1:1 gegen Leverkusen

Neuer Trainer, neue Hoffnung: „Das ist der VfL, den wir kennen“

Emotionen im Fußball sind nicht rational erklärbar. Nach dem 2:7-Debakel bei Eintracht Frankfurt in der Vorwoche war die Hoffnung auf den Bochumer Klassenerhalt bei vielen Fans schon fast verschwunden. Exakt eine Woche später ist der Glaube an eine totgesagte Mannschaft bei vielen Anhängern plötzlich wieder da. Hochmütig sangen einige von ihnen nach dem 1:1 gegen Bayer Leverkusen sogar schon, dass der VfL „nie mehr“ in der 2. Liga spielen müsse; obwohl ihr Team weiter sieglos und Tabellenletzter ist. Diese Gefühlsexplosion sei den leidgeprüften Stadionbesucher aber gestattet, basiert sie doch auf einer Leistungsexplosion, mit der selbst der neue Trainer Dieter Hecking nicht gerechnet hat. „In der Kürze der Zeit habe ich das so nicht erwartet“, sagte er nach seinem Einstand voller Anerkennung. 

Spieler loben Hecking

Nur vier Tage lagen zwischen Heckings Dienstbeginn und seinem ersten Pflichtspiel. Der erfahrene Fußballlehrer hat die Zeit optimal genutzt. Seine Mannschaft trat defensiv kompakter auf als zuletzt und zeigte sich in der Zweikampfführung deutlich verbessert. „Sie haben sehr eng verteidigt, sehr diszipliniert“, lobte Meister-Trainer Xabi Alonso den VfL. „Wir haben viel an unserer Stabilität gearbeitet und klare Abläufe trainiert“, bestätigte Kapitän Anthony Losilla, der den Eindruck vermittelte, als sei das in den vergangenen Wochen nicht immer der Fall gewesen. Gerrit Holtmann adelte Hecking sogar in einer Art und Weise, die nach wenigen Tagen der Zusammenarbeit eher ungewöhnlich ist: „Er ist ein überragender Trainer mit Aura und Charisma. Er hat eine große Erfahrung, du glaubst ihm alles.“

Miyoshi mit dem Ausgleich

Gegen das Starensemble aus Leverkusen ließ der VfL nur wenige klare Torchancen zu. Dank schneller Gegenstöße waren die Bochumer auch offensiv präsent, wenngleich gefährliche Strafraumaktionen eher Mangelware blieben. Die entscheidende Ausnahme gab es jedoch kurz vor Ende, als der eingewechselte Koji Miyoshi aus spitzem Winkel den Ausgleich erzielte. Die Bochumer belohnten sich für eine engagierte Leistung und den bislang besten Saisonauftritt mit einem Punkt, der den positiven Eindruck verstärkt und sich im Grunde wie ein Sieg anfühlt. „Wir haben das gezeigt, was wir neun Spiele haben vermissen lassen“, sprach Holtmann vielen Fans aus der Seele. Der VfL präsentierte sich mit einer Fünfer-Abwehrreihe, mit drei zentralen Mittelfeldspielern und zwei Angreifern wie ausgewechselt. 

Vier Wechsel in der Startelf

Neben Holtmann kamen auch Tim Oermann, Jakov Medic und Matus Bero neu ins Team und erhöhten die Handlungsschnelligkeit. „Ohne Tempo kannst du in den besten Ligen nicht bestehen“, erklärte Hecking nach der Partie. Etablierte Kräfte wie Ivan Ordets, Erhan Masovic und Dani de Wit mussten stattdessen auf der Bank Platz nehmen. Maximilian Wittek rückte erstmals in die Innenverteidigung, der bislang kaum berücksichtigte Holtmann nahm die Rolle des linken Schienenspielers ein. Ungewöhnliche Maßnahmen, die aber dafür sorgten, den amtierenden Meister kaum ins Spiel kommen zu lassen. Auch der frühe Rückstand irritierte den zuletzt instabilen VfL keineswegs. Die Hecking-Elf ließ die altbekannten Bochumer Tugenden wieder aufleben, deren Grundlage bedingungsloser Einsatz ist.

