Rechtsstreit um Spielwertung

„Beinahe endgültiges Urteil“: Union zerrt VfL vor dritte Instanz

Ilja Kaenzig raucht zwar gerne eine Zigarette, aber so viele Feuerzeuge wie er seit Dezember per Post erhalten hat, braucht der Geschäftsführer des VfL Bochum sicher nicht. Immer wieder erhielt Kaenzig Zusendungen von Fans aus Berlin-Köpenick. Es zeigt, was die juristische Auseinandersetzung zum Spielausgang der Partie Union Berlin gegen den VfL Bochum samt Feuerzeug-Wurf ausgelöst hat. Obwohl das DFB-Bundesgericht am vergangenen Freitag die Entscheidung des Sportgerichts bestätigt hat, ist der Rechtsstreit noch nicht beendet. Die Berliner haben bereits angekündigt, vor das Ständige Schiedsgericht der Lizenzligen zu ziehen. Erst im April wird eine Entscheidung erwartet, vermutlich kurz vor dem Rückspiel, das mit jeder weiteren Gerichtsverhandlung brisanter werden dürfte.

Zwei Punkte sind schon gutgeschrieben

Wobei die Bochumer Verantwortlichen mit ihrem renommierten Sportanwalt Christoph Schickhardt der dritten Verhandlung relativ entspannt entgegenblicken können. Durch das in zweiter Instanz bestätigte Urteil des DFB-Bundesgerichts wird ein nachträglicher Sieg immer wahrscheinlicher. Kaenzig sprach am vergangenen Freitag von einem „beinahe endgültigen Urteil.“ Demnach wird das sportlich errungene 1:1 zwischen Berlin und Bochum in ein 2:0 mit drei Punkten für den VfL umgewertet. In der offiziellen Bundesliga-Tabelle wurden die Punkte bereits gutgeschrieben. Richter Oskar Riedmeyer sah keinen Grund, die Entscheidung des Sportgerichts zu revidieren. Der VfL sei durch die notwendige Auswechslung des getroffenen Patrick Drewes eindeutig benachteiligt worden.

Der Feuerzeug-Wurf sei klar den Berlinern zuzurechnen, weil es sich bei dem Täter um ein Vereinsmitglied von Union handelt, argumentierte Riedmeyer in seiner Urteilsbegründung. „Rechtlich hat das Sportgericht damit den Täter mit der gastgebenden und von der Handlung des Täters ebenfalls betroffenen Mannschaft gleichgesetzt“, schreiben die Berliner in einer Stellungnahme. Kaenzig stimmt ihnen sogar zu, bezeichnet Union ebenfalls „Opfer“. Aber: „Wir wissen leider aus eigener Erfahrung, wie ärgerlich solch ein Strafmaß für den betroffenen Klub ist, sind aber der Auffassung, dass eine weitere Häufung dieser Unsitte nur mit maximaler Konsequenz verhindert werden kann.“ Kaenzig nimmt damit Bezug auf den Becherwurf anno 2022, als ein VfL-Fan den Linienrichter traf und das Spiel abgebrochen wurde.

Union Berlin akzeptiert das Urteil nicht

Im Gegensatz zur Partie im Dezember 2024. Deshalb ging es in dem Berufungsverfahren hauptsächlich um die Frage, ob das Gericht ein Spiel umwerten darf, obwohl es regulär beendet wurde. Vor dem Sportgericht und auch in ihren Schriftsätzen hatten die Berliner zunächst noch die Verletzung von Drewes angezweifelt. In zweiter Instanz ging es ihnen einzig um die Rechtsfolgen. Das Schiedsgericht soll nun prüfen, ob der DFB sein eigenes Regelwerk fehlerhaft interpretiert hat. Die Chancen, dass das Urteil in dritter Instanz gekippt wird, stehen aus Berliner Sicht allerdings nicht gut. Die Sportgerichtsbarkeit sieht keine weitere Instanz vor, ein Gang vor den Europäischen Sportgerichtshof ist mangels internationalen Bezugs nicht möglich. Aufgeben und das Urteil akzeptieren möchten die Berliner jedoch nicht.

