Vor Heidenheim

Wunsch der VfL-Fans: Hecking ändert Plan vor „Endspiel“

Aufgeben ist keine Option. Weder für die Spieler noch für die Fans des akut abstiegsbedrohten VfL Bochum. Trotz der äußerst schwierigen Lage als Schlusslicht im Tabellenkeller wollen sie ihre Bundesliga-Zugehörigkeit nicht kampflos herschenken und die weiter existierende Chance zur erneuten Rettung nutzen. Deshalb hat die organisierte Fanszene bei Chefcoach Dieter Hecking um eine Änderung des Trainingsplans gebeten. Ursprünglich sollte das für Donnerstagnachmittag angesetzte Abschlusstraining vor dem Auswärtsspiel in Heidenheim unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Weil am 1. Mai aber viele Anhänger wegen des Feiertags Zeit hatten, um an der Castroper Straße vorbeizuschauen, hat Hecking das Training kurzerhand für alle Interessierten geöffnet. Mehr noch: Die Einheit fand im Ruhrstadion statt.  

​Im vergangenen Jahr hatte es eine vergleichbare Aktion vor dem Auswärtsspiel bei Union Berlin gegeben. Damals waren mehr als 5.000 Fans ins Stadion gekommen, um ihrer Mannschaft Mut im Abstiegskampf zuzusprechen. Mit Erfolg: Der VfL gewann an der Alten Försterei mit 4:3. Der Einfluss der Zuschauer ist generell nicht zu unterschätzen. Trainer Hecking dankte ihnen am zurückliegenden Sonntag wiederholt für ihre Treue und Unterstützung beim 1:1 zu Hause gegen Berlin: „Es war ein fantastisches Publikum. Diese Unterstützung wünscht man sich.“ Gleichwohl implizierte eine Aussage von ihm auch etwas Kritik. „Wenn es zu lange gedauert hat, wurde immer der lange Ball gefordert“, sagte Hecking, der sich mehr Geduld von den Fans, aber vor allem von seiner Mannschaft gewünscht hätte. Seine Spieler hätten sich von der hörbaren Unruhe auf den Rängen beeinflussen lassen und schließlich auf den langen, hohen Ball gesetzt.

Gegen Heidenheim soll das nicht passieren. Mehr als 1.500 Anhänger aus Bochum werden die lange Reise auf die schwäbische Ostalb antreten in der Hoffnung auf die sportliche Wende. Die Ausgangslage ist bekannt: Im Falle einer Niederlage wäre der VfL bereits sicher abgestiegen. Bei einem Sieg, dem ersten seit Anfang März, würde das Team von Trainer Dieter Hecking indes neue Hoffnung schöpfen. „Ich wusste von Anfang an, als ich hier eingestiegen bin, dass es ein solches Endspiel geben kann. Ich verspüre Vorfreude, denn wir sind noch dabei, können den Klassenerhalt immer noch schaffen. Und mit einem Sieg würde unsere Welt schon wieder ganz anders aussehen“, sagte VfL-Trainer Dieter Hecking in der Pressekonferenz am Donnerstag. Seiner Mannschaft empfiehlt er eine ähnlich optimistische Haltung. Bislang sei es ihr immer gelungen, sich von Rückschlägen zu erholen. „Wir brauchen Lust statt Last. Wer in ein Finale geht, will es gewinnen“, betonte Hecking.

Wie der erfahrene Fußballlehrer mit einem Unentschieden kurz vor Schluss umgehen würde, wolle er kurzfristig entscheiden. Die Startformation hat Hecking indes schon frühzeitig festgelegt. Viel wollte er im Vorfeld nicht verraten, nur: Der zuletzt gesperrte Ibrahima Sissoko werde ins Team zurückkehren. Ob Hecking erneut auf ein eher defensives 5-3-2-System oder auf ein offensiveres 4-3-3 setzt, bleibt eine der offenen Fragen. Hierzu gab es auch im Abschlusstraining am Donnerstagnachmittag keine neuen Erkenntnisse. Mehr als 3.000 Fans waren vor Ort und haben ihrer Mannschaft Mut vor der Reise nach Heidenheim zugesprochen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Kaderplanung war nicht erstligareif

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Zwei- bis dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Kaderplanung.

