0:5 gegen die Bayern

Feldhoff dreht die Uhr zurück: Neuer Schwung, herbe Schlappe

Auch in Bochum wurden an diesem Sonntag die Uhren umgestellt. Markus Feldhoff, der Interimstrainer des VfL, legte persönlich Hand an. Der 50-Jährige hat die Trainingswoche für viele Gespräche genutzt und nach eigener Aussage „einiges zurückgedreht“, um die Spieler mitzunehmen. „Da gab es verschiedene Wünsche. Natürlich können wir nicht jedem gerecht werden. Aber die Spieler haben genaue Vorstellungen, wie es in der Vergangenheit geklappt hat“, sagte Feldhoff schon im Vorfeld seiner Premierenpartie, die er ausgerechnet gegen die großen Bayern bestreiten musste. Für Feldhoff gehe es darum, „einen gemeinsamen Weg zu finden.“ Das war auch das große Ziel seines Vorgängers; mit dem Unterschied, dass Zeidler ihn vorgegeben hat und ihm fast niemand mehr gefolgt ist.

Taktik verändert

Logisch also, dass Feldhoff von Zeidlers Ideen großen Abstand nahm und die Taktik veränderte. Er entschied sich für eine sehr tiefe 3-3-2-2-Formation mit nominell acht Defensivkräften, die aber nicht nur Beton anrühren sollten, sondern mutig attackierten. Die erste große Chance der Partie verzeichnete sodann Bochums Moritz Broschinski, dessen Abschluss aber im letzten Moment noch von der Linie gekratzt wurde. Nachdem der VfL eine Viertelstunde lang keine Torchance zuließ, nutzten die Bayern sofort ihre erste Gelegenheit: Michael Olise verwandelte einen Freistoß sehenswert zur Führung. „Wenn du gegen den FC Bayern aus dem Spiel heraus wenig zulässt, ist es ärgerlich, durch zwei Standards mit 0:2 hinten zu liegen“, bemängelte Feldhoff die Unachtsamkeiten.

Tapfer gewehrt

Tapfere und disziplinierte Bochumer hielten eine Halbzeit lang gut mit, dann aber gab es trotz neuem Schwung die gewohnte Schlappe. Drei fein herausgespielte und elegant erzielte Treffer der Bayern bescherten dem VfL am Ende ein deutliches 0:5. „Niemand hat in diesem Spiel drei Punkte von uns erwartet“, weiß VfL-Kapitän Anthony Losilla die Erwartungshaltung im Umfeld einzuschätzen. Nicht wenige Anhänger verließen das Stadion schon weit vor dem Schlusspfiff, die übrigen spendeten ihrer Mannschaft aber Applaus. Sie honorierten den Einsatz und wissen, dass der VfL seine dringend benötigten Punkte an anderen Tagen holen muss. Mit dem Trainerwechsel ist dieses Unterfangen nicht automatisch leichter geworden, aber wahrscheinlicher als in den Wochen zuvor.

Tiefer verteidigt

Schließlich haben die Spieler mit dafür gesorgt, dass Peter Zeidler gehen musste. Losilla und Vertreter des Mannschaftsrats stellten in einer Krisensitzung mit der Klubführung die Probleme in der Zusammenarbeit mit Zeidler als so gravierend dar, dass anschließend die Trennung erfolgte. „Das Vertrauen der Spieler in den Trainer war irreparabel beschädigt“, erklärte Geschäftsführer Ilja Kaenzig. Interimstrainer Feldhoff ist eine Art Anti-Zeidler, konnte nach Schilderungen aus dem Mitarbeiterstab mit der Spielphilsophie und den Trainingsideen seines Vorgängers wenig anfangen. „Wir spielen klar mannorientierter mit einem anderen Pressingverhalten. Auch das tiefe Verteidigen gehört dazu. Da haben wir zuletzt teilweise viele Räume zugelassen“, sagt Feldhoff.

