Portrait

Zeidler überzeugte ihn: Sissoko soll Leistungsträger werden

Dass der VfL Bochum mit Peter Zeidler einen Trainer verpflichtet hat, der früher als Französischlehrer tätig war, ist sicher kein Nachteil. Vor allem Ibrahima Sissoko freut sich darüber. Denn Bochums Neuerwerbung für das defensive Mittelfeld wurde in der Nähe von Paris geboren, ist in Frankreich aufgewachsen und hat dort bislang seine gesamte Karriere als Fußballer verbracht. „Der Trainer hat viel mit mir geredet und mich vom Verein überzeugt“, verriet Sissoko neulich in einem Interview mit der WAZ. Der 26-Jährige mit Wurzeln in Mali hat in diesem Sommer einen Dreijahresvertrag in Bochum unterschrieben. Sissoko ist ablösefrei an die Castroper Straße gewechselt.

Der großgewachsene Defensivspezialist startete seine Profikarriere zunächst bei Stade Brest in der Ligue 2. „Dort habe ich als Trainer vom FC Sochaux gegen ihn gespielt“, berichtet Peter Zeidler, allerdings flog Sissoko im ersten von zwei Duellen früh mit einer Rote Karte vom Platz. Nachhaltige Akzente setzte Bochums Neuzugang ohnehin erst bei Racing Straßburg unmittelbar hinter der deutschen Grenze. Für die Elsässer lief er erstmals in der Saison 2018/19 auf und absolvierte seitdem 179 Spiele in der Ligue 1 sowie vier Partien in der Europa-League-Qualifikation. Sissoko blieb in dieser Zeit stets verletzungsfrei und vereinstreu, er war Stammkraft beim französischen Traditionsklub.

„Diese Zahlen sprechen nicht nur für ihn, sondern auch für unseren Klub und unser Management“, freut sich Trainer Peter Zeidler über die Mittelfeld-Verstärkung. Seit Ende 2023 ist Sissoko auch als A-Nationalspieler aktiv. Nachdem er im Juniorenbereich bis zur U21 in insgesamt 18 Partien für Frankreich auflief – unter anderem mit dem heutigen Weltstar Kylian Mbappé – nutzte er Ende 2023 die Staatsbürgerschaft Malis und lief zum ersten Mal für die Auswahl des westafrikanischen Binnenstaats auf. Weitere Einsätze könnten folgen.

Der Fokus liegt allerdings auf der Arbeit beim VfL. Als klassischer Sechser nimmt Sissoko VfL einerseits den Kaderplatz des nach Freiburg abgewanderten Patrick Osterhage ein, andererseits ist er aber auch der designierte Nachfolger von Landsmann Anthony Losilla. In dieser Saison werden Sissoko und Losilla noch zusammenspielen, wobei Sissoko aufgrund seiner Erfahrung, seines Leistungsvermögens und auch aus Kostengründen fest als Stammkraft eingeplant ist. Der VfL hat sich am Ende gegen Mitbewerber aus Italien, Griechenland und auch aus Deutschland durchgesetzt. Vor allem der FC Augsburg bekundete sein Interesse an einer Verpflichtung von Sissoko, auch Borussia Mönchengladbach schickte Scouts nach Straßburg. „Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, Ibrahima zu verpflichten“, sagte VfL-Sportdirektor Marc Lettau direkt nach der Vertragsunterschrift.

Der verantwortliche Kaderplaner hat bei diesem Transfer in ein höheres Regalfach greifen können. „Zum einen zeigt es, dass unser Scouting in für den VfL neuen Märkten Früchte trägt und zum anderen, dass wir auch von der Konkurrenz umworbene Spieler vom VfL überzeugen können. Obwohl er erst 26 Jahre alt ist, ist Ibrahima schon lange Leistungsträger in einer europäischen Top-5-Liga. Als solcher wird er auch uns verstärken“, betont Lettau. Sissokos Stärken liegen in der defensiven Zweikampfführung, am Boden wie in der Luft. Beides bestätigte er in den ersten Trainingswochen und teilweise auch in den Pflichtspielen. Er gilt zudem als ausdauerstark. Schwächen offenbart der Franzose, wenn er den Ball schnell und sauber verarbeiten muss, ein Filigrantechniker ist er nicht. Generell gibt es im Vorwärtsgang noch Luft nach oben. Das belegt auch die Statistik. In sechs Jahren bei Racing Straßburg hat Sissoko nur fünf Tore erzielt.

