2:0-Sieg gegen Dortmund

Hoffnung und Hochgefühl: Bochumer Derbysieg mit Sirtaki

Den Stadion-DJ kennt in Bochum namentlich fast niemand. Doch am Samstagnachmittag im Derby gegen Borussia Dortmund hatte Klaus Wonner seinen großen Auftritt. Zunächst bejubelten die Fans des VfL den Treffer zum 1:0 noch zu den üblichen Klängen des „Cancan“. Doch dann bemerkte Wonner, dass Winter-Neuzugang und Griechenlands Nationalspieler Georgios Masouras den Ball über die Linie gedrückt hatte. Der DJ war vorbereitet und schob prompt den „Sirtaki“ hinterher. Nicht nur Wonner freute sich darüber, dass er nur zwei Minuten später auf die Wiederholungstaste drücken durfte. Denn Masouras nutzte am Ende der ersten Halbzeit einen schweren Fehler von Niklas Süle, fing dessen zu kurz geratenen Rückpass ab, lief alleine auf Gregor Kobel zu und hob den Ball zum 2:0 ins Dortmunder Tor. Die Fans auf den Rängen tanzten vor Freude, und dieses seltene Hochgefühl hielt bis weit nach Schlusspfiff an.

Souverän verteidigt

Denn der VfL ließ gegen den schwachen und fast wehrlosen Champions-League-Teilnehmer aus der Nachbarstadt praktisch nichts mehr anbrennen. Im Hinspiel führte der VfL ebenfalls mit 2:0, verlor am Ende aber mit 2:4. Nun brachten die Bochumer die Führung sogar ungefährdet über die Zeit. In der ersten Halbzeit hatte Dortmunds Serhou Guirassy dreimal die Chance, Timo Horn zu überwinden. Im zweiten Durchgang hingegen musste Bochums souveräner Ersatzkeeper bei seinem Bundesliga-Comeback und VfL-Debüt kaum noch eingreifen. Die Bochumer waren der frühen Entscheidung sogar näher als der BVB dem Anschlusstreffer, doch Masouras verpasste den Dreierpack. Nötig war er nicht mehr, der VfL verteidigte geschlossen, leidenschaftlich und hielt erst zum dritten Mal in dieser Saison die Null auf der richtigen Seite. „Wir haben ein überragendes Spiel gemacht und verdient gewonnen“, lobte Dieter Hecking sein Team für die bislang beste Saisonleistung. Dabei ging auch der Plan des Trainers voll auf.

„Von der ersten Minute an waren wir präsent, haben Dortmund gestresst und zu Fehlern gezwungen“, erzählte Hecking mit Begeisterung. Mit einer solch intensiven Spielweise kommt der kriselnde BVB bekanntermaßen nicht klar. Dass der VfL seinen dritten Saisonsieg aber ausgerechnet im prestigeträchtigen Derby feiern würde, war im Vorfeld nicht unbedingt zu erwarten. Trainer Hecking musste mit Top-Torjäger Myron Boadu, den beiden Schienenspielern Felix Passlack und Maximilian Wittek sowie mit Torhüter Patrick Drewes auf vier etatmäßige Stammspieler verzichten. Doch Heckings personelle und taktische Alternativideen waren die richtigen. Hecking stellte auf ein 5-3-2-System um mit Ibrahima Sissoko, Philipp Hofmann, Erhan Masovic und Timo Horn. Das Quartett überzeugte fast ausnahmslos. Auch Tim Oermann und Gerrit Holtmann kamen in ihren ungewohnten Rollen als Schienenspieler gut zurecht.