Training intensiver

Moritz Broschinski lobte nach dem Bayern-Spiel ausdrücklich die Herangehensweise des Übungsleiters, der „Spaß“ sei „zurück“ und das Training wieder „intensiver“. Kapitän Anthony Losilla pflichtete ihm bei. All das müssen sie natürlich schnellstmöglich in Punkte umwandeln, so schwer die Aufgaben auch sind. Am kommenden Samstag gastiert der VfL in Frankfurt. Unmöglich, gegen die Eintracht zu punkten, ist es keineswegs; in fünf von sechs Partien nach dem Aufstieg schafften die Bochumer mindestens ein Unentschieden. Das wäre ein erster Achtungserfolg, der für den sieglosen Revierklub dringend nötig wäre, moralisch wie tabellerisch. Denn Feldhoff kann zwar die Uhr zurückdrehen, aber verlorene Zeit nicht zurückholen. Der verunglückte Saisonstart bleibt als Hypothek.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Vereinsspitze

Villis zieht sich vorerst zurück: Differenzen im Präsidium

Eigentlich diente die ohnehin geplante Medienrunde am Donnerstagmittag dazu, die Vorgänge und Ereignisse des vergangenen Wochenende aufzuarbeiten. Es sollte vor allem um die Beurlaubung von Peter Zeidler und Marc Lettau gehen, und zugleich natürlich um die Suche nach einem neuen Trainer und einem neuen Sportdirektor. Doch von den angekündigten Gesprächspartnern erschien einer nicht: Hans-Peter Villis. Das war seit dem Morgen allerdings auch keine Überraschung mehr. Über verschiedene Medien war bekannt geworden, dass der 66-Jährige sein Amt am Vorabend vorerst niedergelegt hat. Die WAZ nannte dafür gesundheitliche Gründe, Tief im Westen – Das VfL-Magazin sprach von internen Differenzen innerhalb des Präsidiums. Am Nachmittag veröffentlichte auch die WAZ einen noch ausführlicheren Bericht über Unstimmigkeiten im Bochumer Kontrollgremium.

Volpers und Tigges übernehmen

Denn gesundheitliche Gründe, die der Verein offiziell für den Rückzug nennt, spielen nur eine untergeordnete Rolle. Villis ist mit dieser Begründung lediglich einer möglichen Abwahl zuvorgekommen. Mindestens vier der übrigen sechs Gremiumsmitglieder sollen sich zuletzt aufgrund inhaltlicher Differenzen bei verschiedenen Themen deutlich von Villis distanziert haben. Villis, der seit 2012 Vorsitzender war, bleibt zwar Mitglied des Präsidiums, den Vorsitz übernehmen zurzeit aber seine Vertreter Uwe Tigges und Martin Volpers. Neu gewählt werden mussten sie laut Satzung nicht. Bereits am Mittwochnachmittag hatte Tief im Westen – Das VfL-Magazin verschiedene Präsidiumsmitglieder kontaktiert und gefragt, ob es innerhalb des Gremiums Unstimmigkeiten gebe und ob in diesem Zusammenhang sogar eine Neuwahl des Vorsitzenden ein Thema sei. Dies dementierten sie.

Mitgliederversammlung im Dezember

Villis wusste allerdings davon, dass eine Mehrheit innerhalb des Präsidiums nicht mehr auf seiner Seite steht. Deshalb erklärte er gesichtswahrend seinen Rückzug, zunächst vorübergehend. Alle Präsidiumsmitglieder waren anwesend oder zugeschaltet und stimmten dieser Lösung am Mittwochabend zu. „Hans-Peter Villis ist an uns herangetreten und hat den Wunsch geäußert, sein Amt aus gesundheitlichen Gründen zunächst ruhen zu lassen. Dies respektieren wir natürlich“, sagte Uwe Tigges am Donnerstag. Zu internen Abläufen wollte er ansonsten nichts sagen. Volpers betonte, dass verschiedene Meinungen nicht ungewöhnlich und sogar bereichernd seien. Villis könne jederzeit in sein Amt zurückkehren. Allerspätestens zur Mitgliederversammlung am 12. Dezember dürfte das Thema wieder auf der Agenda landen. Neuwahlen stehen allerdings erst wieder 2026 an.