Feinschliff in der Pause

Das honorierten auch die Zuschauer. „Diese Stimmung habe ich vermisst“, sagte Kapitän Losilla. „Das ist der VfL, den wir kennen.“ Hecking betonte, dass diese Darbietung nun der Maßstab für die kommenden Wochen sei: „Das Spiel kann ein Wendepunkt sein. Aber wir brauchen das, was wir gezeigt haben, jetzt noch 24-mal.“ Die nun anstehende Länderspielpause will der Übungsleiter nutzen, um Abläufe zu verfeinern. „Am Dienstag beginnt eine intensive Trainingswoche“, kündigte Hecking nach dem Punktgewinn an. Die Bochumer planen mindestens ein Testspiel, wahrscheinlich sogar noch ein zweites. Ausnahmsweise dürften diese Duelle auch einen Wert haben. Alle Akteure möchten sich den Fokus des neuen Trainers spielen. Wie bei den Fans ist auch bei ihnen die Hoffnung zurückgekehrt.


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(Foto: Imago / Revierfoto)

Neuer Trainer

VfL-Rettung mit Dieter Hecking? „Kann ich nicht versprechen“

Trainervorstellungen werden in Bochum allmählich zur Routine. Dieter Hecking war am Dienstag bereits der fünfte Fußballlehrer in diesem Kalenderjahr, der im Medienzentrum des VfL Platz nahm und erklären sollte, wie er den traditionsreichen Revierklub wieder in die Spur bringen möchte. Bis Anfang April versuchte es Thomas Letsch, es folgten Heiko Butscher, Peter Zeidler und Interimstrainer Markus Feldhoff. Nun darf sich Hecking daran versuchen, die krisengeschüttelte Mannschaft doch noch zum Klassenerhalt zu führen. Das zu schaffen, wäre das nächste Bochumer Fußballwunder. Nach neun Partien hat der VfL erst einen Punkt auf dem Konto und in Kombination mit seinem Torverhältnis den schlechtesten Start der gesamten Bundesliga-Geschichte hingelegt. Nie war ein Klub zu diesem Zeitpunkt schlechter als dieser VfL.

Sehr viel Bundesliga-Erfahrung

Da liegt die Frage nicht fern, warum sich Hecking diese Aufgabe überhaupt antut. Immerhin stand der 60-Jährige bereits in 418 Bundesliga-Partien an der Seitenlinie, womit er der erfahrenste aller aktuell beschäftigen Trainer ist. „Das haben mich auch Menschen aus meinem Umfeld gefragt“, verriet er am Dienstag und lieferte die Antwort gleich mit: „Ich liebe Herausforderungen.“ Dass Hecking das ernst meint, beweist die Tatsache, dass er alle Vertragsparameter akzeptiert hat, etwa eine Laufzeit nur bis zum Ende der Saison, natürlich inklusive Retterprämie. Hecking ist bereit, zunächst mit exakt diesen Spielern und diesem Trainerteam zu arbeiten und das Bestmögliche aus ihnen herauszuholen. Friedhelm Funkel, der vom VfL ebenfalls kontaktiert worden war, soll andere Vorstellungen gehabt haben; deshalb kam eine erneute Zusammenarbeit nicht zustande.

Kaenzig für Trainersuche zuständig

Hecking wiederum soll sich in den Gesprächen mit der Vereinsführung uneitel und sehr pragmatisch präsentiert haben. Ganz gezielt hat sich VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig auf die Suche nach einem erfahrenen und souveränen Trainer begeben, der vor harten Entscheidungen nicht zurückschreckt, gleichzeitig aber auch eine empathische Art mitbringt. Wählerisch konnte Kaenzig angesichts der Rahmenbedingungen und der sportlichen Lage ohnehin nicht sein. Vor diesem Hintergrund ist die Verpflichtung von Hecking mehr als respektabel – ein großer Name mit nachgewiesenen Erfolgen und großer Branchenkenntnis. Seine längste Zeit verbrachte Hecking beim VfL Wolfsburg, mit dem er 2015 den DFB-Pokal gewann. In der Bundesliga stand er außerdem für Borussia Mönchengladbach, den 1. FC Nürnberg, Hannover 96 und Alemannia Aachen an der Seitenlinie.