Zu den besten Bochumern gehörten neben dem Doppel-Torschützen Masouras vor allem Sissoko und Neuzugang Tom Krauß. Aber auch der viel gescholtene Hofmann wusste zu gefallen. Zum Beispiel beim 1:0, als Schiedsrichter Harm Osmers einen Vorteil für den VfL laufen ließ und Hofmann den Ball präzise aufs Tor schob, Masouras aber auf Nummer sicher gehen wollte und das Spielgerät noch berührte. „Er hat sich schon in der Halbzeit mehrfach entschuldigt, weil er wusste, dass der Ball auch ohne ihn reingegangen wäre“, verriet Hofmann nach dem Spiel, ärgert sich aber nicht, sondern freute sich über den Teamerfolg: „Das werden wir jetzt genießen. Dieser Sieg ist wichtig für die Köpfe.“ Der VfL ist zum ersten Mal seit September nicht mehr Tabellenletzter, der Relegationsplatz ist wieder greifbar. Die Hoffnung auf den Klassenerhalt ist selbst bei den größten Skeptikern zurückgekehrt. „Einen solchen Sieg haben wir gebraucht. Ich habe immer gesagt, dass wir auch mal außergewöhnlich punkten müssen“, bekräftigte Hecking. 

Erinnerungen an Gekas

Für den erfahrenen Fußballlehrer ist klar, dass der Auftritt im Derby der Maßstab für die anstehenden Spiele sein muss. Am kommenden Samstag reisen die Bochumer nach Wolfsburg, anschließend kommt Kellerkonkurrent Hoffenheim ins Ruhrstadion, das im Abstiegskampf abermals zum entscheidenden Faktor werden könnte. Zur guten Stimmung kann natürlich auch der Sirtaki beitragen, der sogar die Spieler begeistert hat. „Das war witzig und kam etwas überraschend. Wir haben ein bisschen getanzt“, verriet Hofmann, nachdem Stadion-DJ Wonner die Melodie des griechischen Volkstanzes auch unmittelbar nach dem Schlusspfiff eingespielt hatte. Erinnerungen wurden wach an Theofanis Gekas, der den VfL anno 2007 ebenfalls mit einem Doppelpack zum Derbysieg gegen Borussia Dortmund schoss. Am Saisonende hielt der VfL übrigens die Klasse und blieb in der Bundesliga.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Ruhe und Erfahrung

100 Tage Hecking: Viel Lob und ein verlockendes Angebot

So kurz angebunden wie am vergangenen Sonntag ist Dieter Hecking eher selten. Nach dem 2:2 im bedeutsamen Kellerduell bei Holstein Kiel wollte der Trainer des VfL Bochum nach eigener Auskunft einfach nur schnell zum Flieger, der den Tabellenletzten zurück ins Ruhrgebiet brachte. Offenkundig war der 60-Jährige aber auch nicht bester Laune, nachdem seine Mannschaft zwei Punkte bei einem direkten Konkurrenten verspielt hatte und zudem mehrfach verletzungsbedingt wechseln musste. Immerhin gab es zu Wochenbeginn in den meisten Fällen Entwarnung, nur nicht bei Myron Boadu. Der mit sieben Saisontreffern torgefährlichste Bochumer fällt wegen einer Muskelverletzung im Oberschenkel mindestens für das Derby gegen Dortmund aus, teilte der Verein am Dienstag mit. Die genaue Ausfallzeit ist noch nicht bekannt. Klar ist nur: Boadu kann im Abstiegskampf ohne Zweifel ein entscheidender Faktor sein.

Das weiß auch Dieter Hecking, der seinen verletzungsanfälligen Angreifer Anfang Januar öffentlich scharf kritisierte, aber schon da betonte, welch großes Potenzial in ihm stecke. Hecking hoffte auf eine positive Reaktion, und sah sich in seiner Herangehensweise bestätigt, als Boadu eine Woche später gegen Leipzig prompt dreifach knipste. Natürlich habe er mitbekommen, wie sein Trainer über ihn gesprochen hat, erzählte Boadu nach der Partie: „Der Coach ist ein ehrlicher Mensch. Es wäre mir zwar lieber gewesen, wenn er es mir direkt gesagt hätte. Aber er hatte Recht. Ich wollte es ihm dann ein bisschen zeigen.“ Unter Vorgänger Peter Zeidler wäre die öffentliche Kritik an den Trainingsleistungen eines Spielers vermutlich wirkungslos verpufft oder gar nach hinten losgegangen. Doch Hecking besitze eine „natürliche Autorität“, erzählt Gerrit Holtmann, der von dem Trainerwechsel im Herbst wohl am meisten profitiert hat.