Viele bevorstehende Entscheidungen

Wegen der sportlichen und außersportlichen Lage ist in jedem Fall mit Nachfragen und hitzigen Diskussionen zu rechnen. Zumal unklar ist, wie das Präsidium in den kommenden Wochen für die notwendige Geschlossenheit sorgen möchte, innerhalb des Gremiums wie auch nach außen. Meinungsverschiedenheiten gab es zuletzt unter anderem in der Trainerfrage, sowohl bei der Verpflichtung als auch in der Folge bis hin zur Freistellung, wobei am Ende alle Mitglieder für die Beurlaubung von Peter Zeidler und auch von Marc Lettau gestimmt haben sollen. Angesprochen auf die nun laufende Trainer- und Sportdirektoren-Suche, sagte Geschäftsführer Ilja Kaenzig am Donnerstag: „Wir machen nur etwas, wenn wir uns darüber zu 100 Prozent einig sind.“ Das bedeutet, die Klubspitze strebt einstimmige Beschlüsse an. Angesichts der Gemengelage im Präsidium könnte das womöglich schwierig werden.


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(Foto: Imago / Revierfoto)

Personalien

Keine Experimente: Kaenzig sucht Trainer und Sportchef

Viel Schlaf wird Ilja Kaenzig in diesen Tagen und Wochen nicht bekommen. Der alleinige Geschäftsführer des VfL Bochum wurde vom Präsidium mit der Suche nach einem neuen Trainer und einem neuen Sportdirektor beauftragt. Mit einer schnellen Antwort in den nächsten Tagen ist eher nicht zu rechnen. Womöglich wird es auch noch wenige Wochen dauern, bis beide Personalien geklärt sind, zumal nicht bekannt ist, ob im Hintergrund für den Fall der Fälle entsprechende Vorarbeit geleistet wurde. Wobei die interne Vorgabe lautet: Tempo, Tempo, Tempo!

Im Idealfall wird Kaenzig zunächst einen Sportchef vorstellen und erst im Anschluss, gemeinsam mit dem neuen Mann, einen Trainer. Doch die Suche laufe derzeit parallel, erklärte Kaenzig in einer Medienrunde am Donnerstag. Es kann also sein, dass erst der Trainer vorgestellt wird und dann der neue Sportchef. Ohnehin ist noch vieles unklar, nicht nur die Reihenfolge. Kaenzig und das Präsidium haben die Stellen- und Anforderungsprofile bislang nur grob umrissen, zumindest gegenüber der Öffentlichkeit. Intern habe man sich in beiden Fällen auf fünf Kernpunkte verständigt.

Bundesliga-Erfahrung könnte ein Kriterium sein, nachdem Thomas Letsch und Peter Zeidler im Grunde Quereinsteiger waren. Urs Fischer und Andre Breitenreiter werden von den Fans und Medien am häufigsten genannt und wurden in der Vergangenheit bereits kontaktiert. Angesichts der sportliche Lage und der wirtschaftlichen Situation muss der VfL aber mit Absagen rechnen. Namen wie Markus Gisdol oder Torsten Lieberknecht wären ebenfalls naheliegend und auch logisch, konkrete Anzeichen für Gespräche gibt aber noch keine. Auch ein Blick ins angrenzende Ausland wäre denkbar.

