeht. Darüber hinaus muss sich der neue Cheftrainer der Tatsache bewusst sein, dass die sportliche Lage mit sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz prekär ist. Die Wahl wird folglich auf einen vereinslosen Trainer fallen, der schon vieles erlebt und nur wenig zu verlieren hat.

Konkrete Gespräche mit Hecking

Der Wunschkandidat ist längst auserkoren: Nach exklusiven Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin aus Präsidiumskreisen soll Dieter Hecking künftig als Trainer die Mannschaft anleiten. Der 60-Jährige, der aus der Nachbarstadt Castrop-Rauxel stammt, befindet sich bereits in sehr konkreten Gesprächen mit dem Klub. Eine Einigung steht aber noch aus. Die Bundesliga kennt der Fußballlehrer jedenfalls bestens. Mit 418 Spielen steht Hecking auf Platz elf der Trainer mit den meisten Bundesliga-Einsätzen. Bis Mai 2024 war er als Sportvorstand für den 1. FC Nürnberg tätig. Davor trainierte Hecking unter anderem den Hamburger SV, Borussia Mönchengladbach und den VfL Wolfsburg. Der VfL wäre seine neunte Trainer-Station.


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2:7 in Frankfurt

VfL-Debakel: Historisch schlecht und hochgradig peinlich

Kopfschüttelnd schlich Cristian Gamboa nach etwas mehr einer halben Stunde zurück zur Ersatzbank. Der Publikumsliebling konnte nicht glauben, was er beim Aufwärmen sah. Nur wenige Meter von ihm entfernt wurden seine Teamkollegen schwindelig gespielt. Auch beim Auswärtsspiel in Frankfurt gab es für den VfL Bochum keine Aussicht auf Besserung. Es wurde sogar noch wesentlich schlimmer: Nach nur 32 Minuten lag der Revierklub bereits hoffnungslos mit 0:4 in Rückstand. Gegenwehr? Praktisch nicht vorhanden. Ein Tor fiel leichter als das andere; mal durch individuelle Fehler, mal durch kollektives Versagen. Die Frankfurter Fans reagierten hämisch und schickten den VfL mit ihren Gesängen bereits in Liga zwei. Womit sie nach jetzigem Stand nicht falsch liegen. Denn von Bundesligatauglichkeit und dem erneuten Klassenerhalt sind die Bochumer so weit entfernt wie noch nie.

Bilanz des Grauens

Allein die Zahlen sind erschreckend. Nach neun Partien ist der VfL Bochum weiter sieglos, hat nur einen Punkt auf dem Konto, erst neun Tore erzielt und bereits 29 kassiert. So schlecht war die Bilanz des Revierklubs zu diesem Zeitpunkt in keiner Saison zuvor. Mehr noch: In mehr als 60 Bundesliga-Jahren gab es am neunten Spieltag keine schlechtere Mannschaft – nicht einmal Tasmania Berlin als Inbegriff der Erfolglosigkeit. Zudem: So schnell und so hoch wie in Frankfurt lag der VfL vorher noch nie zurück. Auf der Suche nach Mutmachern werden die leidgeprüften Anhänger wirklich nirgends fündig. „Wir haben die Schnauze voll“, sangen einige der 4.000 mitgereisten Fans bereits in der ersten Halbzeit. Der eingewechselte Gerrit Holtmann ging sogar schon in der Halbzeitpause zur Gästekurve, um die aufgebrachten Anhänger zu beruhigen. Holtmann stellte sich auch nach dem Abpfiff als einer von nur wenigen Spielern.

Aufgebrachte Fans

„Ich finde, dass Bochum wunderbare Fans hat, die es nicht verdient haben, dass wir 2:7 auf den Sack kriegen“, sagte Holtmann später. Die Ultras verließen den Block bereits vor dem Abpfiff, generell ist die Stimmung nun gekippt, was in Bochum wahrlich selten vorkommt. Spätestens jetzt bedarf es einer masochistischen Veranlagung, diesem VfL noch zu jedem Spiel zu folgen. Eine Einzelkritik wäre nach dieser hochgradig peinlichen Vorstellung eher unangebracht, es lagen ohnehin nur Nuancen zwischen schlechten und sehr schlechten Leistungen. Gestellt werden muss außerdem die Frage, warum Interimstrainer Markus Feldhoff Fehler der Vergangenheit wiederholt. Dass bestimmte Spieler trotz durchweg enttäuschender Leistungen immer wieder Einsatzchancen erhalten, zum Teil sogar auf unpassenden Positionen, und andere fast nie, ist von außen betrachtet irritierend – ohne natürlich die Gewissheit zu haben, dass es dann besser liefe.