Ruhe und Erfahrung

Seit exakt 100 Tagen ist Dieter Hecking nun im Amt, und die Mannschaft folgt ihm so, wie es sich die Verantwortlichen um VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig bei der Verpflichtung erhofft haben. „Das beste Beispiel ist doch die viel diskutierte Dreierkette. In der vergangenen Saison war sie noch verpönt, jetzt funktioniert sie. Der Unterschied ist, dass Dieter Hecking mit seiner Erfahrung von mehr als 400 Bundesliga-Spielen als Trainer weiß, wie er sie am besten vermittelt und damit auch eine hohe Glaubwürdigkeit bei den Spielern erzeugt“, erklärt Kaenzig und erhält Zustimmung von den Spielern. Ihr Lob geht über das sonst übliche Maß der Höflichkeit hinaus. „Wir brauchten einen Trainer, der Ruhe ausstrahlt. Und diese Ruhe war sofort zu spüren, als er den Raum betrat. Man glaubt ihm einfach alles“, berichtet Angreifer Philipp Hofmann. An der Seitenlinie wirkt Hecking besonnen, nur selten fährt er aus seiner Haut.

Obwohl die sportliche Lage an der Castroper Straße nach wie vor äußerst angespannt und der Saisonausgang völlig ungewiss ist. Den letzten Tabellenplatz haben die Bochumer auch mit Hecking noch nicht verlassen. In zwölf Partien unter seiner Regie gelangen zwei Siege und vier Unentschieden, macht insgesamt zehn Punkte. Immerhin: Betrachtet man nur den Zeitpunkt seit Heckings Amtsantritt, steht der VfL auf Rang 14. Und: An seinem ersten Arbeitstag betrug der Rückstand auf den Relegationsplatz sieben Punkte, jetzt sind es nur noch drei. Vor allem die Zahl der Gegentreffer ist unter Hecking deutlich zurückgegangen. Bei den selbst erzielten Toren ist der VfL in der Hecking-Tabelle jedoch Schlusslicht, im Schnitt trifft sein Team weniger als einmal pro Spiel. Geblieben ist zudem die eklatante Auswärtsschwäche. Nach wie vor wartet der Revierklub auf seinen ersten Saisonerfolg in der Fremde.

Hecking wartet noch

Für Ilja Kaenzig ist das aber gewiss kein Kriterium, das er zur Beurteilung der Entwicklung entscheidend miteinbeziehen würde. Kaenzig schätzt die verbindliche und vor allem die pragmatische Art des routinierten Fußballlehrers und ist mit seiner bisherigen Arbeit „sehr zufrieden.“ Bei Hecking gibt der Kader die Spielweise vor, nicht umgekehrt. Auch die Vorstellungen der beiden in der zurückliegenden Transferperiode waren fast deckungsgleich. Kaenzig und Hecking bevorzugen eine eher klassische Art des Scoutings, vertrauen ihrem eigenen Auge und ihrer Menschenkenntnis mehr als einer umfangreichen Datenanalyse. Hecking schaut trotzdem über den Tellerrand hinaus, pflegt etwa einen regelmäßigen Austausch zu den Nachwuchstrainern des Klubs, um Talente zu fördern. Auch mit den Fans kommt er bisweilen ins Gespräch, ohne sich anbiedern zu wollen. Hecking hält mehr Distanz als Vorgänger Zeidler.

In jedem Fall aber legt Hecking die Grundlage für eine längere Zusammenarbeit. Sein Vertrag gilt nur bis zum Saisonende. Vor der Partie in Kiel machte Kaenzig seinem Trainer deshalb ein verlockendes Angebot, indem er öffentlich und vor laufenden Kameras baldige Vertragsgespräche in Aussicht stellte. „Da würden wir dann, so Dieter denn will, die Zukunft auch festzurren“, sagte Kaenzig bei DAZN. Hecking selbst äußerte sich zuletzt deutlich zurückhaltender, weil er den passenden Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen sieht: „Meine ganze Konzentration liegt darauf, den Klassenerhalt zu schaffen. Was sich daraus entwickeln kann, werden wir dann sehen. Das ist so weit weg und nicht mein vorderstes Thema.“ Klar ist aber: Hecking und der VfL können sich eine gemeinsame Zukunft sehr gut vorstellen, womöglich sogar unabhängig vom Saisonausgang, in der Bundesliga wie eine Spielklasse tiefer.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Heckings Taktik

