1:3-Niederlage gegen Wolfsburg

Weiter mit Zeidler: Ominöse Fortschritte und trotzdem Letzter

Keine zwei Minuten lagen zwischen den womöglich entscheidenden Spielszenen an diesem sonnigen Samstagnachmittag, in dessen Verlauf zunehmend dunkle Wolken aufzogen – zumindest im übertragenen Sinne. Erst nahm Schiedsrichter Max Burda nach Intervention des Video-Assistenten einen Handelfmeter für den VfL Bochum zurück, kurz darauf erzielte Tiago Tomas die Führung für die Gäste. Die am Ende verdiente 1:3-Niederlage lässt den Revierklub in eine tiefe Krise schlittern. Sechs Niederlagen in sieben Pflichtspielen und ein mühsam erkämpftes Unentschieden gegen Liga-Neuling Holstein Kiel sind nach jetzigem Stand die Bilanz eines Absteigers. Die Stimmung im Umfeld schlägt um oder ist schon gekippt. Die Frage ist: Welche Konsequenzen folgen aus dem Fehlstart?

Kein Trainerwechsel

Nach der insgesamt enttäuschenden Leistung gegen keineswegs überragende Wolfsburger muss Trainer Peter Zeidler wohl erst einmal nicht um seinen Job fürchten – anders als es von zahlreichen Fans in den sozialen Netzwerken vermutet oder gefordert wird. Sportdirektor Marc Lettau sprach dem 62-Jährigen am Samstagabend zwar keine Jobgarantie aus, sagte aber deutlich: „Wir werden heute sicherlich keine Trainerdiskussion führen, auch nicht morgen oder übermorgen.“ Möchte Lettau seine Glaubwürdigkeit nicht verlieren, dann wird Peter Zeidler auch in zwei Wochen auswärts in Hoffenheim auf der Bank sitzen. Lettaus Aussage speist sich offenkundig aus der Überzeugung, dass sich die Mannschaft positiv entwickelt. Auch Peter Zeidler sah abseits des Resultats „etliche Fortschritte“. Nur welche?

Drei Gegentreffer

Wirklich konkret wurde er auf Nachfrage nicht, nannte einzig „die ersten 20 Minuten, wie wir da aufgetreten sind.“ Die Bochumer ließen hinten noch nichts zu, wurden nach vorne aber kaum gefährlich. Auch Lettau sah lange Zeit „eine mannschaftliche Kompaktheit“, die erst gegen Ende verloren gegangen sei. Drei Gegentore und drei Wolfsburger Aluminiumtreffer lassen eine nennenswerte Weiterentwicklung faktisch allerdings noch nicht erkennen. Immer wieder ließ sich die Zeidler-Elf auf einfachste Art und Weise auskontern, bot den Gästen viel zu große Räume. Und offensiv? „Wir haben uns deutlich mehr Chancen erspielt“, stellte Lettau im Vergleich zu den vergangenen Partien fest, sah „das Momentum aber nicht auf unserer Seite.“ Damit meinte er womöglich auch die Schiedsrichter-Entscheidungen.

Schiri im Fokus

Den Bochumer Handelfmeter zurückzunehmen, war nachvollziehbar, ebenso wie nach dem Foul von Sissoko im eigenen Strafraum auf den Punkt zu zeigen. Dass Ivan Ordets kurz vor dem 0:2 gefoult worden war, hatte Bundesliga-Debütant Max Burda allerdings übersehen. Erst mit dem Anschlusstreffer durch Myron Boadu kam die Hoffnung zeitweise zurück, wobei eine echte Schlussoffensive ausblieb. Zeidler wechselte zwei frische Offensivkräfte nach gut einer Stunde ein, drei weitere erst nach dem 1:3 – zu spät. Individuell verdiente sich beim VfL fast keiner eine gute Note. Rückkehrer Ivan Ordets konnte mit dem Tempo der Wolfsburger kaum mithalten; Ibrahima Sissoko und Dani de Wit, die beiden vermeintlichen Königstransfers, enttäuschten nicht zum ersten Mal. Generell fehlt im Mittelfeld die Kreativität.

Wieder mit Raute

Im Grunde gibt es da nur zwei Optionen: Entweder reicht die Qualität nicht aus, oder der Trainer schafft es nicht, sie zur Geltung zu bringen. Zeidler ließ seine Mannschaft auch gegen Wolfsburg in einer Mittelfeldraute agieren; ein System, auf das derzeit kein anderer Bundesligist setzt. Es sorgt einerseits für ein kompaktes Zentrum, andererseits für Probleme auf den Flügelpositionen. Die Außenverteidiger müssen Defensiv- und Offensivaufgaben oft zeitgleich erfüllen, was Felix Passlack und Maximilian Wittek bisweilen sichtbar überfordert. Das war gegen Wolfsburg nicht anders – und muss in der nun anstehenden Bundesliga-Pause und anschließend gegen die TSG Hoffenheim dringend behoben werden. Eine Aufgabe, die der Klub offensichtlich weiter in die Hände von Peter Zeidler legt.