Sofern der Fußball-Gott für den VfL Bochum nicht das nächste Wunder bereithält, dann wird die Bundesliga-Zugehörigkeit in Kürze enden. Selbstverständlich sollte der Abgesang nicht zu früh angestimmt werden. Grundsätzliche Defizite müssen aber unabhängig vom Saisonausgang angesprochen werden. So oder so: Diese Mannschaft ist nicht dauerhaft wettbewerbsfähig. Selbst wenn sie doch noch die Klasse hält, dann nicht, weil sie selber gut genug, sondern weil die Konkurrenz noch schlechter ist.

Mit seiner teils experimentellen Aufstellung gegen Berlin hat Trainer Dieter Hecking definitiv nicht alles richtig gemacht. Aber mal ehrlich: Hätte es eine Variante gegeben, bei der die meisten Fans euphorisch geworden wären? Wahrscheinlich nicht. Denn fast jeder Spieler, der plötzlich als möglicher Heilsbringer gilt, liefert schnell den Beweis, dass er es nicht ist. Nach 31 Spielen ist klar: Für viel zu viele Positionen gibt es keine Optimallösung. Genauer: keine bundesligareife Besetzung.

Nehmen wir beispielhaft die rechte Außenverteidigerposition, in einer Fünferkette eher offensiv interpretiert. Defensiv der stärkste dürfte Tim Oermann sein, der aber im Vorwärtsgang zu schwach ist und mit seinem Tempo auch zentral gebraucht wird. Offensiv überzeugt noch am ehesten Felix Passlack mit seinen fünf Torvorlagen, defensiv schwächelt er aber schon seit seiner Verpflichtung vor zwei Jahren. Und dass es für die lange Nicht-Berücksichtigung von Routinier Cristian Gamboa allein sportliche Gründe gibt, wurde am Sonntag deutlich.

Die Liste ließe sich mit weiteren Beispielen fortsetzen, etwa für das Mittelfeld ohne Kreativspieler oder für die verwaisten Flügelpositionen. Kurzum: Die Kaderplanung war nicht erstligareif. Verantwortlich dafür ist vor allem Ex-Sportdirektor Marc Lettau. Aber nicht nur er. Das Präsidium und Geschäftsführer Ilja Kaenzig haben jede Personalentscheidung abgesegnet. Zudem: Kaenzig und Hecking haben – mangels Sportchef – die Wintertransfers getätigt. Klar, große Sprünge waren nicht drin. Wirklich verstärkt wurde die Mannschaft im Januar rückblickend aber einzig mit Tom Krauß. Auch das ist zu wenig. Wie so vieles in dieser Saison.


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(Foto: Imago / Team 2)

1:1 gegen Union

Dem Abgrund ganz nah: VfL vor Endspiel in Heidenheim

Gute Laune hatten in Bochum an diesem Wochenende höchstens die Maischützen, an deren Tradition das eigens anfertigte Sondertrikot erinnerte, mit dem die Fußballer des VfL gegen Union Berlin aufliefen. Unter blau-weißem Himmel zogen die Hüter der heimatlichen Tradition am Samstag durch die Stadt, natürlich auch vorbei am Ruhrstadion, über dem nur einen Tag später dunkle Wolken aufzogen – zumindest im übertragenen Sinne. Die sechste Niederlage in Folge konnte der VfL zwar verhindern, doch auch das 1:1 im Heimspiel gegen Union Berlin hat den Revierklub ganz nah an den Abgrund der Bundesliga geführt. Bei nur noch drei offenen Spielen beträgt der Rückstand auf den 1. FC Heidenheim und den Relegationsplatz vier Punkte, zudem hat der VfL aktuell das schlechtere Torverhältnis.

