2:1 gegen Fürth

Happy End für Leitsch: VfL kann langsam planen

Gerrit Holtmann und Elvis Rexhbecaj mussten ihn vor die Kurve schubsen. Maxim Leitsch zierte sich erst, doch dann kam er der Aufforderung vieler VfL-Fans nach: Er feierte als ‚Frontmann‘ den 2:1-Sieg gegen Greuther Fürth, den er selbst mit eingeleitet hatte. Nach einem Freistoß von Eduard Löwen, der gegen die Latte und den Pfosten, aber nicht ins Tor ging, staubte der Innenverteidiger erfolgreich ab. Leitsch erzielte sein erstes Bundesligator und machte seinen folgenschweren Fehler im Pokal gegen Freiburg fast vergessen. „Ich wurde sehr gut aufgebaut, im Team, aber auch von den Fans. Ich habe fast nur Positives gelesen, dadurch war alles viel einfacher“, sagte Maxim Leitsch nach den Feierlichkeiten. Mit seinem Tor hat er für ein fast schon kitschiges, aber wichtiges Happy End in dieser Woche gesorgt.

Denn mit nunmehr 32 Punkten befindet sich der Revierklub auf dem besten Weg, sein großes Saisonziel, den Klassenerhalt, früher als erwartet zu erreichen. Kapitän Anthony Losilla hatte im weiteren Spielverlauf das entscheidende 2:1 erzielt. Für den zwischenzeitlichen Ausgleich der Fürther sorgte Armel Bella Kotchap mit einem Eigentor. Kurios: Losilla traf schon im Hinspiel, ist im Bochumer Kader also offenbar der Fürth-Experte. Dass die beiden gemeinsamen Aufsteiger in der kommenden Saison allerdings noch einmal aufeinandertreffen werden, ist eher unwahrscheinlich. Das liegt nicht nur an Bochums Entwicklung und der sehr ordentlichen Rückrundenbilanz mit einem Schnitt von 1,5 Punkten pro Spiel, sondern auch an Fürths großem Rückstand.

Leidenschaft und Geschlossenheit

Dabei sahen die 19.800 Zuschauer am Samstagnachmittag im Bochumer Ruhrstadion zunächst ein ausgeglichenes Spiel mit nur wenigen Höhepunkten. Der VfL kämpfte sich in dieses bedeutsame Duell, spielte so leidenschaftlich wie immer, auch wenn in der Vorwärtsbewegung nicht alles gelang. „Wir haben schon in der ersten Reihe damit begonnen, alles zu verteidigen. Ich bin wirklich stolz auf die Mannschaft“, lobte Trainer Thomas Reis die Geschlossenheit und Konzentration, insbesondere nach den „beiden brutalen Negativerlebnissen“ in der ersten Wochenhälfte. Wobei Reis einschränkte: „Noch haben wir nichts erreicht, aber dieser Sieg ist verdammt wichtig.“ Bochum bleibt Elfter, der Abstand auf den Relegationsrang beträgt neun Punkte, auf den ersten Abstiegsplatz sind es sogar zehn.

Bei noch neun ausstehenden Spielen biegt der VfL nun auf die Zielgeraden der Saison ein. Wie viele Siege für den sicheren Ligaerhalt noch notwendig sein werden, sei „schwer zu sagen. Aber 32 reichen definitiv nicht aus“, warnt Thomas Reis vor Nachlässigkeiten. „Ich rechne durchaus damit, dass wir noch sechs bis acht Punkte brauchen.“ Dass die Bochumer auch die noch holen werden, steht bei den Fans außer Frage. „2. Liga, nie mehr, nie mehr…“, stimmten sie nach dem Schlusspfiff an. Zwar wird der VfL bis zum 15. März die Lizenzunterlagen für beide Ligen einreichen – wie eigentlich immer – doch der Fokus dürfte jetzt klar sein: Thomas Reis sowie die beiden Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz und Ilja Kaenzig werden vorrangig für die Bundesliga planen.