Doch vielleicht läuft es in Deutschland ja besser. „Der Wechsel ist aufregend für mich, denn die Bundesliga ist anders als die Ligue 1“, sagte er nach dem Trainingsauftakt in seiner Muttersprache. Zeidler übersetzte die weiteren Aussagen ins Deutsche: „Ich glaube, hier ist mehr Disziplin gefragt. Auch Laufbereitschaft ist sehr wichtig. Außerdem gibt es mit Bayern, Dortmund und den anderen viele gute Mannschaften, die auch international bekannt und erfolgreich sind“, wobei Sissoko einschränkt: „Für ein genaueres Urteil muss ich hier erst länger spielen.“

In welchem System und mit welcher taktischen Marschroute, sei zweitrangig. Bislang kam er beim VfL als alleiniger Sechser zum Einsatz. „Ich kann auf der Sechser-Position allein oder zu zweit spielen. Beides kenne ich“, erzählt Sissoko, der gemeinsam mit seiner Frau nach Bochum gekommen ist und möglichst bald nicht mehr auf einen Dolmetscher angewiesen sein möchte: „Der Trainer, Anthony Losilla und Noah Loosli sprechen Französisch, sie helfen mir gerade sehr. Aber der Verein hat mir einen Deutschlehrer organisiert und schon bald möchte ich wenigstens auf dem Platz alles verstehen.“ Zeidler wird die Rolle des Französischlehrers allerdings nicht einnehmen. Er wird sich bei Sissoko auf das Trainieren der sportlichen Fähigkeiten konzentrieren.

Der Text ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen und wurde mittlerweile durch aktuelle Informationen ergänzt. Auf mehr als 130 Seiten bietet das Magazin viele Interviews, ausführliche Portraits und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe zum Saisonstart sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen. Nachfolgend gibt es auch eine Download-Option.

(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Das schönste Stadion auf Zweitliga-Niveau

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Etwa 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Das Ruhrstadion und seine Zukunft.

Reisen bildet bekanntlich. Auf der Fahrt nach Freiburg habe ich einen Zwischenstopp eingelegt und mir das neue Wildparkstadion angesehen. Zugegeben: Individuelle Baumerkmale habe ich vergeblich gesucht. Aber: Das Stadion war mit mehr als 30.000 Besuchern voll und die Atmosphäre erstligareif. 

In der Theorie wäre das Karlsruher Modell vielleicht auch in unserer Stadt vermittelbar. Das Ruhrstadion – an dem ich emotional genauso hänge wie jeder andere Bochumer – würde verschwinden, aber an gleicher Stelle ein zeitgemäßer Neubau entstehen. In der Praxis ist das aus baurechtlichen Gründen aber nicht möglich. Auch ein Ausbau scheitert daran. Also wird das Ruhrstadion ab 2026 lediglich aufgehübscht.

Doch je häufiger ich die modernen Stadien der Republik bereise, desto fragwürdiger wird die Entscheidung für mich. Leider gab es nie eine offene Debatte über die Zukunft der wichtigsten Bochumer Sportstätte. Weder die Klubspitze hatte den Mut, dieses sensible Thema ernsthaft und ergebnisoffen mit Publikumsbeteiligung anzugehen, noch die Politik. Das Ruhrstadion infragezustellen, kann Wählerstimmen kosten.