Abstieg bei Niederlage

Somit ist klar: Beim direkten Aufeinandertreffen mit Heidenheim am kommenden Freitag droht den Bochumern im Falle einer Niederlage bereits der Abstieg in die Zweitklassigkeit und damit das Ende der vier Jahre langen Bundesliga-Reise seit dem Aufstieg 2021. „Dieses Spiel entscheidet über unsere Saison und die Zukunft des Vereins“, weiß nicht nur Verteidiger Bernardo um die praktisch nicht mehr zu übertreffende Bedeutung dieser Partie. „Wir müssen gewinnen. Es ist ein Finale, es gibt keine zweite Chance.“ Selbst ein Unentschieden wäre zu wenig, wenngleich der Abstieg dann noch nicht endgültig besiegelt wäre. Im Falle eines Erfolges würde der VfL wieder auf einen Punkt an den Relegationsplatz heranrücken und „den Druck zurück an Heidenheim geben“, wie es Bernardo am Sonntagabend formulierte.

Siegreiche Konkurrenz

In den zurückliegenden Tagen ist aber zunächst einmal das Gegenteil geschehen. Heidenheim hat am Freitag in Stuttgart gewonnen, und Kiel am Samstag gegen Mönchengladbach. Der Druck auf den VfL war vor dem Spiel gegen Union also immens. Gewachsen war die Mannschaft diesem nur bedingt. Nach einem ordentlichen Beginn mit prächtiger Unterstützung von den Rängen war die Verunsicherung nach dem unglücklich abgefälschten Schuss zum 0:1 unübersehbar – bei allem Ehrgeiz, der dieser Mannschaft sicher nicht fehlt. Erst mit dem Ausgleichstreffer durch Matus Bero per Elfmeter-Nachschuss kam der Glaube an die Wende wirklich zurück. Doch echte Torgefahr entwickelte der VfL nur selten. „Wir sind zu selten in die gefährlichen Räume gekommen“, stellte nicht nur Mittelfeldspieler Tom Krauß fest.

Viele bekannte Mängel

Neu ist das Problem nicht, und deshalb stehe seine Mannschaft eben auch ganz unten in der Tabelle, ergänzte Trainer Dieter Hecking, der sogar offen die Qualitätsfrage stellte. Wobei er selbst auch nicht völlig schuldlos ist. Seine Idee, mit drei nominellen Mittelstürmern zu starten, um die zuletzt harmlose Offensive zu stärken, schlug fehl. Wirklich einstudiert mit klaren, funktionierenden Abläufen wirkte diese Variante nicht. Hinzu kamen die üblichen Probleme: Keine kreativen Ideen aus dem Mittelfeld, eine unzureichende Besetzung der Flügel und teils grausig getretene Standardsituationen. „Kiel schießt vier Tore in einem Spiel und wir treffen höchstens einmal“, legte Krauß den Finger in die Wunder. „Es bringt nichts, wenn wir immer nur sagen: Ja, wir waren nah dran oder es sah gut aus.“

Mehrfach Schlusslicht

Auch deshalb sei das Remis gegen Union kein Fortschritt, sondern „wie eine Niederlage“ zu werten. Die Zahlen bestätigen den subjektiven Eindruck. Der VfL ist nicht nur in der Rückrundentabelle Letzter, sondern auch im Gesamttableau. Der siebte Bundesliga-Abstieg wäre nur folgerichtig, wobei noch niemand aufgeben möchte. „Warum sollen wir in Heidenheim nicht gewinnen?“, fragte der genervt wirkende Dieter Hecking nach dem Spiel gegen Union Berlin in die Medienrunde. „Wenn ich glaube, dass wir das nicht schaffen, kann ich meinen Vertrag zurückgeben.“ Dieser gilt bekanntlich nur für die Bundesliga. Für den Fall des Abstiegs müssten sich die Verantwortlichen mit dem Fußballlehrer erneut an den Verhandlungstisch setzen – oder schnellstmöglich eine andere Lösung präsentieren.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)

Viele Abgänge

Unabhängig von der Liga: VfL vor großem Kader-Umbau

Schon bei seinem Amtsantritt Anfang April blickte Dirk Dufner auf den Kalender. Der neue Sport-Geschäftsführer des VfL Bochum realisierte sofort, dass keine längere Einarbeitungszeit möglich sein wird. Zwischen Mitte und Ende Mai wird der 57-Jährige wissen, für welche Liga er den neuen Kader zusammenstellen darf. Anschließend muss es ganz schnell gehen: Das ligaunabhängig terminierte Trainingslager am Wilden Kaiser in Österreich beginnt am 12. Juli – bis dahin sollte ein Großteil der Mannschaft beisammen sein. Die Zweitliga-Saison startet bereits Anfang August, die Bundesliga drei Wochen später. Schon jetzt zeichnet sich ab: Eine zweistellige Zahl an Abgängen ist sehr wahrscheinlich.