Elf Spielerverträge laufen aus

Genug Arbeit liegt auf dem Tisch, gerade auch im sportlichen Bereich. Elf Verträge laufen aus, Leihspieler inklusive. Nicht alle von ihnen wird der VfL halten können, manche auch nicht halten wollen. Der bald vielleicht schon sichere Klassenerhalt würde so manches Gespräch jedoch erleichtern und die Verhandlungsposition verbessern. Was allerdings kaum gelingen wird, ist ein Aufstieg im TV-Ranking aus eigener Kraft. Eher muss der VfL darauf hoffen, dass nicht die ‚falschen‘ Zweitligisten auf Platz eins und zwei landen. Spielen Bremen und Schalke künftig wieder in der Bundesliga, würde der VfL ab dem kommenden Sommer von allen 18 Klubs am wenigsten Geld aus dem TV-Topf erhalten. Setzen sich Darmstadt, St. Pauli, der HSV oder gar Nürnberg durch, würden die Bochumer davon profitieren.

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Aus nach 120 Minuten

Vom Traum zur Tragödie: Ein Hauch von Lüttich

Eigentlich steht das L-Wort auf dem Index. Seit dem 30. September 2004 wird in Bochum nicht mehr über Lüttich gesprochen. Doch nach dem Pokalfight gegen den SC Freiburg haben viele Fans wieder an das tragische Ende von damals gedacht. Denn die Parallelen lassen sich nicht leugnen. Seinerzeit schlug der Brasilianer Edu in der letzten Minute über den Ball, der VfL kassierte den spielentscheidenden Gegentreffer, flog raus aus dem UEFA-Cup.

Und nun, nach umkämpften 120 Minuten, passierte Maxim Leitsch fast das gleiche: Als letzter Mann traf er den Ball nicht richtig, sein Rückpass misslang. Freiburgs Roland Sallai lief auf Torhüter Manuel Riemann zu und erzielte mit der letzten Aktion das 2:1. Der Bochumer Traum vom (Halb-)Finale im DFB-Pokal, zum ersten Mal seit 1988, war in diesem Moment vorbei, eine besondere Chance in der Vereinsgeschichte vergeben – sportlich, wirtschaftlich, emotional.

Trost für Maxim Leitsch

Doch die Niederlage an Maxim Leitsch festzumachen, wäre nicht fair. Der Zeitpunkt war maximal unglücklich, eine Korrektur nicht mehr möglich. „Ich habe es Maxim direkt gesagt: Fehler passieren, er hat uns schon so oft gerettet“, berichtet Kapitän Anthony Losilla. Unmittelbar nach der unglücklichen Szene war er der erste, der seinen Mitspieler tröstete, nach dem Abpfiff taten es ihm die Teamkollegen gleich. Auch von den Fans gab es aufmunternde Worte.

„Es hat nicht viel gefehlt, um ins Halbfinale zu kommen“, sagt Losilla, der in seiner Karriere schon einige schwierige Situationen gemeistert hat. Gleiches gilt für Trainer Thomas Reis, der sich sicher ist: „Maxim muss damit klarkommen, aber er wird daraus lernen und daran wachsen. Er spielt eine gute Saison.“ Das war auch gegen Freiburg der Fall, bis zur 120. Minute. Eine Notbremse, das zeigen die TV-Aufnahmen, war kaum möglich, der Abstand zu Sallai zu groß.

Locadia verletzt, Polter trifft

Dass der VfL das Spiel überhaupt mit elf Mann beendete, war ohnehin etwas glücklich. Ende der ersten Halbzeit packte Jürgen Locadia Gegenspieler Philipp Lienhart am Hals und schubste ihn um. Das Schiedsrichtergespann, inklusive VAR, wertete diese Aktion nicht als Tätlichkeit. Glück gehabt. Locadia hielt trotzdem nicht länger durch, musste mit Rückenproblemen ausgewechselt werden, wurde sogar ins Krankenhaus gebracht. Eine Diagnose steht noch aus.