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(Foto: Imago / Nordphoto)

Debatte

VfL-Kolumne: Große Diskrepanz in der Wahrnehmung

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die jüngsten Aussagen der Verantwortlichen.

Im Fußball gehen die Meinungen bekanntlich oft auseinander. Doch die Fakten sind eindeutig: Der VfL Bochum ist Tabellenletzter und wettbewerbsübergreifend sieglos in dieser Saison. In rund 100 Tagen ist es Trainer Peter Zeidler nach meinem Dafürhalten noch nicht gelungen, die neue Bochumer Mannschaft zu einer funktionierenden Einheit zu formen. Offensiv mangelt es an Kreativität, die Flügel sind allzu oft verwaist, die Raute im Mittelfeld ist eher ein Problem als die große Lösung. Defensiv ist die Konteranfälligkeit seit der Vorbereitung ein Problem, individuelle Fehler und Tempodefizite kommen noch hinzu. Da verwundert es schon, wenn Zeidler und Sportdirektor Marc Lettau nach fast jedem Spiel – ganz besonders nach der Partie gegen Wolfsburg – über angebliche Fortschritte philosophieren. Zumindest der Trainer erkannte „etliche“ davon, konkret benennen konnte oder wollte er sie aber nicht.

Vielleicht haben meine Gesprächspartner und ich am Samstag ein anderes Spiel gesehen. Vielleicht hatte ich mit meinen Journalistenkollegen, mit zwei Ex-Profis und vielen leidgeprüften Fans auch einfach die falschen Gesprächspartner. Aber zu einer derart positiven Bewertung der Bochumer Leistung ist – ohne Vereinsbrille – praktisch keiner von uns gekommen. Die Diskrepanz in der Wahrnehmung zwischen den Verantwortlichen und Außenstehenden ist jedenfalls ziemlich groß.

Wie auch immer: Nehmen wir mal an, Zeidler und Lettau liegen richtig. Das bedeutet ja im Umkehrschluss, dass diese Fortschritte immer noch nicht ausreichen, um ein Bundesliga-Spiel zu gewinnen. Oder zumindest einen Punkt zu holen. Das wäre ziemlich erschreckend und deutet darauf hin, dass es in Summe immer noch viel zu viele Mängel gibt. Für den weiteren Saisonverlauf verheißt das nichts Gutes. Die Erfahrung lehrt: Nur wenn die Verantwortlichen in ihrer Analyse schonungslos ehrlich und auch selbstkritisch sind, kann die Wende gelingen. Beides ist beim VfL zumindest von außen nicht zu erkennen. Die einzige Hoffnung besteht darin, dass hinter verschlossenen Türen ganz anders gesprochen wird. Was angesichts der öffentlichen Schönfärberei allerdings genauso irritierend wäre.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Erstes Tor erzielt

Zehner statt Achter: Neuzugang de Wit will offensiver spielen

Am vergangenen Wochenende wurde Dani de Wit zu einer Art Groundhopper. Freitags gastierte er mit dem VfL Bochum im Dortmunder Westfalenstadion. Der 26-Jährige erzielte sein erstes Pflichtspieltor, traf zur zwischenzeitlichen 2:0-Führung. Der Ausgang des Spiels ist bekannt. Allzu sehr konnte sich de Wit über den Treffer deshalb nicht freuen. Auch zwei Tage später war das Ergebnis aus seiner Sicht enttäuschend. Er sah eine 1:2-Niederlage von AZ Alkmaar gegen den FC Utrecht. Für de Wit war es dennoch ein besonderer Tag. In der Halbzeitpause wurde er offiziell von seinem Ex-Klub verabschiedet und ließ sich von den Fans feiern, die ihren ehemaligen Leistungsträger offensichtlich vermissen. Fünf Jahre hat de Wit das Trikot von AZ Alkmaar getragen, bevor er in diesem Sommer zum VfL Bochum gewechselt ist.

Wunschkandidat seit dem Winter

Monatelang hatte sich Sportdirektor Marc Lettau um die Dienste des Mittelfeldspielers bemüht, schon im Winter gab es Gespräche für den Fall, dass Kevin Stöger den Verein früher als geplant verlassen hätte. Kurz vor dem Trainingsauftakt Anfang Juli erhielt Lettau die Zusage. „Es ist ein Spieler, um den wir hart kämpfen mussten, weil er auch andere Optionen hatte. Schnelligkeit und Hartnäckigkeit werden dann am Ende belohnt – nicht immer, aber in dem Fall schon“, erklärt Lettau. Dani de Wit kam ablösefrei nach Bochum, unterschrieb einen Vierjahresvertrag. „Für Dani de Wit ist der Wechsel zu uns mit dem Sprung in eine der Top-4-Ligen verbunden“, betont Lettau. Sein Wunschkandidat für die Mittelfeld-Zentrale hätte zum Beispiel auch in die italienische Serie A wechseln können.