Gründe für den Doppel-Rauswurf

Klar ist: Speziell auf dem Trainerstuhl soll es „kein Experiment“ mehr geben, bekräftigte Kaenzig. Gesucht werde ein Trainer, der „taktisch flexibel“ ist und, etwas salopp formuliert, „aus den Zutaten etwas Leckeres kocht“. Thomas Letsch und Peter Zeidler hätten zu sehr ihre eigenen Vorstellungen durchdrücken wollen. „Das einfachste Gericht hat zuletzt Thomas Reis gekocht“, vervollständigte Kaenzig seinen Gedanken. „Von diesem Weg sind wir zuletzt abgekommen.“ Kaenzig nahm sich dabei selbst in die Mitverantwortung. Als Geschäftsführer liegt das letzte Wort bei ihm.

In der Causa Zeidler habe auch er sich „irgendwann eingestehen müssen, dass es nicht mehr funktioniert.“ Kaenzig kannte Zeidler bereits aus einer gemeinsamen Zeit in Sochaux. Der Vorschlag ging aber noch von Ex-Geschäftsführer Patrick Fabian aus. Sportdirektor Marc Lettau unterstützte diese Idee, wie auch eine Mehrheit innerhalb des Präsidiums. Das Zögern bei der Beurlaubung erklärte Kaenzig damit, dass es um „viel Vereinsvermögen“ gegangen sei. Zeidler wird bis zum Vertragsende Mitte 2026 noch schätzungsweise 1,5 Millionen Euro ohne Gegenleistung erhalten.

Marc Lettau wiederum wird in der Zeit seiner Beurlaubung weitaus weniger Geld kassieren. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin soll es sich um eine niedrige sechsstellige Summe handeln. Lettaus Freistellung erfolgte zusammen mit der von Peter Zeidler. „Es wäre inkonsequent, nur dem Trainer die Schuld zu geben“, erklärte Kaenzig den Doppel-Rauswurf. Der Kader sei gemeinschaftlich geplant worden. „Ein guter Spieler ist nicht unbedingt ein guter Transfer“, sagte Kaenzig. Soll heißen: Neuzugänge und der bestehende Kader müssten auch gut zusammen passen.

Bescheidenheit als Auswahlkriterium

Neben der Kaderplanung, auf die der neue Sportchef mangels Geld in der laufenden Saison fast oder gar keinen Einfluss mehr nehmen kann, spielen bei der Personalsuche auch noch andere Kriterien eine Rolle. Vor allem das Präsidium wünscht sich eine bessere Personalführung und auch eine andere Kommunikation, sowohl intern als auch in der Außendarstellung. Von Vorteil wäre zudem eine Vergangenheit als Fußballprofi; Lettau hatte diese nicht. Kaenzig nannte zudem ein weiteres Kriterium: Bescheidenheit. Der neue Mann müsse die begrenzten Möglichkeiten akzeptieren.

Einen eigenen Mitarbeiterstab wird folglich niemand mitbringen dürfen. Die finanziellen Möglichkeiten sind eingeschränkt und lassen sich sogar auf die Gehälter der VfL-Manager übertragen. Marc Lettau, für den der Job beim VfL ein Karrieresprung war, soll im Bundesliga-Vergleich mit einem äußerst geringen Salär abgespeist worden sein. Auch Patrick Fabian und Sebastian Schindzielorz haben als Berufseinsteiger eher wenig verdient, obwohl sie sogar Geschäftsführer waren. Selbst viele Reservespieler haben zuletzt ein höheres Gehalt bezogen als der Sportdirektor.

Das lässt durchaus an der richtigen Prioritätensetzung zweifeln; schließlich ist der Mann für die Kaderplanung einer der wichtigsten Akteure im Klub. Eine erfahrene Führungspersönlichkeit mit einem guten Netzwerk, mit einem souveränen Auftreten und einem guten Draht zur Mannschaft, womöglich noch mit einer Bochumer Vergangenheit, wäre zu den Konditionen der Vergangenheit jedenfalls nicht zu bekommen. Bekannte Namen wie der Ex-HSV-Manager Jonas Boldt oder Alexander Rosen, der langjährige Sportchef der TSG Hoffenheim, liegen also weit außerhalb der Reichweite.