Immerhin: Sebastian Polter, der für ihn ins Spiel gekommen war, erzielte nach einer Maßflanke von Elvis Rexhbecaj per Kopf den 1:1-Ausgleich. Zuvor waren die Freiburger durch ein Abstaubertor von Nils Petersen in Führung gegangen. Der VfL Bochum hatte in einem engen, ausgeglichenen Spiel die besseren Chancen, spielte das eigene Tempo immer wieder aus. „Nur der letzte Pass war oft nicht sauber“, ärgert sich Trainer Thomas Reis.

Samstag gegen Fürth

Freiburg hingegen war ballsicherer, defensiv standen beide gut. Erst ging es in die Verlängerung, dann deutete alles auf ein Elfmeterschießen hin – dazu kam es nicht mehr. „Wir müssen das Spiel schnell verarbeiten. Wir haben schon am Samstag eine sehr wichtige Partie in der Bundesliga“, betont Kapitän Losilla. Zwei, eher drei Siege wird der VfL aus den letzten zehn Spielen benötigen, um die Klasse zu halten. Der Pokal war Bonus, die Meisterschaft ist das Kerngeschäft.

Enden soll diese Woche nun mit einem Erfolg gegen Mitaufsteiger Greuther Fürth. Keine drei Tage haben die Bochumer nun Zeit, sich zu erholen. Während die Franken unter der Woche pausieren konnten, musste der VfL 120 Minuten spielen – eine körperliche, vor allem aber auch mentale Belastung nach diesem Spielausgang. Jetzt aber mit einem Sieg zu antworten, würde dazu führen, dass schon ab Samstag niemand mehr an Lüttich oder Freiburg denkt…

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Kommentar

VfL Bochum: Die schönste Nebensache der Welt

Schon die Musikauswahl war eine besondere. „Give peace a chance“ von John Lennon wurde gespielt, auch „Heal the world“ von Michael Jackson war am Sonntag vor dem Spiel gegen Leipzig im Ruhrstadion zu hören. Einige Fans hatten extra eine Ukraine-Flagge mitgebracht, manch einer Kleidungsstücke oder Pappschilder mit einer klaren Botschaft: „Stop war“. Der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine lässt auch die Anhänger des VfL Bochum nicht kalt.

Fußball verbindet

Doch wie sollten Fans, auch Journalisten, angemessen mit der Situation umgehen? Ist es richtig, in diesen Tagen über Siege und Niederlagen im Sport zu schreiben, wie wir es immer getan haben? Über kompromisslose Abwehrleistungen, mutige Angriffe? Die Bedeutung dieser Worte verändert sich, es fällt schwer, nur an Fußball zu denken – und nicht an das, was uns alle beschäftigt: Die Lage im Osten Europas, die Drohungen von Wladimir Putin, einem Unberechenbaren.

Doch der Fußball kann auch helfen. Der Sport, das Stadionerlebnis verbindet. Wir treffen Freunde, Kollegen, Bekannte. Wir reden miteinander. Über Ängste, Sorgen, Ungewissheiten. Aber: Wir lachen – trotz allem – auch gemeinsam, jubeln über Tore, über besondere Momente. Uns geht es gut. Und eines wäre fatal: Unser Leben so einzuschränken, dass uns die Freude ganz vergeht. Denn das will Putin, ein Angstmacher, nämlich auch. Dass wir ehrfürchtig vor ihm erstarren.