Andere Stärken als Stöger

Auch deshalb sind die Erwartungen an de Wit in Bochum alles andere als gering. Schließlich gilt er als Nachfolger von Top-Scorer und Spielgestalter Kevin Stöger, obwohl die beiden gänzlich andere Spielertypen sind. Zu des Stärken des Niederländers zählen – basierend auf Daten und Berichten holländischer Kollegen – der eigene Torabschluss, seine Ausdauer, seine Kopfbälle, seine Spielintelligenz und seine körperbetonte Zweikampfführung. Das Einleiten von Chancen und Schlagen von Standards zählt im Gegensatz zu Stöger nicht zu seinen Kernkompetenzen. All das war bereits im Sommer bekannt, die bisherigen Spieleindrücke bestätigen dies nur. Wobei über allem noch die Positionsfrage schwebt. In Alkmaar war de Wit auf der Zehner-Position gesetzt. Und in Bochum?

Unterschiedliche Rollen

Zweimal, gegen Gladbach und Dortmund, positionierte ihn Trainer Peter Zeidler hinter der Doppelspitze. Gegen Freiburg und Kiel kam de Wit etwas defensiver zum Einsatz, als sogenannter Achter. In diesen beiden Partien blieb de Wit weitgehend unsichtbar, vor allem im Vorwärtsgang. In Regensburg und Leipzig hatte der Neuzugang wegen einer länderübergreifenden Rotsperre zunächst gefehlt. Im Derby gegen den BVB, als er auf seiner Lieblingsposition spielen durfte, deutete de Wit nun aber an, dass Potenzial in ihm schlummert. „Ich kann besser spielen, wenn ich offensiver und näher am gegnerischen Strafraum bin. Dann kann ich mit Toren und Assists gefährlich sein“, sagte de Wit der WAZ und hielt damit bereits vor dem Spiel ein Plädoyer für einen Einsatz auf der Zehn, wo er auch in Alkmaar überzeugt hat.

Neue Liga und Umgebung

Zehn Tore hat er dort in der vergangenen Saison erzielt, insgesamt 46 in 188 Pflichtspielen. „Er ist torgefährlich“, weiß auch Peter Zeidler und versucht, „ihn in diese Bereiche und Situationen zu bringen, um Tore zu erzielen.“ Der Fußballlehrer betont aber auch, dass de Wit defensive Aufgaben zu erfüllen hat. „Wir brauchen ihn auch als Balleroberer. Er ist ein kompletter Mittelfeldspieler.“ Quasi gesetzt bleibt de Wit in jedem Fall, unabhängig von der Position. „Er ist selbstkritisch und lernwillig“, berichtet Zeidler. Aus seiner Sicht seien Anlaufschwierigkeiten bei einem Wechsel aus der Eredivisie in die Bundesliga ohnehin normal. „Eine neue Umgebung, neue Mitspieler und eine andere Spielweise“ – Zeidler möchte seinem Schützling noch etwas Zeit geben. Auch wenn der Erfolgsdruck naturgemäß steigt.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Der Herbst könnte ungemütlich werden

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Sieglos-Serie.

Die Temperaturen sinken, die ersten Blätter fallen und abends wird es früher dunkel: der Herbst ist da. In Bochum merkt man das besonders an der Castroper Straße. Nach sechs sieglosen Pflichtspielen mit nur einem Punkt in der Bundesliga und dem Aus im DFB-Pokal weht ein rauer Wind rund um das Ruhrstadion. Ja, der Auftritt in Dortmund war zeitweise sehr ordentlich, in Summe gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass der BVB der klare Favorit mit völlig anderen Möglichkeiten ist. Aber klar ist auch: Allmählich müssen Punkte her. Zum dritten Mal in Folge hat der VfL einen Fehlstart hingelegt. Zweimal hat er den Klassenerhalt mit Ach und Krach dennoch geschafft. Das wird nicht immer gelingen.

Auch deshalb ist das anstehende Duell gegen den VfL Wolfsburg ein sogenanntes Schicksalsspiel. Es entscheidet darüber, wie ungemütlich der Bochumer Herbst werden dürfte. Auch ein Unentschieden wäre im Grunde zu wenig. Denn das Folgeprogramm mit fünf Partien gegen Europapokal-Teilnehmer in Serie deutet darauf hin, dass zwischen Mitte Oktober und Ende November, also bis zum elften Spieltag, nur wenige Zähler dazukommen werden.