Was nun geplant ist, bringt den VfL zwar ein bisschen, aber nicht entscheidend weiter. Die Stadt wird einen hohen zweistelligen Millionen-Betrag in ein Stadion investieren, mit dem der VfL auch anschließend neidisch auf Klubs wie Mainz, Augsburg oder Karlsruhe blicken wird. Praktisch alle Erst-, zahlreiche Zweit- und sogar einige Drittligastadien bieten vor allem für Geschäftskunden weitaus bessere Möglichkeiten – und in den VIP-Bereichen wird bekanntlich das Geld verdient. Auch „normale“ Zuschauerplätze fehlen.

Beide Wege, ob Neubau oder Modernisierung, haben ihre Vorzüge und Nachteile. Es gibt kein richtig oder falsch. Wir sollten nur offen über die Konsequenzen des gewählten Weges sprechen und schauen, ob die Mehrheit wirklich damit leben möchte. Dazu gehört eine ehrliche Kommunikation: Der VfL wird auch nach der Modernisierung in einem schönen, traditionsreichen, aber aus wirtschaftlicher Sicht zweitklassigen Stadion spielen. Und das wird früher oder später Einfluss auf die sportliche Konkurrenzfähigkeit haben.


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(Foto: Marc Niemeyer)

1:2-Niederlage in Freiburg

Kleiner Fortschritt, großer Fehler: Knapp daneben ist auch vorbei

Beinahe hätte sich Koji Miyoshi für das Tor des Monats September beworben. Kurz vor Ende der ersten Halbzeit sah der Mittelfeldspieler, dass Freiburgs Torhüter Noah Atubolu zu weit vor seinem Gehäuse stand und setzte zu einem Fernschuss von der Mittellinie an. Die Präzision stimmte, das Tempo nicht ganz. Atubolu kratzte den Ball noch von der Linie. Knapp daneben ist eben auch vorbei – was beim VfL derzeit ganz generell gilt. Alle vier Pflichtspiele in dieser noch jungen Saison haben die Bochumer verloren, drei davon knapp mit einem Tor Unterschied, so auch bei der 1:2-Niederlage in Freiburg. „Miyoshi hätte der Held des Tages werden können“, bedauerte Trainer Peter Zeidler die Rettungsaktion. Der VfL ging dank des Premierentreffers von Myron Boadu dennoch mit einer glücklichen Pausenführung in die Kabine – und wurde anschließend für seine naive Abwehrleistung bestraft.

Boadus Debüttor

Erst traf Freiburgs Junior Adamu nach einem klugen Steckpass ins Bochumer Tor, dann nach einer slapstickartigen Fehlerkette unter gütiger Mithilfe von Jakov Medic und dessen Teamkollegen. Vor allem aber der Ausgleichstreffer war einer mangelnden Reife in der Spielanlage geschuldet. Die Abwehr rückte heraus, obwohl kein Mitspieler Druck auf den ballführenden Freiburger ausübte – ein großer, folgenreicher Fehler. Der Sportclub drehte das Spiel nach gut einer Stunde und gewann insgesamt hochverdient. „Bei einer oberflächlichen Betrachtung war ein Punkt sicher drin“, meinte Zeidler, sah aber auch: „Freiburg hatte doppelt so viele Schüsse wie wir.“ Beim VfL waren im Grunde nur kleine Fortschritte erkennbar. Erfreulich: Startelfdebütant Boadu erzielte nicht nur sein erstes Bundesliga-Tor, sondern damit auch den ersten Bochumer Pflichtspieltreffer in dieser Saison.

Anderes System

Der Leihspieler vom AS Monaco hatte eine Hereingabe von Ersatzkapitän Maximilian Wittek im Stile eines Torjägers verwertet. Dass Boadu bislang der einzige Spieler auf der Torschützenliste des VfL ist, legt ein zentrales Problem offen: Das Team von Peter Zeidler entwickelt zu wenig Torgefahr. Der Treffer von Boadu war gleichbedeutend mit dem ersten Bochumer Torschuss – und das nach 45 Minuten. Immerhin: Boadu erfüllte seine Aufgabe, und auch Last-Minute-Zugang Koji Miyoshi zeigte eine ansprechende Leistung. „Er ist sehr aufmerksam und lernwillig“, lobte ihn Zeidler. Der kleine Japaner nahm allerdings nicht die Rolle eines Zehners ein. Trainer Zeidler hatte sich gegen die zuletzt praktizierte Mittelfeldraute entschieden und auf ein fluides 4-3-3-System gesetzt.