„Wir brauchen Tempo“: Bochum reaktiviert die Flügelspieler

Von größerem Verletzungspech ist der VfL Bochum in dieser Saison weitestgehend verschont geblieben. Klar, dass Leistungsträger wie Myron Boadu oder Bernardo teils mehrere Monate gefehlt haben, hat dem Revierklub womöglich sogar Punkte gekostet. Ansonsten aber war das Trainerteam nur selten dazu gezwungen, auf Ausfälle zu reagieren. Vor dem prestigeträchtigen Derby gegen den BVB gestaltet sich die Lage erstmals etwas anders. Neben Boadu fehlen auch der kurzfristig am Auge operierte Felix Passlack sowie der gesperrte Maximilian Wittek. Zudem steht oder stand ein Fragezeichen hinter der Einsatzfähigkeit von Gerrit Holtmann und Georgios Masouras. Kurzum: Dem VfL brechen die defensiven wie offensiven Außenbahnspezialisten weg. Das Problem: Alternativen im Kader sind rar gesät.

Wechselnde Kaderplanung

Für die von Trainer Dieter Hecking zuletzt oft bevorzugte Fünferkette in der Abwehr sind Passlack und Wittek die einzigen beiden Schienenspieler, die der Bochumer Kader hergibt. In der Angriffsreihe sieht es nicht wesentlich anders aus: Holtmann und Masouras haben praktisch keine Konkurrenz. Es sind die Folgen einer nicht stringenten Kaderplanung, die jährlich wechselnd auf unterschiedliche Spielsysteme ausgerichtet war. Bis zum Sommer 2023 war der Kader für ein 4-3-3 mit je zwei defensiven und offensiven Außenbahnspezialisten aufgestellt. Die Kaderplanung von Sebastian Schindzielorz zielte darauf ab, dass möglichst jede Position doppelt und im Rahmen der Bochumer Möglichkeiten annähernd gleichwertig besetzt war. Das änderte sich vor gut anderthalb Jahren jedoch schlagartig.

System ohne Flügelstürmer

Trainer Thomas Letsch bekam von der neuen Sportlichen Leitung den Wunsch erfüllt, auf ein 5-3-2-System mit sogenannten Schienenspieler zu setzen. Sie sollten die Außenbahnen alleine beackern. Offensive Flügelspieler hatten in der Folge einen schweren Stand, der sich mit der Entwicklung von Gerrit Holtmann beispielhaft belegen lässt. Im ersten Jahr nach dem Aufstieg war der Publikumslieblung ununstrittene Stammkraft, bevor er dann mitgeteilt bekam, dass es seine Position nicht mehr geben soll. Diese Denkweise setzte sich nach der Trennung von Letsch zunächst fort. Peter Zeidler setzte bevorzugt auf ein 4-4-2 mit Mittelfeldraute. Die Schienenspieler wurden zu klassischen Außenverteidigern, offensive Flügelspieler gab es nicht. Das änderte sich erst wieder mit der Verpflichtung von Dieter Hecking. 

Holtmann wieder gebraucht

Der erfahrene Fußballlehrer misst vor allem den offensiven Flügelspielern eine deutlich höhere Bedeutung bei als seine Vorgänger. „Es hilft enorm, wenn du schnelle Flügelspieler hast. Wir brauchen Tempo in unserem Spiel, gerade dort“, erklärt Hecking die Reaktivierung von Holtmann und die Verpflichtung von Georgios Masouras. Wie die beiden dem VfL im Zusammenspiel helfen können, haben sie in Kiel bereits angedeutet, Holtmann auch schon in den Wochen davor. Mit seiner enormen Schnelligkeit hat der 29-jährige Linksfuß die eigenen Anhänger von den Sitzen gerissen und die gegnerischen Abwehrreihen immer wieder vor Herausforderungen gestellt, unterstützt von den aufgerückten Schienenspielern. Ähnliches soll nun auch Masouras auf dem rechten Flügel gelingen, unabhängig vom Spielsystem.