Unions Präsident Dirk Zingler zieht nach eigener Aussage sogar zivilrechtliche Schritte in Erwägung. „Wir waren Zeuge eines Verfahrens, in dem erstmalig das Fehlverhalten eines Zuschauers zu einer Spielumwertung geführt hat. Und das trotz einer ordnungsgemäßen Beendigung des Spiels durch den Schiedsrichter“, beschwert sich Zingler nach dem neuerlichen Urteil. „Die Schaffung dieses Präzedenzfalls war aus unserer Sicht Ziel des Kontrollausschusses. Das Gericht ist vom VfL Bochum und vom Kontrollausschuss aufgefordert worden, ein politisches Signal zu senden. Dies war nur möglich unter fehlerhafter Anwendung der Rechts- und Verfahrensordnung“, behauptet der Präsident der Köpenicker, der für ein Wiederholungsspiel am gleichen Ort, also im Stadion an der Alten Försterei, plädiert.

Hecking lehnt Wiederholungsspiel ab

Das fände VfL-Trainer Dieter Hecking selbstverständlich gar nicht gut. „Das würde ich nicht akzeptieren können. Dann müssten wir sogar unseren gewonnenen Punkt aufs Spiel setzen“, sagte er bei seinem Besuch im Sportstudio und wurde deutlich: „Wenn Spieler oder Schiedsrichter beworfen werden dürfen, ohne dass es Folgen hat, dann können wir den Laden schließen.“ Weniger emotional, inhaltlich aber sehr ähnlich sieht es DFB-Bundesrichter Riedmeyer: „Eine von außen verursachte Verletzung eines gegnerischen Spielers darf nicht dazu führen, dass der Verursacher daraus einen möglichen Vorteil durch ein Wiederholungsspiel ziehen kann.“ Klar ist mittlerweile: Der Schiedsrichter hätte die Partie abbrechen müssen. Der Nichtangriffspakt, auf den sich die beiden Teams geeinigt haben, war unzulässig.

Dass der VfL um die Punkte am grünen Tisch kämpft, sei nur allzu logisch, erklärt Geschäftsführer Kaenzig: „Es tut uns leid für den Fußball. Aber es ist unsere Pflicht, die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Das erwarten auch die Mitglieder und unsere Fans von uns. Ich unterstelle, dass jeder andere Verein auch so handeln würde. Jeder versucht, seine Position bestmöglich darzulegen und sieht sich sicherlich auch im Recht“, sagte Kaenzig kurz nach der zweiten Urteilsverkündung mit seiner ihm typischen Gelassenheit und war bemüht darum, die Emotionen aus dem Spiel zu nehmen: „Unter den Funktionsträgern wird es kein böses Blut geben. Wir stehen alle nur für unsere Sache ein.“ Viele Fans sehen das anders, und so dürfte Kaenzig auch in den kommenden Wochen wieder Post aus Berlin erhalten.


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(Foto: Imago / Eibner)

0:1 gegen Hoffenheim

VfL patzt vor harten Wochen: Gefällig, aber mit Gefälle

Timo Horn wusste sofort, was er falsch gemacht hat. Nach dem spielentscheidenden Treffer von Hoffenheims Tom Bischof fasste sich der Bochumer Schlussmann direkt an den Kopf. Einen eigentlich harmlosen und haltbaren Schuss aus gut 20 Metern lenkte der Keeper unglücklich ins eigene Tor. Horn, der erst kürzlich von Trainer Dieter Hecking zur neuen Nummer eins gekürt wurde, hatte somit einen beträchtlichen Anteil an der unglücklichen 0:1-Heimniederlage. Denn der VfL war keineswegs die schlechtere Mannschaft, im Gegenteil: Die Hecking-Elf war leidenschaftlicher, dynamischer, defensiv kompakter und körperlich präsenter als die TSG. „Unsere Leistung war in Ordnung, wir waren besser, müssen dann aber auch Tore erzielen“, übte der erfolglose Philipp Hofmann vermutlich auch etwas Selbstkritik.