Keine Doppelrolle für Hecking

Der fünffache Familienvater, der aus Bochums Nachbarstadt Castrop-Rauxel stammt, in Soest aufgewachsen ist und später in Niedersachsen heimisch wurde, war zuletzt allerdings nicht mehr als Trainer, sondern als Manager tätig. Für den Club aus Nürnberg schlüpfte Hecking von 2020 bis Mai 2024 erstmals auch in die Rolle des Sport-Vorstandes. Eine Doppelfunktion in Bochum kommt allerdings nicht in Frage. Hecking soll sich ganz auf die Trainingsarbeit konzentrieren. „Damit habe ich genug zu tun“, sagte er in seiner ersten Pressekonferenz. Die Suche nach einem neuen Sportchef läuft unterdessen weiter. Mit einer schnellen Entscheidung sei eher nicht zu rechnen, erklärte Geschäftsführer Ilja Kaenzig. Womöglich erst im neuen Jahr soll die Stelle besetzt werden. Bis dahin entscheiden vor allem Kaenzig und auch Hecking über mögliche Transfers.

Losilla lobt den neuen Trainer

Doch bevor es im Winter zu moderaten Veränderungen kommen könnte, möchte der neue Trainer seine Spieler zunächst kennenlernen. In der Kabine hielt Hecking am Dienstagmorgen eine kurze Ansprache, im Tagesverlauf ging es zweimal auf den Trainingsplatz. „Seine Vita sorgt bei allen für Respekt. Er hat Charisma und weiß, was zu tun ist“, sagte Kapitän Anthony Losilla, der sich mit Hecking einig ist: Die Bochumer Mannschaft muss schleunigst zusammenwachsen. „Den VfL hat immer ausgezeichnet, eine Einheit zu sein. Ich kann dabei unterstützen, aber in erster Linie ist die Mannschaft dafür selber verantwortlich“, betonte Hecking, der viele Vorgeschichten zwar kennt, sich aber nun ein eigenes Bild machen möchte. Eines ist für Hecking klar: „Ich gebe die Linie vor. Und wenn mir etwas nicht passt, ist meine Schnauze schnell auf.“

Aktuell nicht bundesligareif

Heckings erster öffentlicher Auftritt war geprägt von klaren Aussagen und viel Realismus. Dass am Saisonende in jedem Fall der Klassenerhalt stehen wird, wollte er nicht zusichern: „Das kann ich nicht versprechen. Ich bin kein Messias, kein Zauberer. Im Moment sind wir nicht bundesligareif. Die Tabelle lügt nicht. Meine Aufgabe ist es, dieses Urteil zu revidieren.“ Die grundsätzliche Qualität sei zwar vorhanden, ein homogenes Gebilde aber noch nicht zu erkennen: „Wir sind nicht schlechter besetzt als fünf, sechs andere Mannschaften“. Die bisherigen Saisonspiele hätten das zumindest phasenweise bewiesen. Aber: „Das wird nicht reichen. Bislang war es oft so, dass etwas Unvorhergesehenes zu einem Bruch im Spiel geführt hat.“ Hecking muss die Defensive stabilisieren, aber auch das Spiel im eigenen Ballbesitz verbessern.

Feldhoff ist nicht mehr dabei

Hecking deutete an, seine Spieler vor allem auf ihren Lieblingspositionen einzusetzen. Auf eine Grundordnung wollte er sich noch nicht festlegen. Womöglich wird er darüber auch noch mit seinen Trainerkollegen sprechen. Wobei das Team stark dezimiert ist. Interimscoach Markus Feldhoff, der die Partien gegen Bayern München und Eintracht Frankfurt verantworten durfte, wird dem Trainerstab der Profis „im Sinne eines Neuanfangs“ nicht mehr angehören und soll im Verein eine andere Aufgabe erhalten. Murat Ural bleibt hingegen der wichtigste Zuarbeiter des Cheftrainers. Ob Hecking einen eigenen Assistenten installieren darf, soll zeitnah geklärt werden. Theoretisch denkbar wäre auch eine Rückkehr vonMaxime Antonilli. Der Vertraute von Ex-Trainer Peter Zeidler ist zurzeit auf Widerruf beurlaubt. Das bedeutet, Hecking könnte ihn in sein Team zurückholen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Wenn Qualität fehlt, braucht es mehr Mentalität

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Mentalität und Qualität.