Feldhoff selbstkritisch

Im Gegensatz zu Vorgänger Peter Zeidler hat Feldhoff immerhin kein Problem mit Selbstkritik. In der Pressekonferenz nach dem Spiel gestand der Fußballlehrer eigene Fehler ein: „Ich möchte mich bei jedem Fan entschuldigen. Wir waren in diesem Spiel meilenweit davon entfernt, konkurrenzfähig zu sein. Meine Maßnahmen haben nicht gefruchtet.“ Ein Beispiel von vielen: Feldhoff nahm mit Tim Oermann und Jakov Medic zwei Innenverteidiger aus dem Team. Gegen das schnellste Sturmduo der Liga ließ er stattdessen Ivan Ordets und Erhan Masovic verteidigen – ein hoffnungsloses Unterfangen. „Uns fehlt hinten das Tempo, das sieht jeder“, bestätigte Angreifer Philipp Hofmann, ohne Namen zu nennen. Auch in anderen Mannschaftsteilen fehlt die Geschwindigkeit. Zudem sind die Bochumer weit entfernt von der Leidenschaft und Geschlossenheit, die den VfL in den ersten Jahren nach dem Aufstieg ausgezeichnet haben.

Sieben Gegentreffer

Dass die Bochumer ihren Rückstand zwischenzeitlich verkürzten und es kurz nach der Pause nur noch 2:4 stand, geriet schnell wieder zur Randnotiz. Denn die Eintracht räumte mit dem fünften, sechsten und siebten Treffer kurz danach alle Restzweifel beiseite, der VfL zerfiel in seine Einzelteile – und niemand weiß, ob der Tiefpunkt endlich erreicht ist. Ein Blick auf den Spielplan beruhigt eher nicht: Kommende Woche reist Bayer Leverkusen ins Ruhrstadion. Der Rückstand auf den Relegationsplatz ist nach dem Sieg von St. Pauli im Parallelspiel bereits auf sieben Zähler angewachsen. Ob Feldhoff gegen den amtierenden Meister erneut als Chef an der Seitenlinie stehen wird, ist offen. Die Trainersuche läuft. Das Problem: Für diesen VfL einen geeigneten Übungsleiter zu finden, der die gefühlt hoffnungslose Situation annimmt und doch noch die Trendwende einleiten kann, wird nach dem Debakel in Frankfurt kein leichtes Unterfangen.


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(Foto: Imago / steinsiek.ch)

Debatte

VfL-Kolumne: Ein Klub ist nur so gut wie sein Sportchef

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Suche nach dem neuen Sportchef.

Der Wert seines Mitarbeiters für ein Unternehmen lässt sich selten am Gehalt ablesen. Beim VfL Bochum hätte dies in der jüngeren Vergangenheit auch zu eigenartigen Interpretationen geführt. Dann nämlich wären einige Reservespieler bedeutsamer für den Klub gewesen als der Sportchef.

Diese Prioritätensetzung bei der Verteilung von Geldern mag innerhalb der Branche fast Usus sein, ist von außen betrachtet aber irgendwie merkwürdig. Das beginnt schon beim Arbeitsaufkommen. Ein Profifußballer hat in der Regel ziemlich viel Tagesfreizeit. Ein Sportchef hingegen kann vor allem in Transferphasen froh sein, wenn er halbwegs regelmäßig seinen Kindern eine gute Nacht wünschen kann. Und es hört auf bei der Verantwortung. Niemand bewegt so viel Geld innerhalb eines Klubs wie der Sportchef, er ist für den Trainer und die Spieler verantwortlich.