Umbau gegen Dortmund

Hecking bevorzugt ein 5-2-3 oder 4-3-3, je nach Personalsituation. „Die Viererkette ist jederzeit eine Option“, bekräftigt der Trainer. In der Defensive sind Passlack und Wittek mangels Alternativen im Grunde gesetzt. Fallen sie aus, so wie jetzt gegen Dortmund, ist Improvisation erforderlich und ein Wechsel zur Viererkette wahrscheinlich. Rechts könnte Tim Oermann verteidigen, links Bernardo, also zwei Innenverteidiger. Denkbar ist auch, dass Cristian Gamboa erstmals unter Dieter Hecking beginnt, oder gar U19-Talent und Rechtsverteidiger Kacper Koscierski, dem er „ohne Bedenken“ einen Bundesliga-Einsatz zutraut. Theoretisch könnte Hecking auch bei einer Fünferkette bleiben und Holtmann zurückziehen. Dann aber wäre eine offensive Dreierreihe mit schnellen Flügelspielern praktisch nicht mehr umsetzbar.


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(Foto: Imago / Nordphoto)

2:2 in Kiel

Genetzt und verletzt: VfL bangt um Boadu und den Klassenerhalt

So richtig warm werden konnten die Bochumer im frostigen Holstein-Stadion an der Kieler Förde ohnehin nicht. Doch schon nach einer Spielminute wurden sie besonders kalt erwischt. Nach einer kurz ausgeführten Ecke wehrte Felix Passlack eine Hereingabe mit dem Arm ab. Schiedsrichter Felix Zwayer zögerte keinen Moment und zeigte auf den Elfmeterpunkt. Steven Skrzybski bewies starke Nerven und schoss seine Kieler früh in Führung. Schlechter hätte das eminent wichtige Kellerduell für den VfL Bochum nicht starten können. Allerdings: Wesentlich besser hätte das Spiel zunächst auch nicht weitergehen können. Denn die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking ließ die Köpfe nicht hängen und sorgte noch vor der Halbzeitpause für freudige Momente, als Myron Boadu innerhalb von nur drei Minuten doppelt traf und sein Team nach einer dominanten und chancenreichen Spielphase hochverdient in Führung brachte.

Zwei verletzungsbedingte Wechsel

Die Bochumer Gefühlsachterbahn endete am späten Sonntaganachmittag dennoch nur mit einem 2:2 und einer Punkteteilung. Nachdem der starke Boadu und der ebenso wichtige Gerrit Holtmann nach der ersten Hälfte mit muskulären Problemen ausgewechselt werden mussten, verlor der VfL die Spielkontrolle, fing sich schnell nach Wiederanpfiff den Ausgleich und hatte am Ende sogar Glück, weil das vermeintliche Siegtor durch Lewis Holtby aberkannt wurde. Holtby hatte Bochums Tom Krauß zuvor im Gesicht erwischt, Schiedsrichter Zwayer nahm den Treffer nach einem Hinweis des Video-Assistenten und einem Gang zum Bildschirm zurück. „Ich habe zwar ein bisschen Kopfschmerzen“, sagte Krauß, der deswegen sogar ausgewechselt werden musste. Doch nach Ansicht der TV-Bilder stellte der Neuzugang fest, dass der Unparteiische seine Entscheidung nicht zwingend hätte revidieren müssen.

Bochum bleibt Tabellenletzter

Knifflige Szenen dieser Art gab es einige, wobei die Bochumer in Summe nicht benachteiligt wurden. Der Elfmeter gegen Passlack war unstrittig. Auch der Kieler Marco Komenda bekam den Ball im Strafraum an den Arm, doch Zwayer und der VAR sahen keinen Grund für einen Elfmeterpfiff – allenfalls diskutabel, aber nicht falsch. Gleiches gilt für ein vermeintliches Strafraumfoul von Ivan Ordets an Holtby. Die Ursachen für den verspielten ersten Auswärtssieg sind folglich an anderer Stelle zu suchen. „Wir müssen in der ersten Halbzeit das dritte Tor machen. In der zweiten Hälfte haben wir leider nicht mehr so viele Zweikämpfe gewonnen“, bemängelte Krauß, der bei seinem Startelfdebüt eine gute Leistung zeigte und weiß: „Wir müssen langsam anfangen, Spiele zu gewinnen.“ Bochum bleibt auch nach dem Kellerduell Tabellenletzter mit zwei Punkten Rückstand auf Kiel sowie drei auf Heidenheim und den Relegationsplatz.