Nur selten bleiben mir Aussagen von Fußballern so sehr in Erinnerung, dass ich auch Jahre später noch an sie zurückdenken muss. Bei einem Interview von Danilo Soares, das er im April 2022 mit der BILD führte, ist das ausnahmsweise der Fall. Der langjährige Bochumer sagte seinerzeit etwas, was nun in der größten VfL-Krise seit der Bundesliga-Rückkehr passender denn je ist: „Nach dem Aufstieg haben wir erkannt, dass wir fehlende Qualität mit Einsatz ausgleichen müssen. Mit dem ersten Klassenerhalt baut diese Mentalität bei vielen Teams ab. Wir brauchen also ein Team, das über mehr Qualität kommt.“

Doch das ist beim VfL Bochum im vierten Jahr nach dem Aufstieg offenkundig (noch) nicht der Fall. Die zehn Sommerneuzugänge konnten die Lücken, die Leistungsträger wie Kevin Stöger, Keven Schlotterbeck oder Patrick Osterhage hinterlassen haben, bislang nicht schließen. Allerspätestens jetzt, mit der Ankunft von Trainer Dieter Hecking, müssen Dani de Wit, Koji Miyoshi und Co. zeigen, dass sie dem VfL wirklich weiterhelfen können. Erst dann bestätigt sich Heckings These, dass der Bochumer Kader nicht schlechter besetzt sei als fünf, sechs andere in der Liga.  

Generell gilt: Immer da, wo Qualität fehlt, braucht es die richtige Mentalität. Hecking betonte bei seiner Vorstellung, dass die Mannschaft zu einer Einheit zusammenwachsen müsse und die typischen VfL-Tugenden gefragt seien. Selbst Kapitän Anthony Losilla, der sich vor kurzem noch schützend vor seine Teamkollegen stellte, gab Hinweise darauf, dass innerhalb der Kabine noch längst nicht jeder verstanden hat, was in Bochum von jedem Einzelnen erwartet wird. Die Behauptung von Geschäftsführer Ilja Kaenzig, der VfL habe derzeit keine einfache Mannschaft, hat definitiv einen wahren Kern.  

Deshalb ist es wahrscheinlich auch ganz gut, dass mit Dieter Hecking ein Trainer verpflichtet wurde, der auf Disziplin setzt. Bereits an seinem zweiten Trainingstag zeigte er, dass er vor konsequenten Entscheidungen nicht zurückschreckt. Sommerneuzugang Aliou Balde kam (erneut) zu spät zum Training – und wurde von der angesetzten Einheit ausgeschlossen.  


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(Foto: Marc Niemeyer)

Trainersuche

Keine Trendwende mit Feldhoff – Hecking wird übernehmen

Update: Dieter Hecking hat mittlerweile einen Vertrag bis zum Saisonende unterschrieben. Er wird am Dienstag seine erste Trainingseinheit leiten und anschließend offiziell vorgestellt. Dann erfolgt auch eine weitere Berichterstattung.

Der ursprüngliche Text von Sonntag:

Die Chancen auf eine dauerhafte Beförderung waren ohnehin eher gering, und liegen nach der 2:7-Pleite in Frankfurt praktisch bei null. Dass Markus Feldhoff noch deutlich länger als Chef an der Bochumer Seitenlinie stehen wird, ist mittlerweile fast ausgeschlossen. Seine bisherigen Maßnahmen hätten nicht gegriffen, gab der Fußballlehrer nach der Partie am Samstag freimütig zu. Auf einen akzeptablen Auftritt gegen Bayern München, der trotzdem in einer 0:5-Niederlage mündete, folgte nun das Debakel in der Main-Metropole. Die schnelle Trendwende nach der Beurlaubung von Peter Zeidler ist somit ausgeblieben. Die Lage hat sich sogar weiter zugespitzt.