Viele Kandidaten, keine heiße Spur

Gleiches gilt vermutlich auch für Sportdirektoren von aufstrebenden Zweitligisten wie dem SC Paderborn, der in der vergangenen Jahren gleich mehrere Senkrenkstarter der Szene hervorgebracht hat. Der VfL wird folglich eher in die zweite Reihe anderer Klubs schauen müssen. Der Name Claus Costa, ein Ex-Bochumer im Management des HSV, fiel bereits, heiß ist die Spur aktuell aber nicht; ebenso wie die zu Marcel Klos vom Genua CFC, der medial häufiger genant wurde. Potenzielle Kandidaten dieser Kategorie gibt es jedoch zuhauf, ebenso wie vereinslose Sportdirektoren.

Die bekanntesten dürften Benjamin Schmedes aus Arnheim und Osnabrück und der erst vor wenigen Tagen in Fürth beurlaubte Rachid Azzouzi sein. Zudem sind beim VfL dutzende Initiativbewerbungen von spannenden und weniger interessanten Kandidaten eingegangen. Berücksichtigt man die Tatsache, dass die Verantwortlichen am Donnerstag angedeutet haben, dass aus dem Sportdirektor auch wieder ein Geschäftsführer Sport werden könnte, sind sogar erfahrene Manager der Kategorie Dieter Hecking oder Peter Knäbel keineswegs ausgeschlossen.

Ziel ist es in jedem Fall, einen Sportchef zu finden, der deutlich länger an Bord bleibt, nachdem Sebastian Schindzielorz im Sommer 2022 mangels Vertrauen selbst das Handtuch warf und kurze Zeit zum VfL Wolfsburg wechselte, Patrick Fabian im Mai 2024 zugleich gehen wollte und musste, und nun auch Marc Lettau geschasst wurde. Nicht nur aus finanziellen, auch aus sportlichen Gründen darf sich der Tabellenletzte aus Bochum bei der Personalauswahl keinen Fehler mehr erlauben. Dafür wird Ilja Kaenzig sicher gerne ein paar schlaflose Nächte in Kauf nehmen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Im Gespräch

VfL-Magazin x Einsachtvieracht: Podcast zur Lage beim VfL

Ereignisreiche Tage liegen hinter dem VfL Bochum: Trainer Peter Zeidler musste gehen, Sportdirektor Marc Lettau ebenfalls. Über die Gründe dafür, die Nachfolge und fehlende personelle Kontinuität sprechen in einer Podcast-Sonderfolge Claudio Gentile vom Bochumer Fan-Blog Einsachtvieracht und Philipp Rentsch von Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Viel Spaß beim Hören!

Hinweis: Das Gespräch fand bereits am Mittwoch und damit vor den Veränderungen im Präsidium statt.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Die Führungsriege hätte früher eingreifen müssen

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Der erneute Trainerwechsel.

„In ganz Europa kannst du an der Tabelle ablesen, wo Ruhe ist und Kontinuität herrscht.“ Dieser Satz fällt Geschäftsführer Ilja Kaenzig gerade vielleicht auf die Füße, aber er ist zutreffend, denn: Bundesliga-Schlusslicht ist derzeit der VfL Bochum. An der Castroper Straße geht es fast schon ähnlich turbulent zu wie nebenan in Gelsenkirchen.

Nun: Die Trennung von Peter Zeidler war unausweichlich, weil er das Vertrauen vieler Spieler und Mitarbeiter schnell verloren oder nie gewonnen hat. Die Frage aber ist: Was sagt der erneute Trainerwechsel über die Qualität der Personalsuche aus? Hier kommt unter anderem Ex-Sportdirektor Marc Lettau ins Spiel, der immerhin schnell erkannt hat, dass er falsch lag. Zeidlers dogmatische Herangehensweise hätte bekannt sein müssen, ebenso, dass seine Spielidee nicht zur Bochumer Mannschaft passt.