Wir alle kennen die Mechanismen des Fußball-Geschäfts: Bleibt der Erfolg über eine längere Zeit aus, und ist darüber hinaus keine nennenswerte Weiterentwicklung zu erkennen, ist ein Personalwechsel auf der Trainerposition ein beliebtes Mittel, um den Negativtrend stoppen zu wollen. Verliert Peter Zeidler auch gegen Wolfsburg, wird es eng für ihn. Verdammt eng. Weil er es bislang nicht geschafft hat, ein über 90 Minuten funktionierendes Team zu formen. Wobei es unfair wäre, die Probleme auf eine Person zu reduzieren. Allein die Tatsache, dass der Trainer nur drei Monate nach seinem ersten Arbeitstag schon wieder so sehr im Fokus steht, bei vielen Fans und teilweise auch klubintern, ist besorgniserregend. Wieso schafft es der VfL Bochum nicht, einen Übungsleiter zu finden, mit dem Diskussionen dieser Art gar nicht oder erst sehr viel später aufkommen? Zumal Zeidler in diesem Kalenderjahr schon der dritte Trainer ist. Diese Frage richtet sich an das Präsidium, die Geschäftsführung und den Sportdirektor gleichermaßen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

2:4-Niederlage beim BVB

90 Minuten sind zu viel: VfL zeigt abermals zwei Gesichter

Die Zuschauer im Dortmunder Westfalenstadion trauten ihren Augen kaum – auf beiden Seiten. Die BVB-Fans waren irritiert, und die rund 8.000 Bochumer im positiven Sinne überrascht, als Dani de Wit den Ball mühelos zur 2:0-Führung einschob. Der VfL versetzte den vermeintlich übermächtigen Reviernachbarn in eine Schockstarre und ließ seine eigenen Fans Mitte der ersten Halbzeit vom Derbysieg träumen. Nach einer gelungenen Ballstafette vor dem 1:0 durch Matus Bero und einer starken Pressingaktion vor dem Tor von de Wit waren im größten Stadion der Liga nur die Gästefans zu hören. Ihr Wunsch nach einem Auswärtssieg wäre möglicherweise auch wahrgeworden, wenn Myron Boadu die riesengroße Chance zum 3:0 genutzt hätte, als er freistehend vor Torhüter Gregor Kobel daneben zielte. Kurze Zeit später und noch vor der Pause kam der BVB mit dem Anschlusstreffer zurück ins Spiel.

Führung hergeschenkt

Was danach passierte, war so erwartbar wie vermeidbar. Der VfL gab das Spiel aus der Hand, verlor nach einem Elfmetertor, einer gelungenen Dortmunder Kombination und einem Drewes-Patzer mit 2:4 und steht erneut ohne Punkte da. „Es war mehr möglich, das kann man nicht anders sehen“, sagte Trainer Peter Zeidler in seiner ersten Analyse nach der Partie. „Wir haben bewiesen, dass wir Fußball spielen wollen und können.“ Der VfL zeigte erneut zwei Gesichter – wie fast immer in dieser Saison. Auf eine in weiten Strecken überzeugende erste Halbzeit folgte eine deutlich schwächere zweite Hälfte. Das ist nicht neu, die Statistik ist eindeutig: In den ersten 45 Minuten hat der VfL bislang fünf Tore erzielt und nur zwei kassiert, in den zweiten 45 Minuten kein einziges geschossen, aber neun Gegentreffer gefangen.

Mögliches Kräfteproblem

„Die erste Halbzeit muss unser Maßstab sein“, sagte Felix Passlack nach dem Derby und meinte damit gelungene Ballbesitzphasen genauso wie die Kompaktheit in der Defensive und das immer wieder erfolgreiche Pressing. Der Außenverteidiger, der am Freitagabend zu den besten Bochumern gehörte, sah aber auch ein Leistungsgefälle: „Nach der Pause waren unsere Abstände nicht mehr so gut.“ Der VfL bot den schnellen und spielstarken Dortmundern viel zu große Räume und hatte am Ende Glück, nicht noch höher zu verlieren. Während Passlack die Frage nach einem möglichen Konditionsdefizit verneinte, haben Teamkollegen von ihm ein Kräfteproblem bereits offen thematisiert. Die Bochumer Spielweise erfordert ein dauerhaft hohes Tempo, das sich über 90 Minuten nicht aufrechterhalten lässt – auch nicht im allerbesten Fitnesszustand. Etwas pikiert reagierte Peter Zeidler auf eine entsprechende Nachfrage: „Ich kenne die Statistik. Aber daraus abzulesen, dass wir nicht fit sind, wäre oberflächlich. Ich habe gegen Dortmund keine physischen Unterschiede gesehen.“

Keineswegs chancenlos

Klar ist: Fragen wie diese werden eher zunehmen, solange der VfL unter Zeidlers Leitung nicht gewinnt und im Laufe des Spiels derart einbricht. Der Druck steigt weiter. Im Heimspiel gegen Wolfsburg muss auch für die Stimmung zwingend ein Sieg her, zumal das Folgeprogramm eher keine Erfolgsserie vermuten lässt. Immerhin: Wer dem VfL vor der Partie in Dortmund keine Gewinnchance eingeräumt hatte, sah sich am Ende getäuscht. Und: Allzu viele Wechsel und Umstellungen dürfte es diesmal nicht geben. Eigengewächs Tim Oermann sah beim Anschlusstreffer nicht gut aus, zeigte insgesamt aber eine ordentliche Leistung. Ibrahima Sissoko überzeugte in einer etwas veränderten Rolle, auch Dani de Wit steigerte sich auf der offensiveren Zehner-Position enorm. Peter Zeidler hatte erneut auf die von ihm bevorzugte Raute gesetzt, dafür aber die Startformation umgebaut.