Trainer kommt vor dem Manager

Auch deshalb forcieren die Verantwortlichen die Trainersuche, im Hintergrund laufen längst die Gespräche. Die ursprüngliche Reihenfolge sah so aus, dass zunächst der neue Sportdirektor verpflichtet und anschließend gemeinsam der neue Trainer ausgesucht wird. „Aber wenn der richtige Trainer zuerst vor der Tür steht, nehmen wir ihn“, sagte VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig jüngst in einer Medienrunde. So wird es nun auch laufen. Sehr wahrscheinlich schon vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen am kommenden Samstag soll der neue Trainer präsentiert werden. Der Plan ist, dass ihm Feldhoff als Co-Trainer assistieren wird, in Stein gemießelt ist das aber nicht. Klar ist nur, dass der VfL aktuell kaum Geld für einen Vertrauten des Cheftrainers hat.

Trainer mit Ruhe und Erfahrung

Gesucht wird also ein bescheidener Pragmatiker, der Ruhe ausstrahlt und souverän auftritt, der weder neue Mitarbeiter fordert noch mit der Zusammenstellung des Kaders hadert, der keine hohen Gehaltsforderungen stellt und einen Vertrag bis Saisonende akzeptiert. Auch muss er mit der Ungewissheit leben können, nicht zu wissen, wer Sportdirektor wird oder wie es im Präsidium weitergeht. Darüber hinaus muss sich der neue Cheftrainer der Tatsache bewusst sein, dass die sportliche Lage mit sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz prekär ist. Die Wahl wird folglich auf einen vereinslosen Trainer fallen, der schon vieles erlebt und nur wenig zu verlieren hat.

Konkrete Gespräche mit Hecking

Der Wunschkandidat ist längst auserkoren: Nach exklusiven Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin aus Präsidiumskreisen soll Dieter Hecking künftig als Trainer die Mannschaft anleiten. Der 60-Jährige, der aus der Nachbarstadt Castrop-Rauxel stammt, befindet sich bereits in sehr konkreten Gesprächen mit dem Klub. Eine Einigung steht aber noch aus. Die Bundesliga kennt der Fußballlehrer jedenfalls bestens. Mit 418 Spielen steht Hecking auf Platz elf der Trainer mit den meisten Bundesliga-Einsätzen. Bis Mai 2024 war er als Sportvorstand für den 1. FC Nürnberg tätig. Davor trainierte Hecking unter anderem den Hamburger SV, Borussia Mönchengladbach und den VfL Wolfsburg. Der VfL wäre seine neunte Trainer-Station.


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2:7 in Frankfurt

VfL-Debakel: Historisch schlecht und hochgradig peinlich

Kopfschüttelnd schlich Cristian Gamboa nach etwas mehr einer halben Stunde zurück zur Ersatzbank. Der Publikumsliebling konnte nicht glauben, was er beim Aufwärmen sah. Nur wenige Meter von ihm entfernt wurden seine Teamkollegen schwindelig gespielt. Auch beim Auswärtsspiel in Frankfurt gab es für den VfL Bochum keine Aussicht auf Besserung. Es wurde sogar noch wesentlich schlimmer: Nach nur 32 Minuten lag der Revierklub bereits hoffnungslos mit 0:4 in Rückstand. Gegenwehr? Praktisch nicht vorhanden. Ein Tor fiel leichter als das andere; mal durch individuelle Fehler, mal durch kollektives Versagen. Die Frankfurter Fans reagierten hämisch und schickten den VfL mit ihren Gesängen bereits in Liga zwei. Womit sie nach jetzigem Stand nicht falsch liegen. Denn von Bundesligatauglichkeit und dem erneuten Klassenerhalt sind die Bochumer so weit entfernt wie noch nie.