Denn unabhängig davon, in welcher Spielklasse der VfL künftig antreten wird, steht ein größerer Kader-Umbau bevor. Im Falle des Klassenerhalts werden die Bochumer ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich erhöhen müssen, um nicht ein Jahr später erneut in eine brenzlige Lage zu geraten. Im Falle des Abstiegs würden die wenigen Leistungsträger auf einen Abgang drängen und auch die vier Leihkräfte wären nicht zu halten – wobei Letzteres selbst bei einem Ligaerhalt schwierig werden würde. Die Kaufoption für Angreifer Myron Boadu liegt im hohen einstelligen Millionen-Bereich, diese wird der VfL aus finanziellen Gründen nicht ziehen können. Boadu hat trotz längerer Verletzungspausen die meisten Saisontore erzielt, Trainer Dieter Hecking ist aber immer wieder mit seiner Berufsauffassung unzufrieden. Eine weitere Zusammenarbeit ist kaum vorstellbar. Das gilt auch für Winter-Neuzugang Tom Krauß, der sportlich und charakterlich zwar überzeugt, sich in Zukunft aber bei einem stärkeren Klub sieht und deshalb auch den Berater gewechselt hat.

Oermann vor Abgang

Bei Jakov Medic und Georgios Masouras ist die Zukunft indes noch nicht geklärt. Angesichts schwankender Leistungen wird sich der VfL bei ihnen aber sicher nicht bis an die Decke strecken; bei einem Abstieg wären sie ohnehin zu teuer. Der Kreis an Spielern, die in diesem Fall wohl in Bochum bleiben würde, ist nach jetzigem Stand eher überschaubar. Die beiden Timo Horn und Patrick Drewes würden dazuzählen, ebenso wie Maximilian Wittek, Philipp Hofmann und Moritz Broschinski, die eher keine Angebote aus der Bundesliga erhalten dürften. Auch Koji Miyoshi könnte bleiben und seine Leistungsfähigkeit eine Klasse tiefer womöglich besser entfalten. Gleiches gilt für Samuel Bamba und Mats Pannewig.

Kaum zu halten wären indes Bernardo, der auch bei einem Klassenerhalt wechseln möchte, Ibrahima Sissoko, Matus Bero sowie Tim Oermann, um den bereits mehrere Bundesligisten buhlen, darunter Bayer Leverkusen. Mit dem amtierenden Meister soll sich der Verteidiger sogar schon fast einig sein und noch für ein Jahr innerhalb der Bundesliga verliehen werden. Für ihn würde der VfL auch eine Ablöse kassieren, wenngleich die Verhandlungsposition bei Oermann keine allzu gute ist. Sein Vertrag läuft 2026 aus. Für die Bochumer wäre es die letzte Chance, Geld mit Oermann zu verdienen. Erhan Masovic und Dani de Wit, die mit ihrer sportlichen Rolle ohnehin unzufrieden sind, würden ebenfalls einen Vereinswechsel anstreben; de Wit auch im Falle der Rettung. Offen ist, wie Ivan Ordets seine Zukunft plant. Grundsätzlich sieht aber auch er sich als Erstligaspieler, anders als etwa Gerrit Holtmann, der einer Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrags auch bei einem Abstieg offen gegenüberstünde.

Mehr Platz für Talente

Mit Holtmann könnte der VfL einen Fanliebling und womöglich den letzten Aufstiegshelden von 2021 halten. Kapitän Anthony Losilla wird seine Karriere als Fußballer beenden, dem Verein allerdings in anderer Rolle erhalten bleiben. Auch Cristian Gamboa soll in Zukunft eher auf der Funktionsebene denn als Spieler eingebunden werden. Auf seiner Position ist der VfL zumindest für den Abstiegsfall bereits ordentlich besetzt. Der Vertrag von Felix Passlack hat sich aufgrund regelmäßiger Einsätze automatisch bis 2026 verlängert, zudem steht mit Kacper Koscierski ein vielversprechendes Eigengewächs bereit. Auf mehr Talente aus dem eigenen Stall will der VfL unabhängig von der Liga setzen.