Ohne Wittek gegen Dortmund

Der erhoffte emotionale Befreiungsschlag gelang wieder nicht. Am kommenden Samstag empfängt der VfL den derzeit schwächelnden BVB. Offen ist, ob Boadu und Holtmann bis dahin wieder fit sind. Fehlen wird in jedem Fall Maximilian Wittek, der in Kiel seine fünfte gelbe Karte sah. Dafür kehrt Sissoko ins Team zurück, der in Kiel gesperrt aussetzen musste. Hecking veränderte seine Mannschaft im Vergleich zur Heimniederlage gegen Freiburg auf insgesamt vier Positionen. Zudem wechselte der Fußballlehrer das System, indem er in der Abwehr zu einer Fünferkette zurückkehrte und in der Offensive auf ein schnelles Angriffstrio setzte, das der Mannschaft sichtbar gut tat. Flügelstürmer Georgios Masouras feierte ein gelungenes Bundesliga-Debüt. Weichen mussten die zuletzt erfolglosen Dani de Wit, Moritz Broschinski und Philipp Hofmann, wobei die beiden Letztgenannten früh wieder eingewechselt wurden.

Boadus starke Trefferquote

Der Qualitätsunterschied zu Boadu und Holtmann war nicht zu übersehen. Die beiden ungeplanten Wechsel nach der ersten Halbzeit brachten den VfL merklich aus dem Rhythmus, die Abschlüsse wurden ungenauer, die Angriffsaktionen unkontrollierter. Vor allem Boadu ist derzeit nicht zu ersetzen. Dem Niederländer attestierte Hecking gute Trainingsleistungen, weshalb der 24-Jährige in die Startformation zurückkehrte. Boadu vereint eine gute Technik mit hoher Geschwindigkeit und einem Instinkt für torgefährliche Situationen. Er braucht im Schnitt nur 85 Minuten pro Tor – eine Quote, die in der Bundesliga nur Spieler wie Harry Kane oder Patrik Schick übertreffen, wenn man mindestens drei Saisontreffer als Grundlage nimmt. Bereits siebenmal traf Boadu für den VfL in dieser Saison bei nur sieben Startelfeinsätzen, fünf Tore davon erzielte er im Jahr 2025. Ein längerer Ausfall würde die Bochumer hart treffen.


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(Foto: Imago / Eibner)

Zweiter Geschäftsführer

Zeitplan, Hürden, Namen: Kaenzig sucht neuen Sportchef

Seit Monaten arbeitet VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig nahe an der Belastungsgrenze oder sehr wahrscheinlich darüber hinaus. Neben seinen üblichen Aufgaben musste der 51-Jährige in den zurückliegenden Wochen auch die Wintertransfers abwickeln. Neuland betrat der Tausendsassa aus der Schweiz damit nicht, war er doch schon in Leverkusen und Hannover für den Sport zuständig. Doch konnte er sich wirklich mit ganzer Kraft den Transfergeschäften widmen? Oder wäre mit personeller Unterstützung noch mehr möglich gewesen? Klar ist nur: Seine Doppelfunktion soll möglichst bald enden. Das ist auch der Wunsch von Kaenzig, dem einige VfL-Anhänger immer wieder vorwerfen, zu viel Macht an sich reißen zu wollen. Dabei hat Kaenzig nie darauf gedrängt.

Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian, also Kaenzigs Mitstreiter, verließ den Klub bereits im Mai 2024. Das Präsidium entschied sich gegen eine Nachbesetzung und machte Kaenzig stattdessen zum alleinigen Geschäftsführer mit einer Vertragslaufzeit bis 2029. Sportdirektor Marc Lettau rückte dadurch noch mehr in den Fokus, musste im Oktober allerdings ebenfalls gehen. Warum er zunächst bleiben durfte, obwohl ihm mehrere Mitglieder der Vereinsführung schon im vergangenen Sommer nicht mehr vertraut haben, bleibt wie vieles ein Rätsel. Naheliegend ist allerdings die Annahme, dass es keinen schnell umsetzbaren Plan B gab. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mehr als 100 Tage sind seit der Trennung von Lettau vergangen, ohne dass der VfL einen Nachfolger präsentiert hat. 