Schönste Nebensache

Deshalb: Die schönste Nebensache der Welt (nie war dieser Satz passender!) schafft Ablenkung. Das war in den düsteren Phasen der Pandemie nicht anders. Der VfL, diese Mannschaft gibt alles dafür, sie begeistert, sie enttäuscht nicht. Genießt die Spiele gegen Freiburg und Fürth, feiert den vielleicht ersten Halbfinaleinzug im DFB-Pokal seit 34 Jahren, seit 1988. Damals, als viele dachten, die Welt würde endlich friedvoller werden…

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DFB-Pokal

Locadia statt Leifeld: Der VfL-Traum nach 34 Jahren

Uwe Leifeld, Ralf Zumdick oder Lothar Woelk: So hießen die Protagonisten beim bislang letzten Halbfinalspiel im DFB-Pokal, das der VfL Bochum im April 1988 bestritten hat. Nun, 34 Jahre später, möchte der Bundesligist erneut in die Runde der letzten vier Teilnehmer einziehen. Voraussetzung dafür ist ein Sieg an diesem Mittwoch im Heimspiel gegen den SC Freiburg.

Bayern, BVB und Co. – Favoriten schon raus

​Die Vorfreude in Bochum ist riesengroß. 10.000 Fans dürfen dabei sein, die Karten waren binnen weniger Minuten vergriffen. Die Fans träumen sogar schon vom Endspiel. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, sangen sie nach der unglücklichen 0:1-Niederlage gegen RB Leipzig am vergangenen Sonntag. Auch aus der Mannschaft gibt es ungewohnt forsche Töne. „Wir wollen ganz Deutschland zeigen, was wir können und natürlich das Halbfinale erreichen“, sagt Mittelstürmer Sebastian Polter. Selbstvertrauen haben die Bochumer offenbar, aus gutem Grund: Zwei Bundesligisten haben sie schon aus dem Wettbewerb geworfen. Zunächst den FC Augsburg, anschließend den FSV Mainz 05, den das Team von Trainer Thomas Reis im Achtelfinale mit 3:1 besiegt hat. Die größte Mühe hatte der VfL in der ersten Runde, als erst in der Verlängerung ein Sieg beim Regionalligisten Wuppertaler SV gelang.

Seither mussten viele Titelfavoriten die Segel streichen. Ob Bayern München, Borussia Dortmund oder Bayer Leverkusen: Sie alle sind nicht mehr dabei. Für den VfL Bochum bietet sich also die vielleicht einmalige Chance, im DFB-Pokal groß aufzutrumpfen. Nicht nur sportlich und emotional ist der Wettbewerb reizvoll, auch finanziell. Ein Halbfinaleinzug würde dem Klub rund zwei Millionen Euro bescheren; Einnahmen, die nicht eingeplant sind. Auch wenn der SC Freiburg zu den wohl stärksten Viertelfinalisten gehört, geht der VfL keineswegs als Außenseiter in das Duell. Gerade zu Hause ist der Revierklub nur schwer bezwingen, hat gegen Leipzig die erst dritte Niederlage im 14. Heimspiel kassiert. Und: Ende November hat der VfL die Breisgauer schon einmal besiegt, damals trafen Sebastian Polter und Milos Pantovic zum 2:1-Erfolg.

Reis rotiert – Wechsel in der Offensive

An diesem Mittwoch könnte es aber sein, dass den beiden nur die Jokerrolle bleibt. ​Denn personell könnte die Lage in dieser englischen Woche kaum besser sein. Bis auf Simon Zoller und Saulo Decarli stehen alle Spieler zur Verfügung. Thomas Reis wird wohl rotieren. Offensive Leistungsträger wie Gerrit Holtmann oder Jürgen Locadia, die gegen Leipzig nur rund 20 Minuten gespielt haben, könnten ins Team zurückkehren. Weitere Wechsel sind möglich, auch Konstantinos Stafylidis, Patrick Osterhage oder Christopher Antwi-Adjei drängen ins Team. Details verrät Thomas Reis im Vorfeld ohnehin nicht, setzt auf den Überraschungseffekt am Spieltag. Klar ist nur: „Wir wollen so aktiv verteidigen wie gegen Leipzig, nur vorne die Effektivität steigern. Dann kann uns mit den Fans im Rücken die nächste Sensation gelingen.“ Leifeld, Zumdick und Co. werden es sicher verfolgen…