Natürlich: Der VfL Bochum verfügt über endliche Finanzmittel und muss genau überlegen, wie er diese einsetzt. Aber: Ein Klub ist nur so gut wie sein Sportchef. Und gerade deshalb muss die bestmögliche Strategie und die Suche nach den bestmöglichen Spielern an erster Stelle stehen. Denn der sportliche Erfolg ist die Basis für alles andere. Doch ist das beim VfL Bochum der Fall? Allein das neue Organigramm wirft Fragen auf. Dass das Präsidium erst vor wenigen Monaten Ilja Kaenzig zum alleinigen Geschäftsführer für alle Bereiche – und damit auch für den Sport – ernannt hat, ist per se nicht das Problem. Allerdings hat auch Kaenzigs Tag nur 24 Stunden.

Wenn der VfL einen guten Sportchef für sich finden möchte, muss er erstens ein überzeugendes Gehalt zahlen und darf ihn zweitens nicht auf die dritte Entscheiderebene unterhalb des Präsidiums und der Geschäftsführung stellen. Im Grunde braucht es wieder die Struktur, die es bis vor wenigen Monaten gab und die in der Bundesliga der Standard ist: Einen Geschäftsführer Sport, der sich um die strategischen Belange der Profis, der Frauen und der Jugend kümmert, und einen Sportdirektor für die Kaderplanung. Kurzum: Innerhalb eines Fußballklubs sollte das naheliegendste Priorität genießen – der Fußball.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Losilla versus Kaenzig

Viele Sprachen, kaum Leitwölfe: Bochumer Kabinenprobleme

Es sind Nebenschauplätze, die der VfL Bochum in seiner jetzigen Situation nicht gebrauchen kann, die aber irgendwie ins Bild eines momentan chaotisch und zerstritten wirkenden Fußballklubs passen. Am Sonntagabend hatte der Bochumer Team-Kapitän dem Geschäftsführer des VfL vor laufenden Aufnahmegeräten vehement und auf ungewohnt deutliche Art widersprochen. Dabei ging es um die Aussage von Ilja Kaenzig, der Revierklub habe derzeit „keine einfache Mannschaft.“ Gleich zweimal, in einer Medienrunde am vergangenen Donnerstag sowie in der Pressekonferenz am Freitag, war Kaenzig nicht gut auf die eigenen Kicker zu sprechen. Damit hat er nicht nur die Unruhe im Umfeld weiter befeuert, sondern auch bei den Spielern für Irritationen gesorgt.

Losilla verteidigt die Mannschaft

Vor allem Anthony Losilla wehrte sich gegen diese Kritik. „Er ist unser Chef, er hat seine Meinung. Ich finde nicht, dass wir eine schwierige Gruppe haben. Wir hatten noch nie so eine einfache Gruppe“, sagte der Kapitän am Sonntag auf Nachfrage von Tief im Westen – Das VfL-Magazin und legte verärgert nach: „Ich finde schade, dass so etwas gesagt wird. Das brauchen wir nicht. Wir müssen eine Einheit sein.“ Schon wenige Minuten zuvor äußerte sich Losilla in ähnlicher Form im Interview mit dem WDR: „Klar, wir haben viele neue Gesichter, einige von ihnen können die Sprache nicht und kennen die VfL-Mentalität noch nicht. Aber negativ über die Mannschaft zu reden, bringt uns nicht weiter.“

Kaenzig und Losilla haben sich mittlerweile hinter den Kulissen ausgetauscht, doch eine Frage bleibt: Wer hat denn nun recht? Kaenzigs Argumente sind jedenfalls valide und fielen ursprünglich im Zusammenhang mit der laufenden Trainersuche. „Viele Spieler sind ambitioniert und haben auch hohe Ansprüche an den Verein. Der neue Trainer muss eine gewisse Autorität haben, Klartext sprechen“, erklärte Bochums alleiniger Geschäftsführer am vergangenen Donnerstag und präzisierte seine ursprüngliche Wortwahl am Freitag, blieb aber bei der gleichen Kernaussage. „Das bezieht sich nicht auf die Menschen, niemand ist böse oder negativ. Aber es gibt einfachere Kabinen im Fußball.“