Sechs Neuzugänge

Miyoshi spielte folglich links vorne, Moritz Broschinski auf der rechten Seite. Der im Anlaufen erneut sehr engagierte, aber offensiv noch gänzlich wirkungslose Dani de Wit rückte somit etwas weiter nach hinten. Während die Routiniers Anthony Losilla und Philipp Hofmann zunächst nur auf der Bank blieben, standen insgesamt sechs Neuzugänge auf dem Feld. Keiner von ihnen enttäuschte, spielprägend trat allerdings noch keiner auf, allenfalls Torhüter Patrick Drewes, der mehrfach in höchster Not parierte. Am Ende tauschte Zeidler sogar noch die komplette Offensive aus – ohne Erfolg. Die Defensive indes blieb unverändert, allerdings auch mangels Alternativen. Mit Tim Oermann saß nur ein Verteidiger auf der Ersatzbank; Bernardo und Ivan Ordets werden auch gegen Kiel noch fehlen.

Druck gegen Kiel

Die Abwehr ist trotz folgenreicher Aussetzer allerdings nicht die Hauptproblemzone, zumindest gemessen an den Zahlen. Auffällig nur: Alle fünf Gegentore fielen in der zweiten Halbzeit, als die Kräfte infolge der laufintensiven Spielweise merklich schwanden, die Flüchtigkeitsfehler zunahmen und die Räume für den Gegner größer wurden. Die Folge: Abermals läuft der VfL der Musik früh in der Saison hinterher, steht punktlos im Tabellenkeller. Das Startprogramm war anspruchsvoll, und die Ansetzungen in der zweiten September-Hälfte erhöhen den Druck. Vor dem Derby in Dortmund empfängt der VfL Aufsteiger Holstein Kiel. „Nächste Woche bietet sich eine gute Gelegenheit. Wir wollen schnell Punkte holen“, sagte Zeidler in Freiburg und vermied damit, ob bewusst oder unbewusst, die passenderen Begriffe: Sollten oder gar müssen.


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(Foto: Imago / steinsiek.ch)

Debatte

VfL-Kolumne: Späte Transfers begünstigten den Fehlstart

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Kaderplanung.

Manchmal kommt bei Peter Zeidler noch der Lehrer durch. Neuzugänge erhalten von ihm stets eine Hausaufgabe: Sie müssen schnellstmöglich die Namen aller Mitspieler lernen. Der Bochumer Coach erinnert derzeit fast täglich daran, dass die Integration auf vielen Ebenen noch nicht abgeschlossen ist. Die Zahlen verdeutlichen das Problem: Acht der zehn Neuen hatten vor der Saison keine Bundesliga-Erfahrung, fünf sprechen kein Deutsch, einigen Spielern fehlt die Wettkampfpraxis. Zudem: Fünf Spieler sind erst im oder nach dem Trainingslager zur Mannschaft gestoßen. Myron Boadu ist hierfür das beste Beispiel. Er ist die personifizierte Angriffshoffnung, doch noch fehlen Ausdauer und Bindung zu den Teamkollegen.

Sicher ist: Die späten Transfers haben den Fehlstart begünstigt. Und die Frage, die daran anknüpft, lautet: Lässt sich das in Zukunft anders lösen? Wartet der VfL zu lange in der Hoffnung, gegen Ende der Transferperiode einen vielleicht noch besseren Spieler zu entdecken? Auch Sportdirektor Marc Lettau hätte die Kaderplanung am liebsten schon früher abgeschlossen. Das Kernproblem in diesem Sommer war: Für den VfL stand erst Ende Mai fest, in welcher Liga er in dieser Saison spielt. Den Bochumern ist deswegen sogar ein Angreifer abgesprungen. Mit Jarne Steuckers war sich Lettau im Grunde einig, doch der Belgier hat sich während der Relegation umentschieden.