Entscheidung bis März

Nach Abschluss der Transferperiode soll das Thema nun endlich angegangen werden. Der Zeitpunkt liegt auch darin begründet, dass Kaenzig an diesem Prozess beteiligt ist. Dem Präsidium mangelt es nicht nur an Geschlossenheit, es fehlen auch das Netzwerk und die Marktkenntnis. Die letzte externe Suche nach einem Sportchef liegt mehr als zehn Jahre zurück. Anschließend hat sich das Gemium stets innerhalb des eigenen Klubs bedient, was mangels Kandidaten derzeit aber nicht möglich ist. Kaenzig wiederum verfügt über die nötigen Kontakte und übernimmt deshalb die Suche in Abstimmung mit dem Präsidium, das aber die finale Entscheidung treffen wird. Kaenzig um Hilfe zu bitten, ist einerseits vernünftig, andererseits aber auch ein Eigenständnis des Gremiums, überfordert zu sein.

Denn: Geklärt ist mittlerweile, dass Kaenzig keinen Sportdirektor, sondern einen zweiten Geschäftsführer suchen soll – eine Aufgabe, für die qua Satzung eigentlich nur das Präsidium zuständig wäre. Spätestens im März soll der neue Mann gefunden sein, damit die Kaderplanung für die neue Saison zügig voranschreiten kann. Wobei Kaenzig bereits im Januar klar betont hat: „Viel wichtiger als der Zeitpunkt ist der Umstand, dass es inhaltlich und menschlich passen muss. Unsere Vorstellungen von der Gesamtentwicklung des Klubs und die Strategie des Sports müssen kompatibel sein.“ Kaenzig plädiert für eine „engere Verzahnung“ aller Abteilungen. „Niemand möchte, hat oder wird den Sportverantwortlichen in ihre Arbeit hineinreden“, aber: „Wir dürfen nicht siloartig denken und arbeiten.“ Beispielhaft nennt Kaenzig die Erhöhung der Transfereinnahmen oder die Wiedereinführung der U21.

Beide Ideen sollen gemeinschaftlich mit Leben gefüllt werden. „Denn eine Person allein wird uns keine deutlich besseren Ergebnisse bescheren. Es geht schließlich nicht nur um Transfers. Es braucht ein gutes Team, etwa im Scouting und im Staff, aber auch eine gute Stimmung und gute Arbeitsbedingungen“, weiß Kaenzig, der grundsätzlich einen anderen Stil befürwortet als ihn beispielsweise Marc Lettau praktiziert hat. Während unter dessen Regie bei der Spielerauswahl ein starker Fokus auf datenbasierte Informationen gelegt wurde, stehen Kaenzig und Trainer Dieter Hecking eher für eine klassische Art des Scoutings und der Kaderzusammenstellung. Dass der neue Sportchef diametral anders tickt als die beiden, ist unwahrscheinlich.

Schindzielorz keine Option

Doch wer genau passt dann ins Beuteschema? Dass der erfahrene Bundesliga-Manager Jörg Schmadtke erst kürzlich auf der VIP-Tribüne im Bochumer Ruhrstadion saß, war eher dem Zufall geschuldet. Hecking und er sind freundschaftlich miteinander verbunden, konkrete Anzeichen für eine erneute Zusammenarbeit gibt es derzeit aber keine. Schmadtke wäre ohnehin nicht bezahlbar, sollte der VfL im Branchenvergleich weiterhin ein unterdurchschnittliches Gehalt bieten. Zudem muss der künftige Sport-Geschäftsführer damit zurechtkommen, dass wohl bis Mai unklar bleibt, in welcher Liga der VfL künftig spielt. Dass nur einen Monat später das Präsidium – und damit seine Vorgesetzten – neu gewählt wird, ist eine weitere Hürde, die nicht zu unterschätzen ist. 