Bilanz des Grauens

Allein die Zahlen sind erschreckend. Nach neun Partien ist der VfL Bochum weiter sieglos, hat nur einen Punkt auf dem Konto, erst neun Tore erzielt und bereits 29 kassiert. So schlecht war die Bilanz des Revierklubs zu diesem Zeitpunkt in keiner Saison zuvor. Mehr noch: In mehr als 60 Bundesliga-Jahren gab es am neunten Spieltag keine schlechtere Mannschaft – nicht einmal Tasmania Berlin als Inbegriff der Erfolglosigkeit. Zudem: So schnell und so hoch wie in Frankfurt lag der VfL vorher noch nie zurück. Auf der Suche nach Mutmachern werden die leidgeprüften Anhänger wirklich nirgends fündig. „Wir haben die Schnauze voll“, sangen einige der 4.000 mitgereisten Fans bereits in der ersten Halbzeit. Der eingewechselte Gerrit Holtmann ging sogar schon in der Halbzeitpause zur Gästekurve, um die aufgebrachten Anhänger zu beruhigen. Holtmann stellte sich auch nach dem Abpfiff als einer von nur wenigen Spielern.

Aufgebrachte Fans

„Ich finde, dass Bochum wunderbare Fans hat, die es nicht verdient haben, dass wir 2:7 auf den Sack kriegen“, sagte Holtmann später. Die Ultras verließen den Block bereits vor dem Abpfiff, generell ist die Stimmung nun gekippt, was in Bochum wahrlich selten vorkommt. Spätestens jetzt bedarf es einer masochistischen Veranlagung, diesem VfL noch zu jedem Spiel zu folgen. Eine Einzelkritik wäre nach dieser hochgradig peinlichen Vorstellung eher unangebracht, es lagen ohnehin nur Nuancen zwischen schlechten und sehr schlechten Leistungen. Gestellt werden muss außerdem die Frage, warum Interimstrainer Markus Feldhoff Fehler der Vergangenheit wiederholt. Dass bestimmte Spieler trotz durchweg enttäuschender Leistungen immer wieder Einsatzchancen erhalten, zum Teil sogar auf unpassenden Positionen, und andere fast nie, ist von außen betrachtet irritierend – ohne natürlich die Gewissheit zu haben, dass es dann besser liefe.

Feldhoff selbstkritisch

Im Gegensatz zu Vorgänger Peter Zeidler hat Feldhoff immerhin kein Problem mit Selbstkritik. In der Pressekonferenz nach dem Spiel gestand der Fußballlehrer eigene Fehler ein: „Ich möchte mich bei jedem Fan entschuldigen. Wir waren in diesem Spiel meilenweit davon entfernt, konkurrenzfähig zu sein. Meine Maßnahmen haben nicht gefruchtet.“ Ein Beispiel von vielen: Feldhoff nahm mit Tim Oermann und Jakov Medic zwei Innenverteidiger aus dem Team. Gegen das schnellste Sturmduo der Liga ließ er stattdessen Ivan Ordets und Erhan Masovic verteidigen – ein hoffnungsloses Unterfangen. „Uns fehlt hinten das Tempo, das sieht jeder“, bestätigte Angreifer Philipp Hofmann, ohne Namen zu nennen. Auch in anderen Mannschaftsteilen fehlt die Geschwindigkeit. Zudem sind die Bochumer weit entfernt von der Leidenschaft und Geschlossenheit, die den VfL in den ersten Jahren nach dem Aufstieg ausgezeichnet haben.

Sieben Gegentreffer

Dass die Bochumer ihren Rückstand zwischenzeitlich verkürzten und es kurz nach der Pause nur noch 2:4 stand, geriet schnell wieder zur Randnotiz. Denn die Eintracht räumte mit dem fünften, sechsten und siebten Treffer kurz danach alle Restzweifel beiseite, der VfL zerfiel in seine Einzelteile – und niemand weiß, ob der Tiefpunkt endlich erreicht ist. Ein Blick auf den Spielplan beruhigt eher nicht: Kommende Woche reist Bayer Leverkusen ins Ruhrstadion. Der Rückstand auf den Relegationsplatz ist nach dem Sieg von St. Pauli im Parallelspiel bereits auf sieben Zähler angewachsen. Ob Feldhoff gegen den amtierenden Meister erneut als Chef an der Seitenlinie stehen wird, ist offen. Die Trainersuche läuft. Das Problem: Für diesen VfL einen geeigneten Übungsleiter zu finden, der die gefühlt hoffnungslose Situation annimmt und doch noch die Trendwende einleiten kann, wird nach dem Debakel in Frankfurt kein leichtes Unterfangen.