Wobei ihre Einsatzchancen in der 2. Liga logischerweise deutlich größer wären. Aus der U21 rückt Torwart Hugo Rölleke zu den Profis auf. Auch Niklas Jahn, Mohammed Tolba und Lennart Koerdt wurden dort vorübergehend geparkt, besitzen allerdings schon Lizenzspielerverträge. Weitere Hoffnungsträger, vor allem aus der diesjährigen U19, sollen im Sommer ebenfalls zu den Profis aufrücken. In dieser Woche unterzeichnete Cajetan Lenz einen Vierjahresvertrag. Der defensive Mittelfeldspieler soll aber zunächst in der U21 reifen, vor allem wenn diese in die Regionalliga aufsteigen sollte, was sehr wahrscheinlich ist. Unklar ist indes, wie es mit den vier im Winter verliehenen Spielern weitergeht. In einem Bundesliga-Kader hätten Noah Loosli, Agon Elezi, Moritz Kwarteng und Lukas Daschner sicher keine Perspektive. Bei einem Abstieg könnten sie womöglich eine neue Chance erhalten. Auch Keeper Niclas Thiede könnte von seinem Leihverein vorzeitig zurückkehren. Sein Vertrag mit dem abstiegsbedrohten SSV Ulm gilt nur die 2. Liga.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Abstiegskampf

Brisantes Wiedersehen: VfL hofft auf zwei Siege gegen Union

Mannschaftsabende haben beim VfL Bochum im Saisonendspurt mittlerweile eine gewisse Tradition. Immer dann, wenn der Revierklub um den Klassenerhalt bangen muss, kommen die Spieler zusammen, um sich gemeinsam auf die letzten Spiele einzuschwören. Mit einem Padel-Turnier und einem gemeinsamen Abendessen begann am Dienstag die Vorbereitung auf das Heimspiel gegen Union Berlin. Diese Partie ist nicht nur aus sportlich-tabellarischer Sicht von besonderer Bedeutung, sondern auch aus emotionalen Gründen. Das 1:1 aus dem Hinspiel wurde bekanntlich von zwei DFB-Instanzen nachträglich in einen Bochumer Sieg umgewandelt, weil ein Anhänger der Berliner ein Feuerzeug auf VfL-Keeper Patrick Drewes geworfen hatte und diesen am Kopf traf. Die Verantwortlichen von Union wollen diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hoffen auf eine Wende durch das Ständige Schiedsgericht der Lizenzligen. Dieses wird sein Urteil aber erst nach dem Rückspiel verkünden, in schriftlicher Form und ohne erneute Verhandlung.

Weniger brisant wird das erneute Aufeinandertreffen dadurch allerdings nicht. Aus einem DFB-Schriftstück von Ende März geht hervor, dass die Berliner eine Verletzung von Drewes und dessen anschließende Spielunfähigkeit nach wie vor in Zweifel ziehen. Zudem kritisieren sie, dass der Feuerzeugwurf ihrem Verein angelastet wird. Dabei war der Täter zum Zeitpunkt des Vergehens sogar Mitglied bei Union Berlin. Präsident Dirk Zingler vermutet hinter den beiden Urteilen ein „politisches Signal“, Sportchef Horst Heldt sprach jüngst sogar von einem „Rachefeldzug“ des Verbandes gegen seine Unioner. Dabei ist die Haftung der Vereine für Fehlverhalten von ihnen zuzurechnenden Personen in den Statuten des DFB eindeutig geregelt. Die Rechtslage im Bereich des DFB entspricht den Rechtsnormen der UEFA für den europäischen Fußball. Diese wurden unter anderem durch den Bundesgerichtshof sowie vom Ständigen Schiedsgericht der Lizenzligen bestätigt. Auch deshalb ist damit zu rechnen, dass das Urteil zum Hinspiel bestehen bleibt.