Währenddessen konnte der 1. FC Heidenheim mit einem vergleichbaren Etat schon erste Spielertransfers festzurren. Obwohl die Ostalbstädter in diesem Sommer gleich drei Leistungsträger verloren haben, war die Kaderplanung zum Trainingsauftakt Anfang Juli fast abgeschlossen. Der Lohn: Ein Saisonstart mit zwei Siegen aus zwei Spielen, wenngleich gegen nominell schwächere Gegner. Beim VfL kam indes noch ein anderes Problem hinzu: Drei der fünf August-Transfers sind erst durch Abgänge oder die Freigabe zusätzlicher Gelder möglich geworden. Das erklärt auch den späten Miyoshi-Transfer. Denn bei allem Respekt und der angedeuteten Qualität: Einen Spieler dieser Kategorie hätte der VfL sicher auch schon früher bekommen können.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Trainerteam

Anwalt und Analyst: Neue Assistenten an Zeidlers Seite

Ein Beschäftigungsverhältnis wie dieses ist im schnellligen Fußballgeschäft selten geworden. Mit zwölf verschiedenen Cheftrainern hat Peter Greiber beim VfL zusammengearbeitet, insgesamt 19 Jahre war er in Bochum tätig. Nach dem erneuten Klassenerhalt bat der 55-Jährige um eine Vertragsauflösung. Aus privaten Gründen zog es Torwarttrainer des Bundesligisten zurück in seine Wahlheimat nach Köln, wo er nun in gleicher Position für den bekanntesten Klub der Stadt arbeitet.

Für Greiber ist es eine Rückkehr an alte Wirkungsstätte. Seine Trainerlaufbahn begann 1995 beim 1. FC Köln. Nach zehn Jahren am Geißbockheim kam er im Sommer 2005 auf Empfehlung von Marcel Koller als Torwarttrainer zum VfL. Fortan bildete Greiber eine feste Konstante im Trainerteam. Nicht nur bei den Profis, sondern auch im Nachwuchsbereich hatte er maßgeblichen Anteil an der positiven Entwicklung vieler Torhüter. Er förderte Keeper wie Andreas Luthe, Michael Esser, Tjark Ernst und Niclas Thiede. Unter seinen Schützlingen genießt Greiber einen exzellenten Ruf. „Was ich mit dem VfL in den vergangenen knapp 20 Jahren erlebt habe, war sehr besonders. Als ich angefangen habe, hat der VfL in der 2. Bundesliga gespielt. Nun geht der Klub ins vierte Bundesliga-Jahr in Serie. Die emotionale Rettung in den Relegationsspielen in diesem Jahr haben dem Ganzen die Krone aufgesetzt“, sagte Greiber zum Abschied.

Einen Nachfolger haben die Bochumer schnell gefunden. Seit Anfang Juli leitet Sebastian Baumgartner die Torleute an. Der 37-Jährige Österreicher war zuletzt in gleicher Funktion bei RB Salzburg tätig. „Für mich ist das ein super Schritt in meiner Karriere. In einer der Top-Fünf-Ligen Tormanntrainer zu sein, ist eine riesige Ehre und zugleich eine Challenge, auf die ich mich extrem freue“, erklärte Baumgartner zum Abschied aus seiner Heimat. Mit 29 Jahren beendete Baumgartner seine Spielerkarriere zwischen Profi- und Amateurbereich und widmete sich fortan der Torhüterausbildung. In Salzburg begann er im Juniorenbereich und stieg 2022 zu den Profis auf, die seinerzeit in der Champions League spielten.