Kaenzig will strenger sein

Interimstrainer Markus Feldhoff bestätigte diesen Eindruck, ohne konkreter zu werden und verwies einzig auf die Gruppengröße. 31 Spieler gehören offiziell zur Bochumer Mannschaft. Ungewöhnlich für VfL-Verhältnissse ist vor allem, dass zahlreiche Spieler der deutschen Sprache (noch) nicht mächtig sind. Dazu gehören unter anderem fünf Neuzugänge, aber auch Profis, die schon länger für den VfL kicken, die bislang aber nicht die Notwendigkeit gesehen haben, sich sprachlich zu integrieren. Das wiederum fördert eine Grüppchenbildung. „Wir müssen den Laden besser im Griff haben, noch enger führen“, bekräftigte Kaenzig, der vor gut einer Woche eine Kabinenansprache hielt.

Sauer aufgestoßen war ihm unter anderem, dass die Mannschaft schon bei kleineren Veränderungen interner Abläufe Widerstand geleistet hat und sensible Interna immer an die Öffentlichkeit kamen. Unter dem unbeliebten Ex-Trainer Peter Zeidler sollte es zum Beispiel feste Frühstückszeiten für alle, gemeinsame Spaziergänge und ein Bierverbot geben. Einige Spieler fühlten sich deswegen offenbar in ihrer Komfortzone gestört. Zudem trug Zeidler innerhalb des Kabinentrakts einen Spitznamen, der zwar nicht bösartig ist, aber dennoch auf mangelnden Respekt schließen lässt. Derartige Randthemen in Kombination mit dem letzten Tabellenplatz möchte Kaenzig in Zukunft gerne vermeiden.

Führungsspieler fehlen zurzeit

Bald soll sich um Probleme dieser Art ohnehin nicht mehr der Geschäftsführer, sondern der neue Sportdirektor kümmern. Für gewöhnlich sind dann vor allem die Führungsspieler seine Ansprechpartner. An denen mangelt es gerade aber. Kevin Stöger, Keven Schlotterbeck und Manuel Riemann haben nicht nur sportlich, sondern auch abseits des Platzes eine große Lücke hinterlassen. Vize-Kapitän Philipp Hofmann ist kein unumstrittener Stammspieler, und hinter Maximilian Wittek, der die Binde ebenfalls schon tragen durfte, fehlen Leitwölfe. Die Mannschaft ist generell zu leise, praktisch keiner marschiert vorneweg. Die vielen Neuen haben fast niemanden, an dem sie sich orientieren können. Das zu regeln, wird auch für den neuen Trainer eine schwierige Aufgabe. Nichts anderes hat Ilja Kaenzig übrigens gesagt.


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(Foto: Marc Niemeyer)

0:5 gegen die Bayern

Feldhoff dreht die Uhr zurück: Neuer Schwung, herbe Schlappe

Auch in Bochum wurden an diesem Sonntag die Uhren umgestellt. Markus Feldhoff, der Interimstrainer des VfL, legte persönlich Hand an. Der 50-Jährige hat die Trainingswoche für viele Gespräche genutzt und nach eigener Aussage „einiges zurückgedreht“, um die Spieler mitzunehmen. „Da gab es verschiedene Wünsche. Natürlich können wir nicht jedem gerecht werden. Aber die Spieler haben genaue Vorstellungen, wie es in der Vergangenheit geklappt hat“, sagte Feldhoff schon im Vorfeld seiner Premierenpartie, die er ausgerechnet gegen die großen Bayern bestreiten musste. Für Feldhoff gehe es darum, „einen gemeinsamen Weg zu finden.“ Das war auch das große Ziel seines Vorgängers; mit dem Unterschied, dass Zeidler ihn vorgegeben hat und ihm fast niemand mehr gefolgt ist.