Mehrere Ausfälle

Vor allem die Drangphase zu Beginn der zweiten Hälfte blieb ohne Ertrag. Die Bochumer Torabschlüsse waren entweder zu harmlos oder wurden im letzten Moment geblockt, mitunter zögerten einige Spieler auch zu lange. Obwohl der VfL wie auch die TSG auf vier Stammkräfte verzichten musste, bestätigte der Revierklub seine positive Entwicklung der vergangenen Wochen, zumindest in der Abwehr. Die kurzfristigen Ausfälle von Ivan Ordets (Hüftprobleme) und Erhan Masovic (krank) fielen nicht ins Gewicht. Am ehesten wurde noch Gerrit Holtmann (Muskelfaserriss) mit seiner Schnelligkeit vermisst. Hecking setzte in seiner gewohnten 5-3-2-Formation stattdessen auf Jakov Medic, Felix Passlack und Maximilian Wittek. Sie fügten sich nahtlos in das Team ein und ließen kaum Torchancen zu.

Joker helfen nicht

Das Ergebnis passt jedoch zum generellen Trend und untermauert das Leistungsgefälle zwischen Abwehr und Angriff: Zehn von 15 Partien unter der Leitung von Dieter Hecking endeten für den VfL mit höchstens einem Gegentreffer. Umgekehrt erzielte seine Mannschaft in dieser Zeit durchschnittlich weniger als ein Tor pro Spiel. In fast jeder zweiten Partie blieben die Bochumer ohne eigenen Treffer. Top-Torjäger Myron Boadu wird spätestens übernächste Woche gegen Frankfurt ins Team zurückkehren. Holtmann hingegen könnte auch die nächsten beiden Spiele verpassen. In der Offensive fehlen gleichwertige Ersatzspieler, das hat die Schlussphase gegen Hoffenheim abermals bestätigt. Keiner der Eingewechselten, darunter Dani de Wit, Koji Miyoshi und Moritz Broschinski, sorgte für entscheidende Impulse.

Zu oft ohne Treffer

Das erklärt zum Teil auch die Tatsache, dass der VfL schon gegen Augsburg, Bremen und Freiburg mit 0:1 verlor, obwohl er in diesen Partien nicht die schwächere Mannschaft war. Gegen Hoffenheim wiederholte sich dieser Verlauf. „Das ist Abstiegskampf. Solche Rückschläge werden wir immer in Kauf nehmen müssen“, sagte Hecking nach dem Kellerduell, in dem sich die Hoffenheimer mit acht Punkten Vorsprung nun klar vom VfL distanziert haben. Eingerechnet sind dabei schon die Punkte, die den Bochumern am Freitagabend vom DFB-Bundesgericht im Rechtsstreit mit Union Berlin zugesprochen wurden. Das Urteil ist noch anfechtbar, die Köpenicker werden vor das Schiedsgericht der Lizenzligen ziehen. Dass das in zweiter Instanz bestätigte Urteil noch einmal gekippt wird, ist aber ziemlich unwahrscheinlich.

Samstag in München

Die Bochumer stehen momentan also auf dem Relegationsplatz, zwei Punkte vor den an diesem Wochenende erneut erfolglosen Heidenheimern und nur vier Punkte hinter St. Pauli auf dem rettenden Ufer. Dass der VfL dieses bereits in den kommenden Wochen erreicht, wäre eine Überraschung. Am kommenden Samstag geht es zum FC Bayern, die nachfolgenden Gegner heißen Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen und VfB Stuttgart. „Das ist ein schweres Programm“, weiß nicht nur VfL-Verteidiger Bernardo, aber: „Wir haben da keinen Druck und können nur positiv überraschen.“ Hinter Bernardo wird übrigens weiter Timo Horn das Bochumer Tor hüten. Trainer Hecking hat ihm vor etwas mehr als einer Woche das Vertrauen geschenkt und plant bis zum Saisonende keinen weiteren Torwartwechsel. 


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(Foto: Imago / Sven Simon)

Debatte

VfL-Kolumne: Bochum darf auf Fünf-Punkte-Woche hoffen

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Das anstehende Urteil des DFB-Bundesgerichts.

Das hat es in der Bundesliga-Geschichte noch nie gegeben. Innerhalb von gut 30 Stunden kann der VfL Bochum in dieser Woche fünf Punkte holen. Wie das gehen soll? Am Freitag könnten dem Revierklub endlich und vielleicht endgültig die zwei fehlenden Punkte aus dem Skandalspiel bei Union Berlin zugeschrieben werden. An diesem Tag befasst sich das DFB-Bundesgericht als letzte Instanz innerhalb des Verbandes mit dem Einspruch der Berliner gegen das Urteil von Anfang Januar, als das Sportgericht dem VfL einen Sieg zugesprochen hat.