„Wir freuen uns, dass es gelungen ist, die Position des Torwarttrainers hochkarätig zu besetzen, indem wir Sebastian Baumgartner von RB Salzburg von unserem Weg beim VfL überzeugen konnten. Er hat in Salzburg die Torhüter auf Top-Niveau ausgebildet und weiterentwickelt und uns mit seinen innovativen Ideen und Konzepten inhaltlich vollständig überzeugt“, sagt VfL-Sportdirektor Marc Lettau, der auch zwei neue Co-Trainer anstellen konnte. Seit dem Trainingsauftakt am 1. Juli arbeiten Murat Ural und Maxime Antonilli an der Seite von Peter Zeidler. Bochums Chefcoach kennt beide Assistenten aus seiner Zeit in der Schweiz.

Ural war bis zuletzt für den FC Zürich tätig, wo er in der Spielzeit 2023/24 zunächst als Co-Trainer an der Seite von Bo Henriksen wirkte. Nach dessen Wechsel in die Bundesliga zu Mainz 05 übernahm Ural übergangsweise die Chefrolle. Zuvor war der Fußballlehrer als Nachwuchstrainer beim FC Winterthur tätig. „Wir kennen uns, weil Murat eine Zeit lang in St. Gallen hospitiert hat“, verrät Zeidler, wie der Kontakt zu Ural zustande kam. Während die Anstellung in Bochum für ihn die erste in Deutschland ist, ist der 36-jährige Schweizer mit türkischen Wurzeln in seiner Heimat relativ bekannt. Zu seiner aktiven Zeit als Fußballer kam der ehemalige Juniorennationalspieler auf fast 100 Profi-Einsätze, viele davon als Stürmer des FC St. Gallen. Nebenbei schloss er ein Jura-Studium ab und spezialisierte sich auf internationales Sportrecht.

Auch Maxime Antonilli hat einen akademischen Hintergrund. In der Schweiz erlangte er zwei Studienabschlüsse in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Internationale Beziehungen. Antonilli ist Schweizer mit Wurzeln in Italien. Da war es nur logisch, dass seine Trainerkarriere 2017 bei CS Italien GE in der Schweiz begann, bevor er 2023 nach St. Gallen ins Trainerteam von Peter Zeidler wechselte. Dort kümmerte sich der 33-Jährige als Co-Trainer insbesondere um die Spielanalysen. Diese Aufgabe übernimmt der A-Lizenzinhaber auch in Bochum. „Ich finde, unser Trainerteam ist sehr gut aufgestellt“, sagt Peter Zeidler. „Meine Aufgabe ist es, nicht nur das Team auf dem Platz zu einer Einheit zu formen, sondern auch die Kollegen im Trainerbüro.“ Dank der beiden Co-Trainer sollen die Übungseinheiten individueller gestaltet werden. Außerdem werden Zeidlers Assistenten für einzelne Teilbereiche die Verantwortung übernehmen, zum Beispiel von Standardsituationen.

Komplettiert wird das Trainergespann von Markus Feldhoff, der auch schon unter Thomas Letsch beim VfL angestellt war. „Er bleibt ein wichtiger Teil unseres Teams“, betont Zeidler, der auch allen anderen Mitarbeitern – vom Fitnesstrainer bis zum Videoanalysten, vom Rehatrainer bis zum Leistungsdiagnostiker – sein Vertrauen schenkt. VfL-Legende Frank ‚Funny‘ Heinemann bleibt ebenfalls dabei. Der 59-Jährige übernimmt den neu geschaffenen Posten als Top-Talente-Trainer. Diese Position ist in anderen Vereinen längst üblich. Heinemann soll fortan die besten Nachwuchshoffnungen des Vereins von der eigenen U17 bis zu den Profis begleiten, sie individuell fördern und auch abseits des Platzes begleiten. 

Der Text ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen. Auf mehr als 130 Seiten bietet das Magazin viele Interviews, ausführliche Portraits und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe zum Saisonstart sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen. Nachfolgend gibt es auch eine Download-Option.