Taktik verändert

Logisch also, dass Feldhoff von Zeidlers Ideen großen Abstand nahm und die Taktik veränderte. Er entschied sich für eine sehr tiefe 3-3-2-2-Formation mit nominell acht Defensivkräften, die aber nicht nur Beton anrühren sollten, sondern mutig attackierten. Die erste große Chance der Partie verzeichnete sodann Bochums Moritz Broschinski, dessen Abschluss aber im letzten Moment noch von der Linie gekratzt wurde. Nachdem der VfL eine Viertelstunde lang keine Torchance zuließ, nutzten die Bayern sofort ihre erste Gelegenheit: Michael Olise verwandelte einen Freistoß sehenswert zur Führung. „Wenn du gegen den FC Bayern aus dem Spiel heraus wenig zulässt, ist es ärgerlich, durch zwei Standards mit 0:2 hinten zu liegen“, bemängelte Feldhoff die Unachtsamkeiten.

Tapfer gewehrt

Tapfere und disziplinierte Bochumer hielten eine Halbzeit lang gut mit, dann aber gab es trotz neuem Schwung die gewohnte Schlappe. Drei fein herausgespielte und elegant erzielte Treffer der Bayern bescherten dem VfL am Ende ein deutliches 0:5. „Niemand hat in diesem Spiel drei Punkte von uns erwartet“, weiß VfL-Kapitän Anthony Losilla die Erwartungshaltung im Umfeld einzuschätzen. Nicht wenige Anhänger verließen das Stadion schon weit vor dem Schlusspfiff, die übrigen spendeten ihrer Mannschaft aber Applaus. Sie honorierten den Einsatz und wissen, dass der VfL seine dringend benötigten Punkte an anderen Tagen holen muss. Mit dem Trainerwechsel ist dieses Unterfangen nicht automatisch leichter geworden, aber wahrscheinlicher als in den Wochen zuvor.

Tiefer verteidigt

Schließlich haben die Spieler mit dafür gesorgt, dass Peter Zeidler gehen musste. Losilla und Vertreter des Mannschaftsrats stellten in einer Krisensitzung mit der Klubführung die Probleme in der Zusammenarbeit mit Zeidler als so gravierend dar, dass anschließend die Trennung erfolgte. „Das Vertrauen der Spieler in den Trainer war irreparabel beschädigt“, erklärte Geschäftsführer Ilja Kaenzig. Interimstrainer Feldhoff ist eine Art Anti-Zeidler, konnte nach Schilderungen aus dem Mitarbeiterstab mit der Spielphilsophie und den Trainingsideen seines Vorgängers wenig anfangen. „Wir spielen klar mannorientierter mit einem anderen Pressingverhalten. Auch das tiefe Verteidigen gehört dazu. Da haben wir zuletzt teilweise viele Räume zugelassen“, sagt Feldhoff.

Training intensiver

Moritz Broschinski lobte nach dem Bayern-Spiel ausdrücklich die Herangehensweise des Übungsleiters, der „Spaß“ sei „zurück“ und das Training wieder „intensiver“. Kapitän Anthony Losilla pflichtete ihm bei. All das müssen sie natürlich schnellstmöglich in Punkte umwandeln, so schwer die Aufgaben auch sind. Am kommenden Samstag gastiert der VfL in Frankfurt. Unmöglich, gegen die Eintracht zu punkten, ist es keineswegs; in fünf von sechs Partien nach dem Aufstieg schafften die Bochumer mindestens ein Unentschieden. Das wäre ein erster Achtungserfolg, der für den sieglosen Revierklub dringend nötig wäre, moralisch wie tabellerisch. Denn Feldhoff kann zwar die Uhr zurückdrehen, aber verlorene Zeit nicht zurückholen. Der verunglückte Saisonstart bleibt als Hypothek.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Vereinsspitze

Villis zieht sich vorerst zurück: Differenzen im Präsidium

Eigentlich diente die ohnehin geplante Medienrunde am Donnerstagmittag dazu, die Vorgänge und Ereignisse des vergangenen Wochenende aufzuarbeiten. Es sollte vor allem um die Beurlaubung von Peter Zeidler und Marc Lettau gehen, und zugleich natürlich um die Suche nach einem neuen Trainer und einem neuen Sportdirektor. Doch von den angekündigten Gesprächspartnern erschien einer nicht: Hans-Peter Villis. Das war seit dem Morgen allerdings auch keine Überraschung mehr. Über verschiedene Medien war bekannt geworden, dass der 66-Jährige sein Amt am Vorabend vorerst niedergelegt hat. Die WAZ nannte dafür gesundheitliche Gründe, Tief im Westen – Das VfL-Magazin sprach von internen Differenzen innerhalb des Präsidiums. Am Nachmittag veröffentlichte auch die WAZ einen noch ausführlicheren Bericht über Unstimmigkeiten im Bochumer Kontrollgremium.