Ohne Masovic und Daschner

Erhan Masovic und Lukas Daschner standen gegen Kiel noch in der Anfangself, in Dortmund gehörten sie beide nicht zum Kader. Masovic hatte sich schon Anfang der Woche vom Training abgemeldet, weil seine Frau das erste gemeinsame Kind erwartet; die allergrößte Motivation, sich nach der extrem frühen und beispiellosen Auswechslung gegen Kiel auf dem Trainingsplatz zu zeigen, hatte der Verteidiger wahrscheinlich ohnehin nicht. Bei Daschner, der gegen Kiel sogar zu den Torschützen zählte, bleibt die Nicht-Nominierung hingegen diffus. Zeidler nannte am Freitag keine genauen Gründe. Er habe anderen Spielern den Vorzug geben wollen, erklärte der Coach. In beiden Fällen kam Zeidlers Entscheidung einer Demontage gleich, und die Mannschaft reagierte so, wie die BVB-Fans nach dem 2:0 für den VfL: irritiert und verwundert zugleich.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Transfers und mehr

Interview: Lettau über Gerüchte, Geld und Grenzen

Als Sportdirektor verantwortet Marc Lettau die Kaderplanung und Spielertransfers des VfL Bochum. Im nachfolgenden Interview spricht er über die Herausforderungen in den zurückliegenden Monaten und darüber hinaus. Hinweis vorab: Das Interview wurde bereits vor dem Saisonstart geführt und ist zuerst im Bochumer 3satz-Verlag erschienen. Nun wurde es um weitere Aspekte ergänzt.

Herr Lettau, wie oft haben Sie sich während der zurückliegenden Transferperiode eigentlich in den sozialen Netzwerken und Internetforen umgesehen?

Auch auf Grund der intensiven Tagesplanungen eher selten, obwohl es natürlich immer einen gewissen Eindruck über die Stimmungslage gibt. Sobald Themen aber in die lokalen oder überregionalen Medien gelangen, werden sie natürlich präsenter für uns. Warum fragen Sie?

Weil in der Gerüchteküche fast täglich neue Namen von angeblichen Transferkandidaten aufgetaucht sind. Wie hoch war überhaupt die Trefferquote und inwiefern hat es Ihre Arbeit am neuen Kader beeinflusst?

Wenn man alle Plattformen zusammennimmt, war die nicht allzu hoch. Hin und wieder musste ich schmunzeln, wenn ich gelesen oder gehört, welche Spieler mit uns in Verbindung gebracht werden. Aber wir halten es so, dass wir Personalien in der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht kommentieren. Bei Top-Spieler-Personalien, die wir durch besonderen Einsatz, Kreativität oder Schnelligkeit für uns gewinnen wollen, kann uns das öffentliche Bekanntwerden allerdings auch mal die Arbeit erschweren. Dann schauen möglicherweise auch andere Klubs nochmal genauer hin, was einen Transfererfolg nicht leichter für uns macht.

Wie gehen Sie generell mit der Erwartungshaltung rund um eine Transferperiode um? Die Wünsche der Anhänger passen ja nicht immer unbedingt zu den Möglichkeiten des VfL Bochum.

Grundsätzlich steht eine gewisse Erwartungshaltung ja auch immer für emotionale Verbundenheit und Ambition. Schlussendlich muss unser eigener Anspruch, der immer am obersten Limit liegt, unsere Triebfeder sein. Wir haben in meinen Augen einen guten Weg gefunden, wie wir unsere Möglichkeiten ideal auf dem Transfermarkt zur Geltung bringen können, um eine bestmögliche Mannschaft zusammenzustellen.

Der VfL Bochum geht in sein viertes Bundesliga-Jahr in Folge. Warum musste sich der VfL auf dem Transfermarkt nach wie vor bremsen und geht mit einem ähnlichen Lizenzspieleretat in die neue Saison wie in die vergangene?

Von „bremsen“ würde ich nicht sprechen. Den VfL hat immer schon eine Seriosität und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Unsere Finanzplanung ist sehr vorausschauend. Ich führe mal beispielhaft die Neuvergabe der TV-Rechte zur Saison 2025/26 an. Wir müssen damit rechnen, dass sich unsere Einnahmen reduzieren werden. Das mussten wir bei Spielern, die wir jetzt für mehrere Jahre unter Vertrag genommen haben oder nehmen wollten, natürlich berücksichtigen.