Die Geschichte rund um den Feuerzeugwurf ist hinlänglich bekannt und muss an dieser Stelle nicht ein weiteres Mal erzählt werden. Doch die Berliner wollen das Urteil nicht akzeptieren und setzen auf eine andere Entscheidung im Berufungsverfahren, dem sich Holstein Kiel und der FC St. Pauli angeschlossen haben. Die Berliner hoffen zumindest auf ein Wiederholungsspiel und sind bereit, im Zweifel auch noch das Ständige Schiedsgericht der Lizenzligen anzurufen. Es wäre eine Instanz außerhalb der Rechtswege des DFB.

Läuft für den VfL hingegen alles nach Plan, dann würden die Bochumer auf den Relegationsplatz klettern. Das erste Etappenziel wäre damit erreicht. Mehr noch: Auch die direkten Nicht-Abstiegsplätze wären bei noch elf ausstehenden Spielen wieder in Sichtweite. Der Rückstand auf den FC St. Pauli würde nur noch vier Punkte betragen, auf die TSG Hoffenheim wären es fünf. Passenderweise kommen die Kraichgauer am Samstag ins Ruhrstadion. Es ist nicht die letzte, aber eine besondere Gelegenheit, sogar den unmittelbaren Klassenerhalt wieder ins Visier zu nehmen und die ohnehin schon zurückgekehrte Abstiegskampf-Euphorie weiter zu befeuern.

Zugleich wäre die Fortsetzung des Aufwärtstrends ein Signal an alle Fans in Berlin-Köpenick, St. Pauli und Kiel, dass der VfL in der Tabelle nicht zwingend auf die Punkte am Grünen Tisch angewiesen ist. Denn wenn die Bochumer am Saisonende nur wegen einer Gerichtsentscheidung in der Bundesliga bliebe, würde das nur zu ausufernden Diskussionen und einem vergifteten Klima führen, wodurch der VfL außerhalb von Bochum unverschuldet Sympathiepunkte verlieren könnte.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Präsidium

Von „Einheit“ keine Spur: Villis lehnt Ehrenvorsitz ab

Manchmal muss nur etwas Zeit vergehen, ehe bestimmte Aussagen als unehrlich enttarnt werden, weil sie mit den Handlungen nicht übereinstimmen. In einem Mitgliederbrief hatte sich das Präsidium des VfL Bochum im November 2024 noch selbst als „Einheit“ bezeichnet. Auch von „Vielfalt und Zusammenhalt“ innerhalb des Gremiums war die Rede, obwohl es schon zu diesem Zeitpunkt erhebliche Risse in der Beziehung zwischen einzelnen Mitgliedern gab. Uwe Tigges, Martin Volpers, Christina Reinhardt und Andreas Eickhoff sollen bereits im Oktober 2024 die interne Abwahl von Hans-Peter Villis, dem langjährigen Vorsitzenden, geplant haben. Gegenüber Tief im Westen – Das VfL-Magazin dementierten zwei von ihnen dieses Vorhaben, das am 27. Januar 2025 schließlich doch umgesetzt wurde.

Da musste auch der VfL verkünden, dass das „notwendige gegenseitige Vertrauen“ unter der Führung von Villis „nicht mehr gewährleistet ist.“ Wochenlang hieß es, Villis könne nach Beendigung seiner Auszeit – die er zur Verhinderung einer früheren Abwahl eingelegt hatte – wieder in sein Amt zurückkehren. Als er Ende Januar genau dies tat, erfolgte prompt die Abwahl. Villis wurde nach mehr als zwölf Jahren als Klubvorsitzender von den eigenen Gremiumskollegen gestürzt, bleibt dem Präsidium aber mindestens bis zur Neuwahl am 14. Juni mit Stimmrecht erhalten. An der Klubspitze steht nun Uwe Tigges, der bisherige Stellvertreter von Villis, unterstützt von Martin Volpers und Christina Reinhardt. Sie werfen Villis, so übermitteln es Dritte, Alleingänge und die Missachtung von Absprachen vor. 