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(Foto: Imago / steinsiek.ch)

Debatte

VfL-Kolumne: Ein Klub ist nur so gut wie sein Sportchef

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Suche nach dem neuen Sportchef.

Der Wert seines Mitarbeiters für ein Unternehmen lässt sich selten am Gehalt ablesen. Beim VfL Bochum hätte dies in der jüngeren Vergangenheit auch zu eigenartigen Interpretationen geführt. Dann nämlich wären einige Reservespieler bedeutsamer für den Klub gewesen als der Sportchef.

Diese Prioritätensetzung bei der Verteilung von Geldern mag innerhalb der Branche fast Usus sein, ist von außen betrachtet aber irgendwie merkwürdig. Das beginnt schon beim Arbeitsaufkommen. Ein Profifußballer hat in der Regel ziemlich viel Tagesfreizeit. Ein Sportchef hingegen kann vor allem in Transferphasen froh sein, wenn er halbwegs regelmäßig seinen Kindern eine gute Nacht wünschen kann. Und es hört auf bei der Verantwortung. Niemand bewegt so viel Geld innerhalb eines Klubs wie der Sportchef, er ist für den Trainer und die Spieler verantwortlich.

Natürlich: Der VfL Bochum verfügt über endliche Finanzmittel und muss genau überlegen, wie er diese einsetzt. Aber: Ein Klub ist nur so gut wie sein Sportchef. Und gerade deshalb muss die bestmögliche Strategie und die Suche nach den bestmöglichen Spielern an erster Stelle stehen. Denn der sportliche Erfolg ist die Basis für alles andere. Doch ist das beim VfL Bochum der Fall? Allein das neue Organigramm wirft Fragen auf. Dass das Präsidium erst vor wenigen Monaten Ilja Kaenzig zum alleinigen Geschäftsführer für alle Bereiche – und damit auch für den Sport – ernannt hat, ist per se nicht das Problem. Allerdings hat auch Kaenzigs Tag nur 24 Stunden.

Wenn der VfL einen guten Sportchef für sich finden möchte, muss er erstens ein überzeugendes Gehalt zahlen und darf ihn zweitens nicht auf die dritte Entscheiderebene unterhalb des Präsidiums und der Geschäftsführung stellen. Im Grunde braucht es wieder die Struktur, die es bis vor wenigen Monaten gab und die in der Bundesliga der Standard ist: Einen Geschäftsführer Sport, der sich um die strategischen Belange der Profis, der Frauen und der Jugend kümmert, und einen Sportdirektor für die Kaderplanung. Kurzum: Innerhalb eines Fußballklubs sollte das naheliegendste Priorität genießen – der Fußball.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Losilla versus Kaenzig

Viele Sprachen, kaum Leitwölfe: Bochumer Kabinenprobleme

Es sind Nebenschauplätze, die der VfL Bochum in seiner jetzigen Situation nicht gebrauchen kann, die aber irgendwie ins Bild eines momentan chaotisch und zerstritten wirkenden Fußballklubs passen. Am Sonntagabend hatte der Bochumer Team-Kapitän dem Geschäftsführer des VfL vor laufenden Aufnahmegeräten vehement und auf ungewohnt deutliche Art widersprochen. Dabei ging es um die Aussage von Ilja Kaenzig, der Revierklub habe derzeit „keine einfache Mannschaft.“ Gleich zweimal, in einer Medienrunde am vergangenen Donnerstag sowie in der Pressekonferenz am Freitag, war Kaenzig nicht gut auf die eigenen Kicker zu sprechen. Damit hat er nicht nur die Unruhe im Umfeld weiter befeuert, sondern auch bei den Spielern für Irritationen gesorgt.