Volpers und Tigges übernehmen

Denn gesundheitliche Gründe, die der Verein offiziell für den Rückzug nennt, spielen nur eine untergeordnete Rolle. Villis ist mit dieser Begründung lediglich einer möglichen Abwahl zuvorgekommen. Mindestens vier der übrigen sechs Gremiumsmitglieder sollen sich zuletzt aufgrund inhaltlicher Differenzen bei verschiedenen Themen deutlich von Villis distanziert haben. Villis, der seit 2012 Vorsitzender war, bleibt zwar Mitglied des Präsidiums, den Vorsitz übernehmen zurzeit aber seine Vertreter Uwe Tigges und Martin Volpers. Neu gewählt werden mussten sie laut Satzung nicht. Bereits am Mittwochnachmittag hatte Tief im Westen – Das VfL-Magazin verschiedene Präsidiumsmitglieder kontaktiert und gefragt, ob es innerhalb des Gremiums Unstimmigkeiten gebe und ob in diesem Zusammenhang sogar eine Neuwahl des Vorsitzenden ein Thema sei. Dies dementierten sie.

Mitgliederversammlung im Dezember

Villis wusste allerdings davon, dass eine Mehrheit innerhalb des Präsidiums nicht mehr auf seiner Seite steht. Deshalb erklärte er gesichtswahrend seinen Rückzug, zunächst vorübergehend. Alle Präsidiumsmitglieder waren anwesend oder zugeschaltet und stimmten dieser Lösung am Mittwochabend zu. „Hans-Peter Villis ist an uns herangetreten und hat den Wunsch geäußert, sein Amt aus gesundheitlichen Gründen zunächst ruhen zu lassen. Dies respektieren wir natürlich“, sagte Uwe Tigges am Donnerstag. Zu internen Abläufen wollte er ansonsten nichts sagen. Volpers betonte, dass verschiedene Meinungen nicht ungewöhnlich und sogar bereichernd seien. Villis könne jederzeit in sein Amt zurückkehren. Allerspätestens zur Mitgliederversammlung am 12. Dezember dürfte das Thema wieder auf der Agenda landen. Neuwahlen stehen allerdings erst wieder 2026 an.

Viele bevorstehende Entscheidungen

Wegen der sportlichen und außersportlichen Lage ist in jedem Fall mit Nachfragen und hitzigen Diskussionen zu rechnen. Zumal unklar ist, wie das Präsidium in den kommenden Wochen für die notwendige Geschlossenheit sorgen möchte, innerhalb des Gremiums wie auch nach außen. Meinungsverschiedenheiten gab es zuletzt unter anderem in der Trainerfrage, sowohl bei der Verpflichtung als auch in der Folge bis hin zur Freistellung, wobei am Ende alle Mitglieder für die Beurlaubung von Peter Zeidler und auch von Marc Lettau gestimmt haben sollen. Angesprochen auf die nun laufende Trainer- und Sportdirektoren-Suche, sagte Geschäftsführer Ilja Kaenzig am Donnerstag: „Wir machen nur etwas, wenn wir uns darüber zu 100 Prozent einig sind.“ Das bedeutet, die Klubspitze strebt einstimmige Beschlüsse an. Angesichts der Gemengelage im Präsidium könnte das womöglich schwierig werden.