(Foto: Imago / Eibner)

Bitteres 0:1 gegen Leipzig

VfL gegen RB: Niederlage, aber kein Rückschlag

Applaus gab es trotzdem, und nicht zu knapp. Rund 10.000 VfL-Fans sahen am Sonntagnachmittag gegen RB Leipzig den nächsten mutmachenden Auftritt ihrer Mannschaft – auch wenn es dafür keine Punkte gab. Christopher Nkunku, Leipzigs Top-Scorer, erzielte nach 82 Minuten das einzige Tor des Tages, der VfL verlor unglücklich mit 0:1. Der Siegtreffer kam praktisch aus dem Nichts. Denn eigentlich war Bochum gefährlicher, aktiver, bissiger. „In solchen Szenen sieht man die Qualität, die sie haben“, sagte VfL-Trainer Thomas Reis anerkennend. „Wir treffen stattdessen die Latte, den Pfosten oder schießen über das Tor.“ Die mangelhafte Chancenverwertung sei aber der einzige Vorwurf, den er seiner Mannschaft machen könne. „Stolz bin ich dennoch, wie wir wieder gegen ein Top-Team aufgetreten sind.“

Bochum stärker nach der Pause

Nach dem furiosen 4:2-Erfolg gegen die Bayern und dem 1:1 gegen Dortmund hätte der VfL also beinahe den nächsten großen Klub geärgert. „Wir sind ligaweit erst die dritte Mannschaft, die hier gewinnt“, stellte RB-Coach Domenico Tedesco hinterher fest. „Das wundert mich nicht: Bochum hat auch uns viel abverlangt.“ Wobei die Trainer in ihren Analysen wohl eher an das Geschehen in der zweiten Halbzeit gedacht haben dürften. In den ersten 45 Minuten kam nur wenig Spielfluss auf. Vor allem die Leipziger gingen nach intensiven Zweikämpfen mehrfach zu Boden, was Thomas Reis tierisch aufregte: „Wir waren etwas zu fair in einigen Momenten. Die Leipziger lagen oft auf dem Boden, und jedes Mal haben wir den Ball ins Aus gespielt. Sie haben uns clever aus dem Rhythmus gebracht.“

Echte Torchancen blieben gänzlich Mangelware. Beide Mannschaften hatten vor allem in der Offensive im großen Stil rotiert, Bochum viermal, Leipzig noch mehr. Die vielleicht stärksten Kräfte saßen zunächst auf der Bank. Nach der Pause nahm das Spiel dann aber Fahrt auf, wobei der VfL plötzlich die bessere Mannschaft war. Mit einer fast schon Bochum-typischen Energieleistung verteidigte der Aufsteiger leidenschaftlich, gewann viele Duelle und erspielte sich auch gute, gefährliche Torchancen. Doch Milos Pantovic setzte den Ball aus knapp 15 Metern über das Tor, Anthony Losilla traf nur die Latte, Christopher Antwi-Adjei den Pfosten. Der VfL kam dem Führungstreffer also deutlich näher, verdient wäre er auch gewesen. Doch dann schlug der Europa-League-Teilnehmer aus Leipzig eiskalt zu.

Der eingewechselte Benjamin Henrichs spielte den Ball geschickt durch eine Schnittstelle der Abwehr zum ebenfalls eingewechselten Christopher Nkunku, und der Franzose erzielte das späte 0:1. Die Statistik verrät, warum dieser Gegentreffer aus VfL-Sicht so bitter war: Es war der einzige Leipziger Schuss auf das Bochumer Tor. Ein großer Rückschlag dürfte diese Niederlage indes nicht sein. Denn zuletzt hat der VfL fleißig gepunktet, sich also einen durchaus komfortablen Vorsprung auf die Abstiegsränge erarbeitet. Zumal an diesem Wochenende kein einziger Verfolger dreifach gepunktet hat. „Wenn wir so weitermachen, dann werden wir auch in den kommenden Partien bestehen und den Klassenerhalt schaffen“, sagte Thomas Reis.