Aber auch andere sitzen bei dieser Fehlentscheidung mit im Boot. Wie kann es sein, dass das Präsidium von all den internen Problemen so wenig mitbekommen hat? Nicht anders ist der späte Trainer-Rauswurf zu erklären. Die operative Gesamtverantwortung liegt zudem bei Ilja Kaenzig. Mindestens zwei Wochen haben sie, hat der ganze Klub verloren. Ernstzunehmende Hinweise zur Trainingsgestaltung, zur Taktik, zu Zeidlers Führungsstil und zu seltsamen Verhaltensweisen gab es schon länger. Einige davon fanden an dieser Stelle bereits Erwähnung. Vielleicht hätten sie noch mehr in die Tiefe gehen müssen, um die Problematik zu verdeutlichen. Nur weil die Mannschaft am Sonntag bei der Krisensitzung quasi blankzog, änderten auch die Befürworter von Zeidler ihre Meinung. Logisch: Die Spieler müssen sich auch selbst hinterfragen und stehen nun in der Pflicht, endlich zu liefern. Aber dass sich die Beziehung zwischen Peter Zeidler und dem VfL zum großen Missverständnis entwickelt, lag nicht an ihnen und war sehr schnell abzusehen.

Aus den Ereignissen müssen die Verantwortlichen lernen. Vor allem für das Präsidium gilt: Es muss seiner Kontrollfunktion nachkommen. Denn wer Kontinuität will, muss zunächst die richtigen Leute auswählen. Ansonsten duelliert sich der VfL bald nicht nur bei den Negativ-Schlagzeilen mit Schalke 04.


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Feldhoff übernimmt

Interimslösung steht: VfL sucht nicht nur Trainer und Manager

Vielleicht wäre es mal spannend, in Bochum zufällig ausgewählte Passanten anzusprechen und ihnen die Frage zu stellen, wer gerade Trainer des heimischen VfL ist. Menschen, die sich kaum oder nur beiläufig für Fußball interessieren, dürften angesichst der regelmäßigen Personalrochaden allmählich ins Schwimmen geraten. Allein in diesem Kalenderjahr, das ja noch nicht vorbei ist, gab es schon vier verschiedene Übungsleiter. Auf Thomas Letsch, der bis Anfang April das Training und die Taktik verantwortet hat, folgte bis zur gewonnenen Relegation Interimscoach Heiko Butscher, und anschließend für etwas mehr als 100 Arbeitstage Peter Zeidler. Nach dessen Beurlaubung übernimmt nun übergangsweise das Duo Markus Feldhoff und Murat Ural, wobei die Hauptverantwortung bei Ex-Profi Feldhoff liegen wird. Die beiden haben zuletzt als Co-Trainer der Bundesliga-Mannschaft gearbeitet, kennen also das Team und sollen den VfL zunächst einmal in das Heimspiel gegen Rekordmeister Bayern München am kommenden Sonntag führen. Weitere Einsätze sind wahrscheinlich, zumindest bis zur nächsten Länderspielpause im November.

Ein kompletter Neuanfang ist es also nicht, wobei Feldhoff und Ural zuletzt schon auf deutliche Distanz zu ihrem Chef gegangen sein sollen. Sie waren also nicht unbedingt der Meinung von Zeidler. Feldhoff wurde bereits unter Thomas Letsch ins Trainerteam aufgenommen und soll noch längerfristig Co-Trainer des Klubs bleiben. Ural kam auf Empfehlung von Zeidler zum VfL, allerdings haben die beiden vorher nie enger zusammengearbeitet; Ural hatte lediglich kurz in St. Gallen hospitiert. Beide besitzen die höchste Trainerlizenz und haben zumindest für einige Wochen schon Cheftrainer-Erfahrung sammeln dürfen. Feldhoff war 2021 für den VfL Osnabrück verantwortlich, Ural Anfang 2024 für den FC Zürich – in beiden Fällen aber ohne großen Erfolg. Auch U19-Trainer David Siebers, der intern hochgeschätzt wird, war ein Kandidat, soll angesichts des schwierigen Programms und der Gemengelage aber nicht verheizt werden.