Auch deshalb ist es aktuell ausgeschlossen, Sebastian Schindzielorz zu einer Rückkehr nach Bochum zu bewegen. Der ehemalige VfL-Profi, der das Amt des Sport-Geschäftsführers bereits von 2018 bis 2022 inne hatte und in dieser Zeit maßgeblich zur erfolgreichen Entwicklung des Klubs beigetragen hat, hat den VfL vor gut zweieinhalb Jahren verlassen, weil es keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Präsidium gab. Suchen muss Kaenzig folglich woanders, etwa eine Liga tiefer. Dort haben sich zum Beispiel Benjamin Weber aus Paderborn oder Nils-Ole Book aus Elversberg auch die Grenzen der eigenen Stadt hinaus einen Namen gemacht. Wobei es angesichts der Gemengelage in Bochum eher unrealistisch ist, einen Manager zu überzeugen, der aktuell woanders unter Vertrag steht.


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(Foto: Marc Niemeyer)

VfL-Kolumne zu Wintertransfers: Hohe Erwartung kaum erfüllbar

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Wintertransfers.

Ilja Kaenzig hat weder etwas Falsches gesagt noch Versprechungen abgegeben, aber er hat unweigerlich die Erwartungen der Fans in die Höhe getrieben. Der VfL müsse die Wintertransferperiode „nahezu perfekt“ nutzen, sagte der Geschäftsführer des VfL Bochum bereits im November. „Mit 08/15-Lösungen werden wir den Verein nicht retten“, fügte er im Dezember hinzu. Enttäuschung und Kritik nach Abschluss der Transferperiode sind fast die logische Folge.

Nun: Wenn wir die Tabellensituation, die Finanzen, die Marktlage und die klubinternen Umstände berücksichtigen, dann ist die Transferperiode weder optimal noch enttäuschend verlaufen. Mit Tom Krauß und Georgios Masouras hat der VfL seinen Kader zwar spät, aber im Rahmen seiner Möglichkeiten verstärkt. Der Wunsch, noch ein weiteres Mal nachzulegen, ging jedoch nicht in Erfüllung. Auch wenn der Bedarf, etwa auf der Rechtsverteidiger-Position oder im offensiven Mittelfeld, unübersehbar bleibt.

Allerdings es ist ein Trugschluss, dass neue Spieler automatisch besser sind als die vorhandenen. Die Wintertransferperiode ist traditionell schwierig. Viele Spieler sind gar nicht verfügbar, wiederum andere zwar wechselwillig, aber nicht bezahlbar oder bereit, sich dem Tabellenletzten anzuschließen. Der von einigen Fans geäußerte Vorwurf der Untätigkeit ist unfair, das zeigt das Beispiel Masouras. Erste Gespräche gab es schon vor einigen Wochen, aber Piräus hat den Spieler erst am Ende der Transferperiode freigegeben.

Immerhin: Dass es den Bochumern gelingen würde, gleich sechs Reservisten loszuwerden, war Anfang Januar nicht zu erwarten. Zwei von ihnen (Riemann, Balde) haben den Klub zum Glück endgültig verlassen, vier weitere (Loosli, Elezi, Daschner, Kwarteng) wurden verliehen, teils mit Kaufoption (Daschner, Kwarteng). Dass fünf der sechs Genannten erst in den Jahren 2023 oder 2024 verpflichtet wurden, ist ein weiterer Beleg dafür, dass beim VfL in der jüngeren Vergangenheit zu viel falsch gelaufen ist. Das alles lässt sich in einem Winter nicht korrigieren. Angesichts der strukturellen Defizite – ohne Sportdirektor oder eine starke Scouting-Abteilung – erst recht nicht.


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(Foto: Marc Niemeyer)

VfL-Podcast: Über Transfers, die Klubspitze und Abstiegskampf

Langweilig wird es beim VfL Bochum nie. Die Winter-Transferperiode ist abgeschlossen, die Suche nach einem neuen Sportchef läuft noch und die Lage im Tabellenkeller spitzt sich zu. Über diese Themen sprechen Claudio Gentile vom Bochumer Fan-Blog Einsachtvieracht und Philipp Rentsch von Tief im Westen – Das VfL-Magazin in einer Podcast-Sonderfolge. Viel Spaß beim Hören!


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(Foto: Marc Niemeyer)