Bero kehrt ins Team zurück

Alles andere wäre für den VfL auch verheerend, der selbst mit den zwei zusätzlichen Zählern vom Grünen Tisch akut vom Abstieg bedroht ist. Der direkte Klassenerhalt ist bei zehn Punkten Rückstand auf St. Pauli vier Spieltage vor Schluss praktisch ist nicht mehr zu schaffen. Und auch Heidenheim auf dem Relegationsplatz ist immerhin zwei Punkte entfernt. Außerdem haben die Bochumer das schlechteste Torverhältnis aller Bundesligisten – kein Wunder nach fünf Niederlagen in Serie. Aber: „Wir haben immer noch eine riesige Chance in der Liga zu bleiben. Es ist ein Schneckenrennen, die anderen holen auch nicht viele Punkte“, sagt Bochums Sportchef Dirk Dufner, der allerdings auch weiß: „Wir brauchen den Sieg gegen Union Berlin unbedingt.“ Angesichts der zuletzt im Ergebnis enttäuschenden Darbietungen sind personelle wie taktische Veränderungen naheliegend, in der Praxis allerdings kaum umsetzbar, weil der Kader nur wenige Alternativen bietet, vor allem für die Außenpositionen und die harmlose Offensive.

Die in Bremen eingewechselten Spieler – Myron Boadu, Samuel Bamba, Moritz Broschinski, Erhan Masovic und Mats Pannewig – konnten jedenfalls zu keiner Leistungssteigerung beitragen. Einzig Boadu verspricht als aktuell bester Bochumer Torschütze eine höhere Qualität. Dass Dani de Wit, der im Sommer noch als eine Art Königstransfer angepriesen wurde, trotz der Torflaute seit Anfang Februar nicht mehr zur Startelf gehörte und kaum noch eingewechselt wird, verdeutlicht das Personalproblem einmal mehr. Kurzfristig Hoffnung macht allenfalls die Rückkehr von Mittelfeldspieler Matus Bero, der mit seinen vier Saisontreffern immerhin der zweitbeste Bochumer Torschütze ist. Umgekehrt muss Trainer Dieter Hecking allerdings auf den gesperrten Ibrahima Sissoko verzichten, der zuletzt zu den wenigen Lichtblicken im VfL-Team gehörte. Selbst Hoffnungsträger Bernardo schwächelte, was vielleicht daran liegen könnte, dass sich der Defensivallrounder parallel mit einem Vereinswechsel im Sommer beschäftigt.

Bernardo will VfL verlassen

Für den Brasilianer soll es mehrere Interessenten geben, darunter Eintracht Frankfurt und – ausgerechnet – auch Union Berlin. Sportchef Dufner hat bereits angekündigt, dass ein Verbleib von Bernardo in Bochum selbst im Falle des Klassenerhalts fast ausgeschlossen ist. Angesichts seiner grundsätzlichen Leistungsfähigkeit wird er aber wohl bis zum Saisonende im Team bleiben, als linker Innenverteidiger in einer Dreierkette. Um den schwachen Angriff zu stärken, wäre theoretisch eine Systemumstellung denkbar. In einer 3-5-2- bzw. 3-4-3-Formation hat sich die Mannschaft bislang aber wohler gefühlt, sodass eine Abkehr von der gewohnten Systematik im Saisonfinale eher unwahrscheinlich ist. Denkbar sind allenfalls kleinere Anpassungen sowie einzelne Personalwechsel, nur nicht im Tor. Dort bleibt Timo Horn die Nummer eins. Dass er Patrick Drewes verdrängt hat, ist für das Spiel gegen Union wohl auch besser so. Denn in den sozialen Netzwerken wird Drewes von zahlreichen Berliner bis heute beschimpft und als „Schauspieler“ verunglimpft.


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(Foto: Imago / Matthias Koch)

Debatte

VfL-Kolumne: Rettung ist einfacher als der Wiederaufstieg

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Zwei- bis dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die sportliche Lage.