Jetzt das Pokal-Viertelfinale

Vor dem Aufsteiger-Duell gegen Greuther Fürth am kommenden Samstag steht aber zunächst das Pokalspiel gegen den SC Freiburg auf dem Programm. Mit einer ähnlich engagierten Leistung winkt den heimstarken Bochumern der erste Halbfinaleinzug seit 1988, also seit 34 Jahren. Damals stand der VfL sogar im Endspiel. Ein Vorteil für den Revierklub heute: Leistungsträger wie Gerrit Holtmann oder Jürgen Locadia haben gegen Leipzig nur rund 20 Minuten gespielt und dürften als frische Alternativen in die Startelf zurückkehren. Weitere Wechsel sind wahrscheinlich, auch Konstantinos Staylidis, Patrick Osterhage oder Christopher Antwi-Adjei drängen ins Team. Klar ist: Die Vorfreude auf dieses besondere Spiel ist schon jetzt zu spüren, die Chance auf einen historischen Erfolg vielleicht einmalig.

(Foto: Imago / Team 2)

Rexhbecaj, Löwen & Stafylidis

Bochums Leihtrio überzeugt – Verbleib aber fraglich

Edu, der VfL Bochum und die Nachspielzeit – das ist gewiss keine Erfolgsgeschichte. Doch 18 Jahre nach dem wohl tragischsten Moment der jüngeren Vereinsgeschichte sind die Erinnerungen ein wenig verblasst und der Spitzname „Edu“ wurde neu vergeben. Auf den hört beim VfL mittlerweile Eduard Löwen. Eben jener sorgte am vergangenen Wochenende in Stuttgart für den Ausgleichstreffer in der 94. Minute. Für Löwen war es das erste Bundesliga-Tor im VfL-Trikot, nachdem er gegen Mainz schon im Pokal getroffen hatte.

Qualität und Erfahrung auf Leihbasis

Eigentlich gehört die Hertha-Leihgabe zum Kreis der Stammspieler. Doch Trainer Thomas Reis setzte Löwen nach zwei Corona-Infektionen binnen weniger Wochen in Stuttgart nur als Joker ein. Zum ersten Mal in dieser Saison stand somit keiner der drei Leihspieler in der Anfangsformation. Das lag auch daran, dass Elvis Rexhbecaj, der ansonsten gesetzt ist, wegen einer Gelbsperre pausieren musste. Konstantinos Stafylidis, der Dritte im Bunde, wurde gemeinsam mit Löwen eingewechselt. Der griechische Außenverteidiger pendelt ähnlich wie sein Teamkollege zwischen Startelf und Reservebank, verpasste bislang aber nur fünf Bundesliga-Spiele.

Die Einsatzzeiten zeigen, dass der Plan von Manager und Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz aufgegangen ist. Mit Löwen, Rexhbecaj und Stafylidis hat er im Sommer drei bundesligaerfahrene Spieler verpflichtet, die für den VfL Bochum nur auf Leihbasis erschwinglich waren. Der Aufsteiger lockte das Trio mit Spielpraxis, die für Löwen in Berlin, für Rexhbecaj in Wolfsburg und für Stafylidis in Hoffenheim nicht in Sicht war. Weil die Ligakonkurrenten zu Kompromissen bereit waren, konnte der VfL die Qualität im Kader kurzerhand erhöhen. Eine Strategie, die zum Beispiel auch Vorjahres-Aufsteiger Arminia Bielefeld zum Klassenerhalt verholfen hat.