Wiederkehrende Villis-Kritik

Derartige Kritik an Villis ist nicht neu. Schon Ende 2017 gab es innerhalb des Präsidiums erstmals einen großen Knall, als sich mit Frank Goosen und Matthias Knälmann zwei Gremiumsmitglieder vor allem wegen Villis verabschiedeten. Finanz-Geschäftsführer Wilken Engelbracht verließ den Klub ebenfalls. Auch der frühzeitige und freiwillige Abschied von Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz nach dem Klassenerhalt 2022 wurde klubintern immer wieder Villis angelastet. Dies führte auch zur Kandidatur des langjährigen Mannschaftsarztes Karl-Heinz Bauer bei der Präsidiumswahl nur wenige Monate später, als Villis bei einem Mitgliedervotum aber erneut triumphierte. Seine einstiegen Mitstreiter Tigges, Volpers, Reinhardt und Eickhoff sind nun jedoch zu seinen Widersachern geworden.

Villis will aktuell keinen Kommentar zu den Vorkommnissen abgeben, er verweist auf eine Vereinbarung innerhalb des Präsidiums, dass niemand mit Details an die Öffentlichkeit geht. Auch die übrigen Gremiumsmitglieder wollen sich zur Abwahl nicht weiter äußern, teilte ein Vereinssprecher auf Anfrage mit. Klar ist aber: Villis will die verlorene Machtposition im Juni zurückgewinnen und dafür ein neues Team aufstellen. Seine Kritiker hatten noch im Januar versucht, ihm einen eleganten Abschied zu ermöglichen und vorgeschlagen, ihn zum Ehrenvorsitzenden zu ernennen. Mehrere einflussreiche Personen – darunter Vertreter der Lokalpolitik – wurden damit beauftragt, Villis von dieser Idee zu überzeugen. Ohne Erfolg. Villis erkannte darin in erster Linie den Versuch, ihn schnellstmöglich loszuwerden.

Erschwerte Sportchef-Suche

Denn auch Tigges und Reinhardt wollen mit einem Team wieder antreten. Dass sie nicht von Beginn an mit offenen Karten gespielt und Mitgliedern wie Medien die Unwahrheit gesagt haben, lässt Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen und gibt ihnen nicht den Rückenwind, den sie sich für die selbst ausgerufene Neuwahl vielleicht erhofft haben. Dass die Mitglieder erst im Juni über ihre neue Klubspitze entscheiden dürfen, sorgt für weitere Kritik. Die Ultras fordern eine frühere Ansetzung. Das jetzige Präsidium wiederum bevorzugt den Termin im Juni, weil dann die laufende Saison beendet und die neue noch nicht begonnen hat. Zudem verweist der VfL auf die Wahl des Fanvertreters, die vorher stattfinden müsse und aufgrund eines neuen Wahlverfahrens nicht früher organisiert werden könne.

Die lange Vorlaufzeit führt natürlich dazu, dass das jetzige Präsidium noch wichtige Zukunftsentscheidungen trifft, etwa den neuen Sportchef auswählen wird, der spätestens im März kommen soll. Maßgeblich beteiligt an der Suche ist Geschäftsführer Ilja Kaenzig, der nach Präsidiumsangaben auch dann Hauptverantwortlicher des VfL bleiben soll, wenn der neue Sportchef ebenfalls zum Geschäftsführer ernannt wird. Dass dieser allerdings nicht weiß, wer aus dem jetzigen Präsidium auch in Zukunft noch Teil der Vereinsspitze sein wird, erschwert die Suche. Mehrere Kandidaten sollen überaus skeptisch sein, weil sie nicht wissen, ob Vereinbartes in wenigen Monaten schon wieder hinfällig ist. Und Kaenzig? Wie er über die Vorgänge im Präsidium denkt und welchem Lager er mehr vertraut, ist bislang nicht bekannt. 


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(Foto: Imago / RHR-Foto)

1:1 in Wolfsburg

Pinguine und ein Punkt: Bochum ist wieder konkurrenzfähig

Schon fast 10.000 Kilometer legten die Allesfahrer des VfL Bochum in dieser Saison zurück, ohne dass sie einen Auswärtssieg ihrer Mannschaft in der Bundesliga oder im DFB-Pokal sahen. Das ist umgerechnet einmal die Strecke von Bochum nach Kalifornien. An diesem Wochenende fehlten nur knapp zehn Minuten, um die erhofften drei Zähler endlich zu bejubeln. Erst in der Schlussphase erzielte Wolfsburgs Mattias Svanberg unter Mithilfe von Ivan Ordets den 1:1-Ausgleich. Zuvor hatte Erhan Masovic die Bochumer verdientermaßen in Führung gebracht – mit dem ersten Tor nach einer Ecke unter Trainer Dieter Hecking. Der Innenverteidiger herzte anschließend vor allem Cristian Gamboa, der nach Auskunft seiner Mitspieler genau diesen Torschützen am Frühstückstisch im Teamhotel vorhergesagt hatte.