Losilla verteidigt die Mannschaft

Vor allem Anthony Losilla wehrte sich gegen diese Kritik. „Er ist unser Chef, er hat seine Meinung. Ich finde nicht, dass wir eine schwierige Gruppe haben. Wir hatten noch nie so eine einfache Gruppe“, sagte der Kapitän am Sonntag auf Nachfrage von Tief im Westen – Das VfL-Magazin und legte verärgert nach: „Ich finde schade, dass so etwas gesagt wird. Das brauchen wir nicht. Wir müssen eine Einheit sein.“ Schon wenige Minuten zuvor äußerte sich Losilla in ähnlicher Form im Interview mit dem WDR: „Klar, wir haben viele neue Gesichter, einige von ihnen können die Sprache nicht und kennen die VfL-Mentalität noch nicht. Aber negativ über die Mannschaft zu reden, bringt uns nicht weiter.“

Kaenzig und Losilla haben sich mittlerweile hinter den Kulissen ausgetauscht, doch eine Frage bleibt: Wer hat denn nun recht? Kaenzigs Argumente sind jedenfalls valide und fielen ursprünglich im Zusammenhang mit der laufenden Trainersuche. „Viele Spieler sind ambitioniert und haben auch hohe Ansprüche an den Verein. Der neue Trainer muss eine gewisse Autorität haben, Klartext sprechen“, erklärte Bochums alleiniger Geschäftsführer am vergangenen Donnerstag und präzisierte seine ursprüngliche Wortwahl am Freitag, blieb aber bei der gleichen Kernaussage. „Das bezieht sich nicht auf die Menschen, niemand ist böse oder negativ. Aber es gibt einfachere Kabinen im Fußball.“

Kaenzig will strenger sein

Interimstrainer Markus Feldhoff bestätigte diesen Eindruck, ohne konkreter zu werden und verwies einzig auf die Gruppengröße. 31 Spieler gehören offiziell zur Bochumer Mannschaft. Ungewöhnlich für VfL-Verhältnissse ist vor allem, dass zahlreiche Spieler der deutschen Sprache (noch) nicht mächtig sind. Dazu gehören unter anderem fünf Neuzugänge, aber auch Profis, die schon länger für den VfL kicken, die bislang aber nicht die Notwendigkeit gesehen haben, sich sprachlich zu integrieren. Das wiederum fördert eine Grüppchenbildung. „Wir müssen den Laden besser im Griff haben, noch enger führen“, bekräftigte Kaenzig, der vor gut einer Woche eine Kabinenansprache hielt.

Sauer aufgestoßen war ihm unter anderem, dass die Mannschaft schon bei kleineren Veränderungen interner Abläufe Widerstand geleistet hat und sensible Interna immer an die Öffentlichkeit kamen. Unter dem unbeliebten Ex-Trainer Peter Zeidler sollte es zum Beispiel feste Frühstückszeiten für alle, gemeinsame Spaziergänge und ein Bierverbot geben. Einige Spieler fühlten sich deswegen offenbar in ihrer Komfortzone gestört. Zudem trug Zeidler innerhalb des Kabinentrakts einen Spitznamen, der zwar nicht bösartig ist, aber dennoch auf mangelnden Respekt schließen lässt. Derartige Randthemen in Kombination mit dem letzten Tabellenplatz möchte Kaenzig in Zukunft gerne vermeiden.

Führungsspieler fehlen zurzeit

Bald soll sich um Probleme dieser Art ohnehin nicht mehr der Geschäftsführer, sondern der neue Sportdirektor kümmern. Für gewöhnlich sind dann vor allem die Führungsspieler seine Ansprechpartner. An denen mangelt es gerade aber. Kevin Stöger, Keven Schlotterbeck und Manuel Riemann haben nicht nur sportlich, sondern auch abseits des Platzes eine große Lücke hinterlassen. Vize-Kapitän Philipp Hofmann ist kein unumstrittener Stammspieler, und hinter Maximilian Wittek, der die Binde ebenfalls schon tragen durfte, fehlen Leitwölfe. Die Mannschaft ist generell zu leise, praktisch keiner marschiert vorneweg. Die vielen Neuen haben fast niemanden, an dem sie sich orientieren können. Das zu regeln, wird auch für den neuen Trainer eine schwierige Aufgabe. Nichts anderes hat Ilja Kaenzig übrigens gesagt.


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