Fester Bestandteil der Mannschaft

In Bochum überzeugt vor allem Elvis Rexhbecaj in seiner Rolle als laufstarker und aggressiver Balleroberer. Trainer Thomas Reis bezeichnet ihn gerne als „Mentalitätsspieler“, der als Mittelfeldmotor fester Bestandteil der Mannschaft ist. Mehr Ruhe am Ball fehlt dem 24-Jährigen allerdings noch, genauso wie ein Tor. Da hat ihm Eduard Löwen seit wenigen Tagen also etwas voraus. Wobei der Standardspezialist trotz der gleichen Position ein anderer Spielertyp ist. Er ist weniger agil als Rexhbecaj, gehört dafür an guten Tagen zu den spielstärksten Bochumern. „Edu versucht leider noch zu oft, etwas Besonderes zu zeigen. Das muss er aber gar nicht“, sagte Thomas Reis neulich.

Löwen hat sein Potenzial also angedeutet, allerdings noch Luft nach oben. Was sicher auch daran liegt, dass ihn im Sommer zunächst die Olympia-Teilnahme etwas aus der Spur gebracht hat, und zuletzt zwei Corona-Infektionen. Ähnlich erging es auch Konstantinos Stafylidis, der zum Jahresbeginn infiziert war, sich aber schnell erholt hat. Der Defensivspezialist ist die Bochumer Allzweckwaffe. Mal wird er als Linksverteidiger gebraucht, also auf seiner Stammposition, hin und wieder im defensiven Mittelfeld, häufiger auch als Rechtsverteidiger. Mit seiner resoluten Zweikampfführung, seiner Leidenschaft und Erfahrung braucht er keine große Anlaufzeit.

Keine Kaufoptionen vereinbart

Klingt also alles wunderbar. Einen Haken gibt es allerdings: Dass das Trio über den Sommer hinaus gemeinsam in Bochum spielen wird, ist eher unwahrscheinlich. Den Klassenerhalt vorausgesetzt, werden die Bochumer in allen drei Fällen natürlich die Möglichkeiten einer Weiterverpflichtung ausloten. Dann geht es aber nicht nur darum, was der VfL und was die Spieler wollen, sondern auch, wie Wolfsburg, Hertha und Hoffenheim planen. Rexhbecaj ist noch bis 2023 an Wolfsburg gebunden, ebenso wie Stafylidis an Hoffenheim. Bei Eduard Löwen läuft der Vertrag sogar bis 2024. Bei ihm wäre theoretisch sogar eine Verlängerung der Leihe denkbar, konkrete Pläne gibt es aber noch nicht.

Frühestens im Mai, wenn klar ist, wer in welcher Liga spielt und wer wo Trainer ist, sind Entscheidungen zu erwarten. Kaufoptionen hat der VfL in allen drei Fällen nicht vereinbart. Das hätte wirtschaftlich auch gar nicht funktioniert. Selbst als Bundesligist wird der VfL im kommenden Sommer nur kleinere Investitionen tätigen können. Nur ein Entgegenkommen der abgebenen Vereine könnte einen Verbleib der Leihspieler möglich machen. Stand jetzt ist das bei Löwen oder Stafylidis eher denkbar als bei Rexhbecaj. Denn für ihn hat Wolfsburg in der Vergangenheit schon bis zu sieben Millionen Euro verlangt.

Wenn das Leben ein Wunschkonzert wäre: Welche Spieler sollen über den Sommer hinaus beim VfL bleiben? (Mehrfachnennungen möglich)

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(Foto: Firo Sportphoto)

1:1 in Stuttgart

Bochumer Stärke: Diese Mannschaft gibt nie auf

​Eduard Löwen hat Nerven wie Drahtseile. In der letzten Minute der Nachspielzeit schnappt sich der eingewechselte Mittelfeldspieler den Ball und tritt an den Elfmeterpunkt. Trifft er, holt der VfL einen Punkt, vergibt er, dann gewinnt der VfB Stuttgart.