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(Foto: Imago / Revierfoto)

Personalien

Keine Experimente: Kaenzig sucht Trainer und Sportchef

Viel Schlaf wird Ilja Kaenzig in diesen Tagen und Wochen nicht bekommen. Der alleinige Geschäftsführer des VfL Bochum wurde vom Präsidium mit der Suche nach einem neuen Trainer und einem neuen Sportdirektor beauftragt. Mit einer schnellen Antwort in den nächsten Tagen ist eher nicht zu rechnen. Womöglich wird es auch noch wenige Wochen dauern, bis beide Personalien geklärt sind, zumal nicht bekannt ist, ob im Hintergrund für den Fall der Fälle entsprechende Vorarbeit geleistet wurde. Wobei die interne Vorgabe lautet: Tempo, Tempo, Tempo!

Im Idealfall wird Kaenzig zunächst einen Sportchef vorstellen und erst im Anschluss, gemeinsam mit dem neuen Mann, einen Trainer. Doch die Suche laufe derzeit parallel, erklärte Kaenzig in einer Medienrunde am Donnerstag. Es kann also sein, dass erst der Trainer vorgestellt wird und dann der neue Sportchef. Ohnehin ist noch vieles unklar, nicht nur die Reihenfolge. Kaenzig und das Präsidium haben die Stellen- und Anforderungsprofile bislang nur grob umrissen, zumindest gegenüber der Öffentlichkeit. Intern habe man sich in beiden Fällen auf fünf Kernpunkte verständigt.

Bundesliga-Erfahrung könnte ein Kriterium sein, nachdem Thomas Letsch und Peter Zeidler im Grunde Quereinsteiger waren. Urs Fischer und Andre Breitenreiter werden von den Fans und Medien am häufigsten genannt und wurden in der Vergangenheit bereits kontaktiert. Angesichts der sportliche Lage und der wirtschaftlichen Situation muss der VfL aber mit Absagen rechnen. Namen wie Markus Gisdol oder Torsten Lieberknecht wären ebenfalls naheliegend und auch logisch, konkrete Anzeichen für Gespräche gibt aber noch keine. Auch ein Blick ins angrenzende Ausland wäre denkbar.

Gründe für den Doppel-Rauswurf

Klar ist: Speziell auf dem Trainerstuhl soll es „kein Experiment“ mehr geben, bekräftigte Kaenzig. Gesucht werde ein Trainer, der „taktisch flexibel“ ist und, etwas salopp formuliert, „aus den Zutaten etwas Leckeres kocht“. Thomas Letsch und Peter Zeidler hätten zu sehr ihre eigenen Vorstellungen durchdrücken wollen. „Das einfachste Gericht hat zuletzt Thomas Reis gekocht“, vervollständigte Kaenzig seinen Gedanken. „Von diesem Weg sind wir zuletzt abgekommen.“ Kaenzig nahm sich dabei selbst in die Mitverantwortung. Als Geschäftsführer liegt das letzte Wort bei ihm.

In der Causa Zeidler habe auch er sich „irgendwann eingestehen müssen, dass es nicht mehr funktioniert.“ Kaenzig kannte Zeidler bereits aus einer gemeinsamen Zeit in Sochaux. Der Vorschlag ging aber noch von Ex-Geschäftsführer Patrick Fabian aus. Sportdirektor Marc Lettau unterstützte diese Idee, wie auch eine Mehrheit innerhalb des Präsidiums. Das Zögern bei der Beurlaubung erklärte Kaenzig damit, dass es um „viel Vereinsvermögen“ gegangen sei. Zeidler wird bis zum Vertragsende Mitte 2026 noch schätzungsweise 1,5 Millionen Euro ohne Gegenleistung erhalten.

Marc Lettau wiederum wird in der Zeit seiner Beurlaubung weitaus weniger Geld kassieren. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin soll es sich um eine niedrige sechsstellige Summe handeln. Lettaus Freistellung erfolgte zusammen mit der von Peter Zeidler. „Es wäre inkonsequent, nur dem Trainer die Schuld zu geben“, erklärte Kaenzig den Doppel-Rauswurf. Der Kader sei gemeinschaftlich geplant worden. „Ein guter Spieler ist nicht unbedingt ein guter Transfer“, sagte Kaenzig. Soll heißen: Neuzugänge und der bestehende Kader müssten auch gut zusammen passen.