Wie und wann kann der VfL in die Position kommen, für Neuzugänge nennenswerte Ablösesummen zahlen zu können?

Wachstum ist die Grundvoraussetzung dafür. Ein entscheidender Hebel sind Transfererlöse. Hier müssen wir im Wettbewerbsumfeld nachholen, weshalb es unser Ziel sein muss, regelmäßig substanzielle Transfererträge zu generieren. Diese benötigen wir nicht nur, um zukünftig auch selbst größere Ablösesummen investieren zu können, sondern auch um unseren Lizenzspieleretat generell zu erhöhen. Bis dahin gehen wir – noch – einen anderen Weg. Wir setzen auf ablösefreie Spieler oder erhöhen die Kaderqualität bei Bedarf und Marktchancen auch punktuell um qualitativ hochwertige Leihspieler.

Wie lässt sich das Ziel, Transfereinnahmen zu generieren, mit dem sicher vorhandenen Wunsch nach personeller Kontinuität zusammenführen?

Das eine schließt das andere nicht aus. Sprich: Transfererlöse können zur Kaderstabilität beitragen. Wenn wir einen Spieler verkaufen, kommen wir in die Situation, den Kader mit diesen Mitteln sowohl quantitativ als auch qualitativ zu stärken. Auch erhöht sich dadurch die Wahrscheinlichkeit, andere Spieler länger bei uns zu halten.

Es gab in diesem Sommer nur für den Wechsel von Patrick Osterhage zum SC Freiburg nennenswerte Transfereinnahmen. Warum haben Sie zum Beispiel die Angebote von Union Berlin für Bernardo und Moritz Broschinski abgelehnt?

Ich sagte ja, dass wir Personalien grundsätzlich nicht kommentieren. Das schließt dann auch Spekulationen um Spieler, die bei uns unter Vertrag stehen, mit ein. Grundsätzlich ist es aber so, dass Konstellationen insgesamt passen müssen. Sollten wir eine Nachfrage geweckt haben, indem wir Spieler im Kader haben, die für andere Klubs interessant sind, müssten diese mit einem entsprechenden Angebot auf uns zu kommen. Da treffen in der Regel unterschiedliche Zielvorstellungen aufeinander. Liegen sie zu weit auseinander, kommt der Transfer nicht zustande. Ein weiterer Faktor ist die zeitliche Dimension. Manche Anfragen werden sozusagen auf den letzten Drücker gestellt, was einschränkend auf die Handlungsoptionen wirken kann. Auch dann gibt es in der Regel keinen Transfer.

Trotz der eingeschränkten Möglichkeiten beim VfL ist es Ihnen gelungen, mit Dani de Wit und Ibrahima Sissoko zwei Spieler zu verpflichten, die auch lukrativere Angebote von anderen Klubs vorliegen hatten. Warum sind sie dennoch nach Bochum gewechselt, was waren Ihre Argumente?

Neben der Tradition und Emotionalität des VfL in erster Linie die sportliche Perspektive in der Bundesliga, kombiniert mit einer klaren Spielidee sowie die persönlichen und mannschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Für Dani de Wit ist der Wechsel zu uns mit dem Sprung in eine der Top-4-Ligen verbunden. Wir haben uns mit beiden Spielern monatelang beschäftigt und immer wieder mit ihnen gesprochen und auch ich persönlich habe mich sehr intensiv um sie bemüht. Es sind Spieler, um die wir hart kämpfen mussten, weil sie auch andere Optionen hatten. Schnelligkeit und Hartnäckigkeit werden dann am Ende belohnt – nicht immer, aber in diesen Fällen schon.

Die Liste der Abgänge ist lang. Auch einige Stammspieler haben den Verein verlassen, unter anderem Kevin Stöger, Takuma Asano und Keven Schlotterbeck. Warum war in diesen Fällen kein Verbleib zu realisieren, obwohl der VfL an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert war?

Wir haben alles dafür getan, damit sie bleiben. Wir hätten aber in allen drei Fällen finanzielle Grenzen zu deutlich verschieben müssen. So schwer es dann uns fällt, absolute Leistungsträger ziehen zu lassen, gehört auch das zum Wettbewerb dazu.

Vor allem bei Schlotterbeck hätten sich viele Fans eine gewisse Investitionsbereitschaft gewünscht. Warum lag ein Transfer fernab der Bochumer Möglichkeiten?

Das Gesamtpaket, bestehend aus Gehalt und Ablöse, hätte einen zu großen Teil unseres Etats in Anspruch genommen. Wir haben uns deshalb entschieden, die vorhandenen Mittel für mehr als einen Spieler einzusetzen. Anderenfalls hätten wir bei der übrigen Kaderplanung deutliche Abstriche machen müssen.

Die Anzahl der Abgänge ist insgesamt zweistellig. Wie wollen Sie den Qualitätsverlust kompensieren?