Löwen erfüllte seinen Auftrag – und knapp 1.000 Bochumer, die sich trotz des Sturmtiefs bis nach Stuttgart durchgekämpft haben, feierten das späte Unentschieden. Der Punkt war glücklich, aber trotzdem nicht unverdient. Denn wie so oft hat der VfL nicht aufgegeben und bis zum Schluss an seine Chance geglaubt – längst eine Stärke dieser Mannschaft, die in den letzten vier Partien nach einem Rückstand noch gepunktet hat. „Ich bin sehr froh darüber, dass wir das 1:1 mit der letzten Aktion mitgenommen haben“, sagte Trainer Thomas Reis kurz nach dem Abpfiff, und gab freimütig zu: „Hurra-Fußball war das nicht.“

Treffend zusammengefasst, denn wenig erinnerte an den furiosen 4:2-Sieg gegen Bayern München in der Vorwoche. Mit einer konzentrierten Abwehrleistung und einem engagierten Gesamtauftritt hinterließ der VfL in der ersten Halbzeit zwar einen ordentlichen Eindruck. Doch gefährliche Torchancen blieben Mangelware – wie so oft in der Fremde. Hüben wie drüben hatten die Torleute wenig zu tun.

Eigentor durch Bella Kotchap

Das änderte sich nach der Pause, aber zunächst nur auf einer Seite. „Wir haben ein wenig den Faden verloren“, analysierte Thomas Reis und bedankte sich bei Manuel Riemann, der mehrfach glänzend parierte, einmal sogar mit dem Kopf. Bochums Stammkeeper war nach überstandener Corona-Infektion ins Team zurückgekehrt und hat seine gute Form nicht verloren. Aus mehreren Eins-gegen-Eins-Situationen ging er als Sieger hervor. Nur beim Gegentreffer war Riemann machtlos: Nach einer Ecke lenkte Armel Bella Kotchap den Ball unglücklich und etwas ungeschickt ins eigene Tor.

Vor dem 1:1 profitierten die Bochumer allerdings ebenfalls von einem Fehler in der Stuttgarter Hintermannschaft. Konstantinos Mavropanos ging ohne Not in einen Bodenzweikampf und grätschte Bochums Sebastian Polter einfach um – ein klares Foul und somit ein Elfmeter, den Löwen sicher verwandelte. „Es war eine heikle Situation, da ich VfB-Keeper Florian Müller aus der Jugend kenne. Ich wusste selbst beim Anlaufen noch nicht, in welche Ecke ich schießen soll“, erklärte der umjubelte Torschütze. „Aber im Endeffekt ist es ja gut ausgegangen.“

Stimmt. Der VfL hat einen weiteren Punkt auf dem Konto, und gefühlt sogar den nächsten Sieg gefeiert. Klingt zunächst unlogisch, ist mit einem Blick auf die Tabelle aber nachvollziehbar: Denn mit dem späten Ausgleich bleibt der Vorsprung auf den VfB Stuttgart und somit auf den ersten direkten Abstiegsplatz komfortabel. Anderenfalls wären die Schwaben herangerückt. „Es ist ganz wichtig, dass wir weiter zehn Punkte vor Stuttgart liegen“, weiß Kapitän Anthony Losilla.

Drei Heimspiele in Serie

Die nächsten (großen) Schritte auf dem Weg zum Klassenerhalt können die heimstarken Bochumer nun im eigenen Stadion gehen. Gleich dreimal innerhalb einer Woche tritt der VfL im Ruhrstadion an: Am nächsten Sonntag kommt Leipzig an die Castroper Straße, sechs Tage später Mitaufsteiger Fürth. Dazwischen gibt es das Viertelfinale gegen Freiburg im DFB-Pokal. Spieler mit guten Nerven, die immer an sich glauben, werden auch dann wieder gebraucht…

(Foto: Firo Sportphoto)