Fast wie daheim

Hätte Gamboa auch das Ergebnis richtig prognostiziert, dann wäre nur noch die Frage zu beantworten gewesen, ob die Bochumer dieses Ergebnis so unterschrieben hätten – angesichts der Auswärtsbilanz vermutlich schon. Dabei hat der VfL aus Bochum im Vorfeld der Partie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um auch in der Fremde endlich feiern zu können. Die Mannschaft hat ihre reisefreudigen Anhänger am Morgen mit Getränken und Snacks versorgt, stellvertretend übergeben von Myron Boadu und Felix Passlack, die angeschlagen nicht mit nach Wolfsburg reisen konnten. Mehr als 2.500 Bochumer haben ihr Team mit nach Niedersachsen begleitet, darunter viele Mitarbeiter der Geschäftsstelle. „Es hat sich teilweise wie ein Heimspiel angefühlt“, schwärmte Torwart Timo Horn, die neue Nummer eins der Hecking-Elf.

Horn rettet früh

In seinem zweiten Pflichtspiel für den VfL verhinderte er wie gegen Dortmund den frühen Rückstand, parierte stark gegen Mohamed Amoura. Beim Gegentreffer wurde Horn von Torschütze Svanberg bedrängt, sah dadurch etwas unglücklich aus. Dazwischen hatte der Schlussmann nur wenig zu tun. Die Bochumer ließen die ungewohnt fahrigen Gastgeber kaum zur Entfaltung kommen. Das Team von Trainer Hecking, im Vergleich zum Derbysieg personell unverändert, hatte nach einer unsicheren Anfangsphase die besseren Torchancen, unter anderem durch den erneut agilen Georgios Masouras. Nur gegen Ende wurde Wolfsburg gefährlicher. Erst traf Amoura ins Bochumer Tor, doch Schiedsrichter Timo Gerach nahm den Treffer nach einem VAR-Eingriff wegen eines Foulspiels zu Recht zurück.

Später Ausgleich

Schließlich ließ Svanberg die Wölfe doch noch jubeln. „Wir haben am Ende zu tief verteidigt“, merkte Bochums Bernardo kurz nach Abpfiff kritisch an und konnte das Ergebnis zu diesem Zeitpunkt noch nicht richtig einordnen: „Es ist ein komisches Gefühl. Das Unentschieden geht in Ordnung, und ich freue mich über den Punkt, aber wir hatten gute Chancen, sogar zu gewinnen. Denn wir haben eine der besten Auswärtsleistungen gezeigt, weil wir mutig aufgetreten sind.“ Timo Horn pflichtete ihm bei, sah ein „gerechtes 1:1“ und ein „gutes Auswärtsspiel“, in dem der VfL seine Konkurrenzfähigkeit erneut bewiesen hat. In der Rückrunde hat der Revierklub bereits gegen drei Anwärter auf die Europapokal-Plätze gepunktet. „Für viele waren wir schon abgestiegen. Aber wir sind wieder voll da“, bekräftigte Horn.

VfL auf Platz 16

Der Keeper ist davon überzeugt, dass „wir mit dieser Mentalität die Klasse halten.“ Dass die Mannschaft zusammenhält, hat sie unter anderem nach Masovic‘ Führungstreffer bewiesen. Spieler, Trainer und Betreuer jubelten gemeinsam. Einige von ihnen packten sogar den Pinguin-Jubel aus, der in der NFL seinen Anfang nahm und sich allmählich auch im Fußball etabliert hat. Dabei watschelt vor allem der Torschütze wie ein Pinguin über den Rasen. Langsamen Schrittes nähert sich der VfL unterdessen auch dem rettenden Ufer. Das erste Etappenziel ist fast erreicht, die Bochumer trennt nur noch das schlechtere Torverhältnis vom Relegationsplatz. Und am kommenden Wochenende empfangen sie ausgerechnet die TSG Hoffenheim, die sieben Punkte entfernt auf einem direkten Nicht-Abstiegsplatz steht.