Vereinsentwicklung

Trikotrekord und fast 30.000 Mitglieder: VfL-Boom hält an

Der Mut hat sich ausgezahlt. Inmitten des turbulenten und unberechenbaren Endspurts der vergangenen Saison entschied die Marketing- und Merchandisingabteilung des VfL, T-Shirts für den Fall des Klassenerhalts zu drucken. Nach dem Hinspiel in der Regelation sah es ganz danach aus, als würden diese Kleidungsstücke nie das Tageslicht sehen. Dank der spektakulären sportlichen Wende vier Tage später haben sich die T-Shirts zum Verkaufsschlager entwickelt. Mehr als 11.000 Stück wurden unter dem Motto „Ihr & Wir in Jahr 4“ verkauft.

Diese Zahl steht beispielhaft für das Wachstum beim VfL Bochum. Auch zu Beginn der vierten Bundesliga-Saison in Folge legt der Klub von der Castroper Straße Rekordzahlen vor, die dazu beitragen, den Umsatz weiter zu steigern. Speziell die Trikotverkäufe sind förmlich explodiert. Nach 25.500 in der Saison 2022/23 ist die Zahl der abgesetzten Trikots auf rund 28.000 in der Spielzeit 2023/24 gestiegen. In den ersten Wochen der neuen Saison verzeichnet der VfL einen weiteren Anstieg. „Wir hoffen, dass es so weitergeht“, sagt Tim Jost.

Kein City-Fanshop

Der Marketing- und Vertriebsdirektor berichtet zudem, dass sich die Verkaufserlöse mittlerweile zu jeweils rund 50 Prozent auf den stationären und den digitalen Handel verteilen. Aktuell betreibt der VfL zwei Fanshops: im Stadioncenter und im Ruhrpark. Ein dritter Shop in der Innenstadt wird zunächst nicht dazukommen, nachdem das vorherige Ladenlokal in der Drehscheibe im Frühjahr 2023 geschlossen wurde. „Wir haben uns vorerst dagegen entschieden, weil es sich wirtschaftlich nicht gelohnt hätte“, erklärt Jost die Entscheidung.

Auch die Mitgliederzahl steigt parallel weiter an. Vor sieben Jahren waren es noch 10.000, im August waren es 29.100. Die 30.000 sind das Ziel bis zur kommenden Jahreshauptversammlung. Das ist durchaus realistisch, denn: „Aktuell kommen konstant 200 bis 300 im Monat dazu, obwohl es keinen großen Vorteil gibt, da die Tickets für unsere Spiele weiterhin sehr knapp sind“, berichtet Geschäftsführer Ilja Kaenzig, den diese Entwicklung besonders erfreut. „Das zeigt, dass unsere Fans stolz sind und sich mit dem VfL identifizieren.“

Kaum Eintrittskarten

Kaenzigs Hinweis auf die Kartenknappheit ist nicht neu, für viele Anhänger aber immer noch allgegenwärtig. Auch vor der gerade begonnenen Saison gab es keine neuen Dauerkarten zu kaufen. Der VfL möchte Gelegenheitsbesuchern weiterhin die Chance bieten, Bundesliga-Fußball im Ruhrstadion zu verfolgen. Lediglich die gut 18.000 Bestandskunden konnten sich ihren Stammplatz zu erhöhten Konditionen weiter sichern. Über den Preisanstieg von bis zu 20 Prozent habe man „wochenlang“ intensiv diskutiert, berichten Kaenzig und Jost unisono.

Dieser „Anstieg mit Augenmaß“ sei im Ligavergleich notwendig geworden. Die Preise in Bochum lägen trotzdem noch deutlich unter dem Schnitt. „Wir wollen, dass sich bei uns jeder einen Stadionbesuch leisten kann“, betont Jost. Speziell die Ticketpreise für Jugendliche oder Schwerbehinderte wurden deshalb nur minimal erhöht. Das Geld muss der VfL folglich in anderen Bereichen verdienen, insbesondere in den hochpreisigen VIP-Bereichen. Zur neuen Saison wurde im angrenzenden Moxy-Hotel ein weiterer Exklusiv-Bereich für rund 60 Anhänger geschaffen.