Auf dem Weg von Bremen zurück nach Bochum fragte mich ein Leser, ob es trotz der fünften Niederlage in Folge Positives zu berichten gäbe. Das dürfte schwierig werden, ließ ich ihn während unserer Zugfahrt wissen. Erst später kam mir ein Gedanke, der weiterhin zutreffend ist: Der VfL kann den Klassenerhalt immer noch aus eigener Kraft schaffen. Zweifel an der Umsetzbarkeit sind zwar mehr als berechtigt, die Faktenlage ändert sich dadurch aber nicht.

Die Zahlen belegen, dass der VfL umgeben ist von zwei Teams, die ähnlich schwach sind. Im Grunde hätten alle drei – Heidenheim, Kiel und Bochum – den Abstieg zum jetzigen Zeitpunkt verdient. Von mittlerweile 30 Spielen hat der VfL 20 verloren und auf sportlichem Weg nur 18 Punkte geholt. Trotzdem ohne Mithilfe anderer Klubs in der Bundesliga bleiben zu können, ist fast absurd, aber zugleich eine riesige Chance. Anders gesagt: Die Rettung ist einfacher als ein möglicher Wiederaufstieg. Denn mit einem Absturz in die 2. Liga stünde der VfL vor einer ungewissen Zukunft.

Ja, die finanzielle Lage ist so gut, dass sich die Bochumer in der Etat-Tabelle im oberen Drittel einsortieren würden. Aber die Liga ist aus sportlicher Sicht unberechenbar. Selbst der viel größere HSV wird es wahrscheinlich erst im siebten Anlauf schaffen, auf die große Fußball-Bühne zurückzukehren. Hannover versucht es schon seit sechs Jahren, Düsseldorf seit fünf – beide wohl erneut ohne Erfolg. Hertha und Schalke befinden sich zwar erst in der zweiten Saison nach dem Abstieg, standen seither aber häufiger in der unteren als in der oberen Tabellenhälfte.

Das Kernproblem bei einem Abstieg wäre, dass dem VfL eine stabile Achse fehlen würde. Mehr als der Hälfte der aktuell unter Vertrag stehenden Spieler mit nennenswerten Einsätzen würde den Verein verlassen. Das Grundgerüst bestünde aus Spielern wie Philipp Hofmann, Felix Passlack und Timo Horn, wahrscheinlich auch Maximilian Wittek und Gerrit Holtmann. Vor allem die Innenverteidigung und das zentrale Mittelfeld müssten binnen weniger Wochen komplett neu aufgestellt werden. Denn zwischen dem Saisonende und dem Trainingsauftakt für die Zweitliga-Runde lägen nur vier bis fünf Wochen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

0:1 in Bremen

Schneckenrennen geht weiter: VfL nur gefällig statt gefährlich

Wirklich ergiebig sind die Interviews nach den Spielen des VfL Bochum derzeit nicht. Denn die Analysen der Beteiligten ähneln sich Woche für Woche. Ja, auch in Bremen hat der abstiegsbedrohte Revierklub halbwegs ordentlich gespielt und war sicher nicht die schlechtere Mannschaft. Aber nein, auch im Weserstadion gab es keine Punkte. Das 0:1 bei Werder war bereits die fünfte Niederlage in Serie – und zum wiederholten Mal die Folge fehlender Effektivität. Bei hohem Aufwand, vor allem kämpferischer Natur, blieb der Ertrag abermals aus. „Das ist unser Problem, das uns gleichzeitig zuversichtlich macht“, sagte Sport-Geschäftsführer Dirk Dufner nach der Partie. Der VfL sei ja nicht hoffnungslos unterlegen. Nur: „Wir entwickeln zu wenig Torgefahr in den Phasen, in denen wir besser sind.“

Hochkarätige Möglichkeiten, in Bremen selbst in Führung zu gehen, gab es im Grunde nicht. „Wir machen es gut bis ins letzte Drittel. Aber dann fehlen uns die großen Chancen“, kennt nicht nur Verteidiger Bernardo das große Problem des VfL. Mit 29 Treffern in 30 Spielen und in Kombination mit 62 Gegentoren haben die Bochumer derzeit das schlechteste Torverhältnis der gesamten Liga. Das kann am Saisonende durchaus noch entscheidend sein und über den Abstieg oder die Relegationsteilnahme entscheiden. Das Gute ist einzig: An diesem Wochenende hat auch Heidenheim verloren und Kiel zumindest nicht gewonnen. Dufner spricht von einem „Schneckenrennen“ im Tabellenkeller und fasst die Lage damit treffend zusammen. Klar ist aber auch: Irgendwann bald muss der VfL mal wieder gewinnen.