Die Anzahl der externen Neuzugänge ist auch zweistellig, von der Qualität der Spieler sind wir überzeugt. Wie auch darin, dass sich andere Spieler aus unserem Kader in dieser Saison zu Stammkräften entwickeln können, zum Beispiel Lukas Daschner oder Noah Loosli. Beide haben wir im vergangenen Sommer verpflichtet und wussten, dass sie sich erst an das Niveau in der Bundesliga gewöhnen müssen. Ihnen trauen wir zu, in dieser Saison eine noch bessere Rolle in unserer Mannschaft einzunehmen.

Die Neuzugänge kamen aus ganz unterschiedlichen Ligen und Ländern. Wo genau schaut sich der VfL um – und mit welcher Personalstärke?

Da wir hier grundsätzlich versuchen, kreativer und schneller zu sein als der Wettbewerb, ist dies natürlich ein sensibles Thema, weshalb ich um Nachsicht darum bitte, dass ich nicht im Detail darüber sprechen kann. Bekannt ist: Wir beschäftigen aktuell sechs hauptamtliche Scouts, dazu zwei Videoscouts. Das ist im Branchenvergleich ein eher kleines Team. Wir haben rund ein Dutzend Länder als Kernmärkte definiert, in denen wir uns besonders intensiv umschauen, sowohl live vor Ort als auch über Videos und Daten. Zu den Kernmärkten zählen unter anderem die meisten Nachbarländer. Grundsätzlich gilt, dass wir neben unserem strukturierten, langfristigen Scouting- und Recruiting-Ansatz bei Marktentwicklungen und -möglichkeiten auch immer mit Flexibilität und Handlungsschnelligkeit kurzfristig agieren müssen, um das Optimum für den VfL zu erreichen. Auch das hat die jüngste Transferperiode gezeigt.

Haben Sie so auch Trainer Peter Zeidler als neuen Trainer gefunden?

Auch der Trainersuche ist ein strukturierter Prozess vorangegangen. Wir haben einen Cheftrainer gesucht, der kommunikativ stark ist, der überzeugend auftreten und Begeisterung wecken kann und den jeder hier und im Umfeld möglichst unvoreingenommen kennenlernen kann. Darüber hinaus war uns eine gewisse Erfahrung wichtig. Von seinem fußballerischen Ansatz haben wir einen Trainer gesucht, der über einen ganzheitlichen Plan für die verschiedenen Spielphasen verfügt, der natürlich auch zur Spielidee der VfL-DNA passen musste. Mit Peter Zeidler haben wir diesen Trainer gefunden. Für ihn ist der Schritt in die Bundesliga trotz seiner Erfahrung ein besonderer und er ist sehr motiviert, diese Herausforderung zu meistern.

Auf der Management-Ebene gab es ebenfalls Veränderungen. Patrick Fabian, der Sie im Dezember 2022 verpflichtet hat, ist nicht mehr als Sport-Geschäftsführer an Bord. Was verändert sich dadurch für Sie?

Im operativen Tagesgeschäft gar nicht so viel. Ich war vorher Sportdirektor und bin es immer noch. Vielleicht war die Struktur und Aufgabenverteilung vorher nicht jedem Außenstehenden ganz klar, aber die Verantwortung für den Lizenzspielerbereich liegt schon länger bei mir. Hinzugekommen sind jetzt ein paar strukturelle Themen im gesamtsportlichen Bereich des Vereins. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit Ilja Kaenzig natürlich auf Grund seiner Gesamtverantwortung anders strukturiert als zuvor mit Patrick Fabian. Generell haben wir eine sehr gute Struktur und Organisation, die uns schnell handlungsfähig macht.


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2:2 gegen Kiel

Nicht erstligareif: Beim VfL ist keine Entwicklung erkennbar

Auch die Stadion-Regie hat in dieser Saison Anlaufschwierigkeiten. Schon beim Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach begann die Bochum-Hymne mit Verzögerung, gegen Holstein Kiel sogar noch wesentlich später. Der Doppelpass, mit dem der VfL jeden Gegner nass macht, konnte folglich nicht besungen werden, denn die Lautsprecher müssen mit Anpfiff ausgestellt werden – auch wenn der Höhepunkt der Hymne noch nicht erreicht ist. Die Stadion-Regie ist mit ihrem Problem aber nicht allein. Schließlich fanden die Bochumer Fußballer ebenfalls mit Verspätung ins so wichtige Heimspiel gegen Holstein Kiel. Die Erwartung im Vorfeld der Partie war klar: Nach vier Pflichtspielniederlagen zum Start musste gegen den Bundesliga-Neuling ein Sieg her. Doch es war der Aufsteiger, der die Anfangsphase dominierte.