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(Foto: Imago / Christian Schroedter)

Wiederkehrendes Problem

Verstärkung auf Zeit: Kauf von Leihspielern ist oft utopisch

Es hat nicht lange gebraucht, ehe sich Tom Krauß in Bochum eingelebt hat. Schon während des Spiels gegen Borussia Dortmund nahm der 23-Jährige Kontakt zu den VfL-Fans auf und ermunterte sie mit Gesten, sich von ihren Plätzen zu erheben. Nach dem Abpfiff tanzte der Wegbereiter der 1:0-Führung mit seinem Teamkollegen auf dem Rasen und ging bei den Feierlichkeiten voran. Vergleiche mit ehemaligen Spielern sind zwar oftmals schwierig, doch schon jetzt erinnert Krauß an Elvis Rexhbecaj, der vor gut drei Jahren mit seiner emotionalen Art und seiner engagierten Spielweise zum Bochumer Publikumsliebling avancierte. Krauß, den Trainer Dieter Hecking für seine „positive Aggressivität“ schätzt, agiert ganz ähnlich. Dazu gibt es weitere Gemeinsamkeiten: Krauß und Rexhbecaj spielen beide im zentralen Mittelfeld, und: Sie sind als Leihspieler an die Castroper Straße gekommen. 

15 Leihspieler seit Aufstieg 2021

Das wiederum ist in Bochum längst nicht mehr ungewöhnlich. Insgesamt 15 Spieler wechselten seit dem Wiederaufstieg vor gut dreieinhalb Jahren auf Leihbasis zum VfL. Eduard Löwen, Konstantinos Stafylidis und Elvis Rexhbecaj machten den Anfang. Saidy Janko, Ivan Ordets, Dominique Heintz, Marko Johansson, Pierre Kunde und Keven Schlotterbeck kamen in der folgenden Saison hinzu. Es folgten Goncalo Paciencia und erneut Schlotterbeck vor dem dritten Bundesliga-Jahr, ehe Jakov Medic, Myron Boadu und Aliou Balde im vergangenen Sommer ausgeliehen wurden. In diesem Winter fanden zudem Tom Krauß und Georgios Masouras auf Leihbasis den Weg zum VfL. Die Logik dahinter ist eine ganz einfachere: Es handelt sich um Spieler, die aufgrund ihrer Vertragssituation ansonsten nicht zu bezahlen wären, den Kader aber potenziell verstärken.

Nur zwei Spieler blieben länger

Gelungen ist das freilich nicht immer, das zeigt das Beispiel Balde, dessen Vertrag die Verantwortlichen nach wenigen Monaten schon wieder aufgelöst haben. Mitunter waren ordentliche Ansätze zu erkennen, wie bei Löwen, Kunde oder Paciencia, zu Leistungsträgern entwickelten sich diese Spieler aber nicht. Rexhbecaj, Stafylidis, Ordets und Schlotterbeck schlugen dagegen voll ein, passten nicht nur sportlich, sondern auch menschlich zum VfL. Bei Stafylidis gelang eine Weiterverpflichtung ebenso wie bei Ordets, dessen Vertragssituation aufgrund des Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine allerdings eine sehr spezielle war. Auch Rexhbecaj und Schlotterbeck wären gerne geblieben, weckten aber das Interesse anderer Klubs. Die fällige Ablöse wollte oder konnte der VfL nicht zahlen. In beiden Fällen sicherte sich der FC Augsburg ihre Dienste. 

Kaufsumme für Boadu zu hoch

Aus Bochumer Sicht ist zu befürchten, dass es in diesem Jahr nicht wesentlich anders laufen wird. Logisch, im Falle eines Abstiegs wären Boadu, Masouras, Krauß und Medic ohnehin nicht zu halten. Aber selbst bei einem erneuten Ligaerhalt dürfte es kompliziert werden. Für Boadu besitzt der VfL zwar eine Kaufoption, die für einen hohen einstelligen Millionenbetrag gezogen werden könnte. Eine derartige Summe ist für den Revierklub aber nicht ansatzweise zu stemmen. Allenfalls kann der VfL darauf hoffen, dass Boadu schnell fit wird und bis zum Saisonende derart überzeugt, dass ein anderer Klub bereit ist, noch mehr zu zahlen als der VfL an die AS Monaco überweisen müsste. Medic hingegen hat bislang nur selten überzeugt, weshalb die Kaufsumme von rund 2,5 Millionen Euro, die mit Ajax Amsterdam vereinbart wurde, ebenfalls zu hoch sein dürfte.