Abwehr schläft beim 0:1

In Bremen hat es Trainer Dieter Hecking mit einer Dreierreihe im Angriff probiert und den schnellen Gerrit Holtmann in die Startelf beordert, weil Matus Bero gelbgesperrt fehlte. In der Abwehr ersetzte Jakov Medic den ebenfalls gesperrten Ivan Ordets und sammelte Argumente für eine weiteren Einsatz. Die über weite Strecken stabile Defensive – auch dank eines energischen Pressings in vorderster Reihe – wackelte erst am Ende, als Werders Mitchell Weiser das Tor des Tages erzielte. Einen handelsüblichen Körpereinsatz gegen Maximilian Wittek wertete Schiedsrichter Robert Schröder nicht als Foul, und eine Abseitsposition lag auch nicht vor, weil der am Boden liegende und reklamierende Linksverteidiger nicht schnell genug aufstand. Auch die übrige Abwehr stellte ihren Dienst kurzzeitig ein.

Dass zahlreiche Bochumer mit der teils merkwürdigen Zweikampfbewertung des Umparteiischen haderten, war verständlich, einen folgenreichen Fehler machte er aber nicht. „Das war nicht entscheidend“, lenkte Dufner den Fokus lieber auf eigene Fehler und Versäumnisse. Auch Hecking bestätigte, dass das Siegtor regulär erzielt wurde – und ärgerte sich vielmehr darüber, dass es seiner Mannschaft angesichts bekannter Offensivprobleme nicht wenigstens gelang, das Unentschieden und somit immerhin einen Punkt mitzunehmen. Schon gegen Augsburg verlor der VfL das Spiel in der Schlussphase wegen einer Unachtsamkeit in der Hintermannschaft, in Bremen nun wieder. Einziger Unterschied: Gegen Augsburg hatte die Hecking-Elf immerhin eine Vielzahl an eigenen Torchancen.

Sissoko fliegt vom Platz

Bochums Trainer mahnt beim Bochumer Offensivproblem deshalb zur Differenzierung. Mitunter sei das Verwerten der erspielten Möglichkeiten das Problem, manchmal – wie jetzt in Bremen – aber schon das Zustandekommen gefährlicher Strafraumaktionen. „Es sieht sehr verkrampft aus“, beobachtet der erfahrene Fußballlehrer und bringt diesen Umstand mit „fehlendem Selbstbewusstsein“ in Verbindung. Da seine Einwechslungen im Weserstadion das Problem eher noch verschärften, ist auch die grundsätzliche Qualität des angreifenden Personals infragezustellen. Stürmer Philipp Hofmann, dessen persönliche Torebilanz auch im dritten Bundesliga-Jahr eher mau ist, schlägt vor, die taktische Ausrichtung anzupassen: „Wir müssen mutiger sein und brauchen vorne mehr Leute.“

Vier Spiele, im Idealfall sogar sechs inklusive Relegation, hat der VfL in dieser Saison noch Zeit für eine Trendwende. Als nächstes gastiert Union Berlin im Bochumer Ruhrstadion. Das Spiel ist aus bekannten Gründen äußerst brisant. Auch deshalb hat das Schiedsgericht sein eigentlich für die Karwoche geplantes Urteil zur endgültigen Wertung des Hinspiels verschoben und will dieses erst nach dem Rückspiel verkünden. So oder so: Nicht nur auf den Rängen ist am kommenden Sonntag ein kühler Kopf gefragt, auch auf dem Platz. Einer der stärksten Bochumer wird nicht mitwirken dürfen. Ibrahima Sissiko sah nach Beteiligung an einer Rudelbildung in Bremen spät die Gelb-Rote-Karte. Dafür kehren Ordets und vor allem Bero zurück – mit der Hoffnung, dass die Spielanalyse mal anders ausfällt als zuletzt.


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(Foto: Imago / Nordphoto)