Komplette Neubesetzung

Sollten Feldhoff und Ural nicht für Sensationserfolge sorgen, werden sie die erste Reihe demnächst auch wieder räumen müssen. Der VfL sucht außerhalb des Klubs nach einer Dauerlösung für den Trainerposten. Medial wird bereits der lange Zeit bei Union Berlin erfolgreiche Urs Fischer gehandelt. Auch Andre Breitenreiter, dem der VfL im Sommer abgesagt und sich dann für Zeidler entschieden hat, wird erneut genannt. Beide Personalien sind naheliegend, aktuell aber reine Spekulation, weil der VfL zunächst einen neuen Sportdirektor verpflichten möchte, der anschließend an der Trainersuche beteiligt sein soll. Nach der Beurlaubung von Marc Lettau an diesem Sonntag und der ersatzlosen Trennung von Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian im Mai gibt es derzeit keinen Sportchef mehr. Deshalb will das Präsidium gemeinsam mit Geschäftsführer Ilja Kaenzig möglichst schnell einen Nachfolger für Lettau installieren.

Wie sich die Verantwortlichen hierfür organisieren, nachdem sie eine solche Position jahrelang immer nur durch internes Aufrücken neu besetzt haben, ist nicht bekannt. Das Präsidium verfügt über kein großes Netzwerk und benötigt Unterstützung, entweder von Kaenzig oder von externen Branchenkennern. Die finanziellen Mittel sind in jedem Fall begrenzt. Mit Thomas Letsch und Peter Zeidler stehen bereits zwei Cheftrainer auf der Gehaltsliste; beide bis 2026 und mit einem Jahresgehalt von rund einer Million Euro. Überdies müssen auch noch Patrick Fabian und Marc Lettau bezahlt werden, jedoch kürzer und zu deutlich geringeren Konditionen. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin muss allerdings noch eine weitere Stelle neu besetzt werden. Teammanager Hannes Hahn, ein Vertrauter von Lettau, muss den Klub ebenfalls mit sofortiger Wirkung verlassen. Chefscout Carsten Schüpmann-Haase darf indes bleiben, nachdem sich auch bei dieser Personalie zunächst eine Trennung abgezeichnet hatte. Der neue Sportdirektor soll sich einen eigenen Eindruck über die Arbeit der Scouting-Abteilung verschaffen.


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Krise in Bochum

Großer Knall: Warum Zeidler und Lettau gehen müssen

Wie sehr Peter Zeidler von sich und seiner Arbeit überzeugt ist, hat er nach der Niederlage in Hoffenheim ganz unverblümt gezeigt. Auf die Frage, ob er noch daran glauben würde, mit dem VfL Bochum das Ruder herumreißen zu dürfen, reagierte er mit einer längeren Antwort, die in einem bemerkenswerten Eigenlob mündete: „Dass ich fleißig und sehr kompetent bin, das weiß man. Und weil dem so ist, bin ich Trainer des VfL Bochum – hoffentlich noch sehr lange.“ Dieser Wunsch geht für ihn allerdings nicht in Erfüllung. Zeidler muss den Bundesligisten nach etwas mehr als 100 Arbeitstagen schon wieder verlassen. Nach einem stundenlangen Sitzungsmarathon mit kontroversen Diskussionen war Zeidlers Aus am Sonntagabend besiegelt. Und nicht nur das: Auch Sportdirektor Marc Lettau muss den Klub verlassen. Ein Knall, der in dieser Form nicht zu erwarten war.