Gehaltshöhe ist oft das Problem

Bei Krauß und Masouras müsste komplett neu verhandelt werden. In beiden Fällen hat sich der VfL keine (realistische) Kaufoption sichern können. Krauß besitzt noch einen bis 2027 gültigen Vertrag bei Mainz 05, Masouras ist bis 2027 an Olympiakos Piräus gebunden. Bei ihnen hängt es stark von der Planung ihrer Stammvereine und von möglichen Konkurrenz-Angeboten ab, ob ein Verbleib vielleicht doch noch im Rahmen der Bochumer Möglichkeiten liegen könnte. Dabei geht es nicht nur um die Ablösesumme, sondern auch um das Gehalt, das der abgebene Verein bei einer Leihe zum Teil noch mitfinanziert. Doch bis zu diesen Verhandlungen ist es noch ein weiter Weg. Gewiss ist nur: Überzeugen Krauß und Masouras auch in den kommenden Wochen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der VfL erstklassig bleibt. Damit hätten sie ihren Kernauftrag als Leihspieler bereits erfüllt.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Horn liefert Argumente für Torwartwechsel

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Besetzung der Torwart-Position.

Starten wir mit einer Quizfrage: Welcher aktuelle VfL-Profi hat die meisten Bundesliga-Spiele absolviert? Richtig ist: Timo Horn. Der 31-Jährige hat für den 1. FC Köln 201 Partien im Fußball-Oberhaus bestritten. Beim Sieg gegen Dortmund kam der erste Einsatz im Bochumer Dress dazu.

Dabei erfüllte Horn die Anforderungen von Trainer Dieter Hecking in Gänze. Der Fußballlehrer hatte vor dem Derby noch gescherzt, dass er „keine Wunderdinge“ von seinem Ersatzkeeper erwarte, „außer ein Spiel zu Null.“ Logisch also, dass Hecking den Drewes-Vertreter nach dem 2:0-Erfolg für seine souveräne Leistung lobte. Die Nachfrage, ob Horn nun dauerhaft im Tor bleiben könnte, ließ er jedoch unbeantwortet. Neu ist die Torwart-Diskussion in Bochum bekanntlich nicht, sie wurde durch den krankheitsbedingten Ausfall von Patrick Drewes und der abgeklärten Vorstellung von Timo Horn lediglich wieder entfacht.

Ja, schwerwiegende Patzer gab es von Drewes kaum. Aber als Matchwinner ist er bislang nicht in Erscheinung getreten. Drewes ist fußballerisch und im Eins-gegen-Eins schwächer als Vorgänger Riemann, auch die Strafraumbeherrschung ist nicht seine Paradedisziplin. Gerade im Abstiegskampf stehen die Torhüter regelmäßig unter Beschuss. Deshalb ist die möglichst optimale Besetzung dieser Position von zentraler Bedeutung. Die hat der VfL bereits im Sommer verpasst, als er Optionen wie Gladbachs Moritz Nicolas ablehnte oder auf Kölns Marvin Schwäbe nicht länger warten wollte.

Nun muss sich Hecking zwischen Drewes und Horn entscheiden. Der Herausforderer hat bei seinem VfL-Debüt definitiv Argumente in eigener Sache gesammelt – wenngleich ein einziges Spiel als Bewertungsgrundlage relativ dünn ist. Und klar ist auch: Die etatmäßige Nummer eins spielen zu lassen, ist für den Coach einfacher, weil ein Torwartwechsel zu einem späteren Zeitpunkt immer noch möglich wäre. Dem Stammkeeper jetzt das Vertrauen zu entziehen, wäre nicht ohne Risiko, weil eine Rolle rückwärts kaum möglich wäre. Dass Torhüter traditionell anders bewertet und deutlich seltener gewechselt werden als Feldspieler, ist ohnehin ein diskutables Prinzip.


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