Bescheidenheit als Auswahlkriterium

Neben der Kaderplanung, auf die der neue Sportchef mangels Geld in der laufenden Saison fast oder gar keinen Einfluss mehr nehmen kann, spielen bei der Personalsuche auch noch andere Kriterien eine Rolle. Vor allem das Präsidium wünscht sich eine bessere Personalführung und auch eine andere Kommunikation, sowohl intern als auch in der Außendarstellung. Von Vorteil wäre zudem eine Vergangenheit als Fußballprofi; Lettau hatte diese nicht. Kaenzig nannte zudem ein weiteres Kriterium: Bescheidenheit. Der neue Mann müsse die begrenzten Möglichkeiten akzeptieren.

Einen eigenen Mitarbeiterstab wird folglich niemand mitbringen dürfen. Die finanziellen Möglichkeiten sind eingeschränkt und lassen sich sogar auf die Gehälter der VfL-Manager übertragen. Marc Lettau, für den der Job beim VfL ein Karrieresprung war, soll im Bundesliga-Vergleich mit einem äußerst geringen Salär abgespeist worden sein. Auch Patrick Fabian und Sebastian Schindzielorz haben als Berufseinsteiger eher wenig verdient, obwohl sie sogar Geschäftsführer waren. Selbst viele Reservespieler haben zuletzt ein höheres Gehalt bezogen als der Sportdirektor.

Das lässt durchaus an der richtigen Prioritätensetzung zweifeln; schließlich ist der Mann für die Kaderplanung einer der wichtigsten Akteure im Klub. Eine erfahrene Führungspersönlichkeit mit einem guten Netzwerk, mit einem souveränen Auftreten und einem guten Draht zur Mannschaft, womöglich noch mit einer Bochumer Vergangenheit, wäre zu den Konditionen der Vergangenheit jedenfalls nicht zu bekommen. Bekannte Namen wie der Ex-HSV-Manager Jonas Boldt oder Alexander Rosen, der langjährige Sportchef der TSG Hoffenheim, liegen also weit außerhalb der Reichweite.

Viele Kandidaten, keine heiße Spur

Gleiches gilt vermutlich auch für Sportdirektoren von aufstrebenden Zweitligisten wie dem SC Paderborn, der in der vergangenen Jahren gleich mehrere Senkrenkstarter der Szene hervorgebracht hat. Der VfL wird folglich eher in die zweite Reihe anderer Klubs schauen müssen. Der Name Claus Costa, ein Ex-Bochumer im Management des HSV, fiel bereits, heiß ist die Spur aktuell aber nicht; ebenso wie die zu Marcel Klos vom Genua CFC, der medial häufiger genant wurde. Potenzielle Kandidaten dieser Kategorie gibt es jedoch zuhauf, ebenso wie vereinslose Sportdirektoren.

Die bekanntesten dürften Benjamin Schmedes aus Arnheim und Osnabrück und der erst vor wenigen Tagen in Fürth beurlaubte Rachid Azzouzi sein. Zudem sind beim VfL dutzende Initiativbewerbungen von spannenden und weniger interessanten Kandidaten eingegangen. Berücksichtigt man die Tatsache, dass die Verantwortlichen am Donnerstag angedeutet haben, dass aus dem Sportdirektor auch wieder ein Geschäftsführer Sport werden könnte, sind sogar erfahrene Manager der Kategorie Dieter Hecking oder Peter Knäbel keineswegs ausgeschlossen.

Ziel ist es in jedem Fall, einen Sportchef zu finden, der deutlich länger an Bord bleibt, nachdem Sebastian Schindzielorz im Sommer 2022 mangels Vertrauen selbst das Handtuch warf und kurze Zeit zum VfL Wolfsburg wechselte, Patrick Fabian im Mai 2024 zugleich gehen wollte und musste, und nun auch Marc Lettau geschasst wurde. Nicht nur aus finanziellen, auch aus sportlichen Gründen darf sich der Tabellenletzte aus Bochum bei der Personalauswahl keinen Fehler mehr erlauben. Dafür wird Ilja Kaenzig sicher gerne ein paar schlaflose Nächte in Kauf nehmen.


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(Foto: Marc Niemeyer)