Acht Spiele ohne Sieg

Denn einige Mitglieder der Vereinsspitze hatten noch vor gut zwei Wochen trotz der angespannten Lage einen erneuten Trainerwechsel blockiert, mutmaßlich aus drei Gründen. Erstens: Die finanzielle Belastung. Neben Thomas Letsch steht mit Peter Zeidler nun schon ein zweiter beurlaubter Cheftrainer auf der Gehaltsliste. Zweitens: Der Wunsch nach personeller Kontinuität. Und drittens: Das Eingeständnis, im Sommer erneut falsch gelegen zu haben. Doch überzeugende Argumente für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit gab es längst nicht mehr. Zeidlers Bilanz mit nur einem Punkt aus sieben Bundesliga-Partien, dem Aus im Pokal und keiner erkennbaren Entwicklung ist desaströs. Das Vertrauen von Mannschaft und Mitarbeitern hatte Zeidler längst verloren, oder besser: nie wirklich gewonnen.

Keine Fortschritte unter Zeidler

Schon in der Länderspielpause hatte Tief im Westen – Das VfL-Magazin über interne Kritik an seinen Trainingseinheiten, seinem taktischen Konzept und seinem Führungsstil berichtet. Zeidler handelte wenig pragmatisch, wollte seine Ideen durchsetzen und stieß damit auf massive Widerstände. Zeidler ist es nicht gelungen, aus vielen neuen Spielern und einem kleinen Kern der letztjährigen Mannschaft ein funktionierendes Team zu formen und seine Prinzipien zu vermitteln. Die Defizite in insgesamt nur acht gemeinsamen Pflichtspielen waren zu groß, defensiv wie offensiv. Dass Zeidler vor allem in den letzten Wochen immer wieder die Formation und das Personal wechselte, war ein kleines Zeichen von Anpassungsbereitschaft, in der Umsetzung aber nur mit neuen Problemen und keinen messbaren Fortschritten verbunden. Es fehlte ein stabiles Grundgerüst.

Lettau trägt Mitverantwortung

Aus der Sicht von Geschäftsführer Ilja Kaenzig und dem Präsidium trägt dafür auch Marc Lettau die Mitverantwortung, der den Klub ebenfalls verlassen muss, obwohl er Zeidler keineswegs stützte, sondern ihn seit Wochen kritisch sah. Spannend: Lettaus Aus war sogar schneller besiegelt als die Beurlaubung von Zeidler. Der Sportdirektor war im Sommer nach der Trennung von Mit-Geschäftsführer Patrick Fabian zwar indirekt aufgestiegen, weil noch mehr Verantwortung auf ihn übertragen wurde, bei der Klubspitze stand er trotzdem unter Beobachtung. Lettau verantwortete sowohl in diesem als auch im vergangenen Jahr die Kaderplanung. Schon in der zurückliegenden Saison überzeugten nur wenige seiner Neueinkäufe, in dieser ist das bislang nicht anders. Teile des Präsidiums sahen ihn zudem kritisch, weil er aus ihrer Sicht wichtige Eigenschaften für eine Führungskraft vermissen ließ, vor allem im kommunikativen Bereich. Seine Nachfolge ist noch nicht geklärt, ebenso die von Zeidler. Zumindest hierfür zeichnet sich aber eine schnelle Lösung ab.

Interne Zwischenlösung

Aufgrund der Kürze der Zeit und auch aus wirtschaftlichen Gründen ist eine interne Lösung naheliegend, entweder interimsweise oder bei entsprechender Entwicklung auch dauerhaft. Der im April beurlaubte Thomas Letsch zählt allerdings nicht zum Kandidatenkreis, auch wenn einige Fans seine Rückkehr fordern. Über die notwendige Fußballlehrerlizenz verfügen ansonsten sechs weitere Angestellte des VfL, darunter die beiden Co-Trainer Markus Feldhoff und Murat Ural sowie U19-Trainer David Siebers. Auf den Auserwählten wartet in jedem Fall eine Herkulesaufgabe, allein mit Blick auf den Spielplan. Am kommenden Sonntag gastiert der FC Bayern im Bochumer Ruhrstadion, die Gegner danach heißen Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen und VfB Stuttgart. Das Gute: Die Erwartungshaltung ist eher gering, und ein Neustart setzt bei Fans und Spielern oftmals neue Kräfte frei.


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