Der VfL präsentierte sich unsortiert und fehlerhaft, mutlos und ohne Zugriff. Die Kieler nutzten die reichlich vorhandenen Räume für das frühe 0:1, als der unentschlossene Patrick Drewes nur das Ende einer Fehlerkette bildete. Trainer Peter Zeidler zog erstaunlich schnell personelle Konsequenzen, tauschte den abermals pomadig auftretenden Erhan Masovic wegen Missachtung taktischer Vorgaben bereits nach einer Viertelstunde aus, beorderte Ibrahima Sissoko erstmals in die Abwehr und brachte Kapitän Anthony Losilla in die Partie. Das brachte aber nur bedingt Struktur ins Bochumer Spiel. Kiel gewann in der ersten Halbzeit 78 Prozent aller Zweikämpfe. Und der VfL? Überzeugte immerhin mit maximal möglicher Effizienz, blieb spielerisch aber äußerst schwach.

Weiter sieglos

Zweimal initiiert von Myron Boadu, dem bislang stärksten und auffälligsten Sommerneuzugang, traf erst Matus Bero und dann äußerst sehenswert auch Lukas Daschner, der gemeinsam mit Philipp Hofmann in die Startformation zurückgekehrt war. Eine klare Linie bei der Personalauswahl fehlt bislang, und das zeigt sich auch auf dem Platz. Nur die Führung stimmte die Fans zur Halbzeit zuversichtlich. Denn die Leistung war keineswegs bundesligatauglich, und wurde sie auch im zweiten Durchgang nicht. Bis zur 68. Minute blieb der passive VfL ohne weitere Torchance und ließ auf der anderen Seite immer wieder Strafraumaktionen zu. Kiel drückte und belohnte sich. Weil sich Moritz Kwarteng und Matus Bero nicht einig waren, entwischte Holsteins Steven Skrzybski bei einem indirekten Freistoß, dessen Hereingabe verwertete der völlig freistehende Shuto Machino zum 2:2.

Ein Gegentor, das absehbar und hochverdient war. Auch wenn es den ersten Punkt in der noch jungen Saison gab, das Unentschieden gegen Kiel fühlt sich an wie eine Niederlage. Viele Fans fragen sich: Wenn wir nicht zu Hause gegen einen Aufsteiger gewinnen, gegen wen dann? Die Frage liegt ja auf der Hand, zumal die kommenden Gegner noch wesentlich stärker sind. Sechs der kommenden sieben Mannschaften nehmen an einem europäischen Wettbewerb teil, am kommenden Freitag reist der VfL zum Derby nach Dortmund. Noch viel schlimmer aber ist die Tatsache, dass bislang keine nennenswerte Entwicklung erkennbar ist. Dass sich Trainer Peter Zeidler, der verbliebene Teil der letztjährigen Mannschaft und die zehn Neuzugänge erst finden müssen, war absehbar. Nach fast drei Monaten gemeinsamer Arbeit müsste die Tendenz nun eigentlich nach oben zeigen. Das ist aber nicht der Fall.

Zeidler unzufrieden

Einiges erinnert an die vergangenen beiden Jahre, als der VfL bis Oktober (2022) und sogar bis November (2023) auf den ersten Sieg in der Bundesliga warten musste. „Wir kennen es nicht anders“, sagt Vize-Kapitän Philipp Hofmann; glücklich wirkt er mit der Situation freilich nicht, zumal seine Mannschaft im vergangenen Jahr zum gleichen Zeitpunkt zwei Punkte mehr auf dem Konto hatte. Speziell Trainer Peter Zeidler ist gefordert, Lösungen zu finden. In der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Kiel wich er bei konkreten Nachfragen mehrfach aus, brachte lediglich seine Unzufriedenheit zum Ausdruck. „Wir haben den Ball nicht schnell genug nach vorne gebracht. Das ist nicht unsere Idee“, bemängelte Zeidler. Die Frage ist: Will er – ähnlich wie Vorgänger Thomas Letsch – zu sehr seine eigene Formation durchdrücken?

Letsch setzte auf eine Dreierkette in der Abwehr, Zeidler favorisiert eine Raute im Mittelfeld, in der wenig zusammenpasst. „Vielleicht ist der Unterschied zu dem, wie sie vorher gespielt haben, zu groß“, merkte Zeidler nach dem Spiel gegen Kiel selbstkritisch an, wobei er damit die gesamte Herangehensweise meinte. Vielleicht fehlt stellenweise auch die nötige Qualität. Königstransfer Dani de Wit ist bislang noch keine Verstärkung; womöglich spielt er auf der falschen, auf einer zu defensiven Position. In der Innenverteidigung werden Ivan Ordets und Bernardo schmerzlich vermisst. Zumindest gegen Kiel war auch die Rechtsverteidigerposition wieder eine Schwachstelle. Einige Fans quittierten den Auftritt nach dem Spiel sogar mit Pfiffen, die Geduld lässt im vierten Bundesliga-Jahr merklich nach. Von einem funktionierenden Doppelpass ist der VfL gerade weit entfernt. Nicht nur vor, sondern auch nach dem Anpfiff.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)