Der VfL investiert

Die Zielrichtung ist klar. „Wir bleiben ambitioniert, wollen uns weiterentwickeln und streben, wie schon mehrfach kommuniziert, perspektivisch einen Umsatz von 100 Millionen Euro im Jahr an“, betont Kaenzig, der im Gespräch im Tief im Westen – Das VfL-Magazin noch einmal einem oft formulierten Vorwurf aus dem Umfeld entgegentritt. „Wir sparen nicht, sondern nutzen das Wachstum, um in die Modernisierung des gesamten Klubs investieren zu können. Mittlerweile können wir uns Investitionen leisten, die jahrelang nicht möglich waren.“

Kaenzig nennt beispielhaft die Nachwuchsabteilung. Der VfL hat zur neuen Saison wieder eine U21 eingeführt, darüber hinaus das Budget für den gesamten Jugendbereich erhöht. Außerdem bleibt der Etat für die Bundesliga-Mannschaft mit rund 40 Millionen Euro stabil. „Im vergangenen Jahr haben wir für den Etat einen Verlust in Kauf genommen, in diesem Jahr stemmen wir die Summe aus eigener Kraft. Das ist eine Entwicklung, die nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, aber nur mit Wachstum auf vielen Ebenen möglich geworden ist.“


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Debatte

VfL-Kolumne: Stöger muss raus aus den Köpfen

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Der Verlust von Kevin Stöger.

Ein bisschen erinnert die jetzige Lage an 2021. Damals hat der VfL Bochum mit Robert Zulj seinen Top-Scorer und Spielgestalter ziehen lassen müssen. Ein echter Nachfolger, ein vergleichbarer Spielertyp, wurde nicht verpflichtet. Bis in den Winter hinein fiel der Name Zulj in den Foren und sozialen Netzwerken immer wieder, ehe der sportliche Erfolg dazu führte, dass Zulj kaum noch erwähnt wurde.

In diesem Sommer ist es nicht anders. Die Abgänge von Takuma Asano, Keven Schlotterbeck oder Patrick Osterhage sind schon halbwegs vergessen, aber der Name Kevin Stöger geht vielen Anhängern nicht aus dem Kopf – sollte er aber. Denn der Top-Scorer und Spielgestalter der vergangenen zwei Jahre trägt mittlerweile das Trikot von Borussia Mönchengladbach. Ja, ohne ihn würde der VfL heute nicht mehr in der Bundesliga spielen. Und ja, seine Art, das Bochumer Spiel anzutreiben, wird schmerzlich vermisst. Aber Stöger ist Vergangenheit beim VfL.

Ihm hinterherzutrauern, hilft nicht weiter. Jeden anderen Mittelfeldspieler mit ihm zu vergleichen, auch nicht. Dani de Wit ist ein anderer Spielertyp: körperlich robuster und torgefährlicher, aber kein Standardspezialist oder begnadeter Ideengeber. Gleiches gilt für Lukas Daschner, der ohnehin offensiver agiert und noch längst nicht Stögers Niveau erreicht. Auch Last-Minute-Neuzugang Koji Miyoshi ist kein Stöger-Ersatz. Der Japaner ist agiler als der Österreicher und eher ein Dribbler, keiner, der ständig zu genialen Pässen in die Tiefe ansetzt. Dieses Trio wird (hoffentlich) andere Akzente setzen.

Für die Fanseele war es jedenfalls nicht hilfreich, dass Stöger am vergangenen Wochenende zum ersten Heimspiel der Saison wieder ins Ruhrstadion kam und das Trikot des Gegners trug. Schade ist übrigens, dass es keine angemessene Verabschiedung gab, die sich Stöger ausdrücklich gewünscht hätte. Spätestens, wenn er demnächst als Zuschauer ins Ruhrstadion zurückkehrt – und das hat er am Samstag angekündigt – wäre ein angemessener Dank fällig, vom Klub und von den Fans. Einziger Nachteil: Dann beginnt die Stöger-Debatte vermutlich erneut.


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