4:3-Sieg in Dortmund

Derbysieg & Klassenerhalt: Das doppelte Wunder

Wenn eines Tages wieder ein Historiker auf die Idee kommt, ein Buch über den VfL Bochum zu schreiben, dann dürfte das Kapitel über die Jahre 2020 und folgende ziemlich viel Platz einnehmen. Erst die Wiederauferstehung nach der Corona-Pause, dann die Rückkehr in die Bundesliga, und nun der nächste Meilenstein: Bochum bleibt Bundesligist, der Klassenerhalt ist geschafft. Ausgerechnet, und das macht die Geschichte so kitschig schön, nach einem furiosen 4:3-Derbysieg beim BVB. 

Wer die beiden Spitzenteams der Liga besiegt, der hat es am Ende auch verdient. Schon gegen die Bayern im Februar bewies der VfL, es an guten Tagen mit jedem Gegner aufnehmen zu können, gewann hochverdient mit 4:2. Nur zweieinhalb Monate später den nächsten denkwürdigen, vielleicht noch emotionaleren Sieg nachzulegen, konnte da allerdings noch niemand ahnen. Zwei Spiele für die Ewigkeit – in dieser Saison macht es einfach Spaß, Fan des VfL Bochum zu sein.  

Sieben Tore im Derby

Vor allem, wenn die eigene Mannschaft den zurzeit einzigen Reviernachbarn in der Bundesliga im eigenen Wohnzimmer niederringt. Schon nach acht Minuten führten die Bochumer mit 2:0. Sie ließen sich auch von zwei Handelfmetern vor der Pause und der Dortmunder Führung nach knapp einer Stunde nicht aus der Bahn werfen. In einem rasanten, chancenreichen und verrückten Revierderby war es schließlich ein eigener Handelfmeter, der den Bochumer Auswärtssieg möglich machte.

Der Rest war Jubel. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff rannte die ganze Mannschaft zum Gästeblock, viele kletterten auf den Zaun. Manuel Riemann mit Sonnenbrille, Anthony Losilla oberkörperfrei und der sonst so stille Robert Tesche durften sogar aufs Vorsängerpodest. Elvis Rexhbecaj hatte Thomas Reis im Schlepptau, der sich ebenfalls feiern ließ, auch mit einer Bierdusche. Die Dortmunder Blöcke leerten sich, doch kein Bochumer trat den kurzen Heimweg an. Es wurde gesungen, gelacht und getrunken.

Party in Bochum

Erst als jeder Gesang einmal angestimmt war und das Bier zuneige ging, ging die Party woanders weiter: Bei der Mannschaft in der Kabine und schließlich im Bermuda-Dreieck, bei den Fans auf dem Weg von Dortmund nach Bochum und irgendwann verteilt in den Kneipen der Stadt. Das doppelte ‚Wunder‘, mit Derbysieg und Klassenerhalt, ist geschafft – und wird gefeiert wie der Aufstieg. Einziger Unterschied: Mannschaft und Fans können es gemeinsam genießen. Bilder, die es sicher ins Geschichtsbuch schaffen.

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(Foto: Imago / Uwe Kraft)

Klassenerhalt

VfL tanzt in den Mai – und ins zweite Jahr Bundesliga

Gegen 21.30 Uhr traf auch der Cheftrainer ein, und die Runde war komplett. In einem bekannten Lokal im Bochumer Bermuda-Dreieck hatte die Mannschaft am Samstagabend eine spontane Party arrangiert, um den 4:3-Derbysieg beim BVB und vor allem den Klassenerhalt gebührend zu feiern. Ganz allein war sie natürlich nicht. Auch die Fans steuerten das Szeneviertel an. Im Laufe des Abends, als sich herumgesprochen hatte, wo sich die Derbysieger nun aufhalten, wurde es immer voller. Schließlich feierten Spieler und hunderte Anhänger gemeinsam, Stunden nach dem Abpfiff, bis weit in die Nacht – Momente, die es immer seltener gibt, weil sich Profis und Fans oft in anderen Welten bewegen.

Riemann besonders glücklich

Doch Volksnähe hatten Manuel Riemann, Simon Zoller und Co. schon im Stadion demonstriert. Mit dem Abpfiff begann der Bochumer Tanz in den Mai – und ins zweite Jahr Bundesliga. „Das sind Emotionen pur, wenn du vier Tore in Dortmund schießt, das Spiel drehst und nicht mehr auf die anderen Ergebnisse schauen musst. Wir haben ganz Bochum stolz gemacht“, sagte Trainer Thomas Reis. Für ihn steht der Klassenerhalt auf einer Stufe mit dem Aufstieg. Allerdings hat der VfL in der Bundesliga noch viel mehr Eindruck hinterlassen. Mit dem Klassenerhalt haben nur wenige gerechnet, schon gar nicht so souverän und drei Spieltage vor Schluss. Eine echte Krise gab es nie, Rückschläge wurden gut weggesteckt, die Mannschaft zeigte sich widerstandsfähig und stets leidenschaftlich.

Frech und forsch ist der VfL nach Anlaufschwierigkeiten aufgetreten, mit viel Tempo, etlichen Traumtoren, taktischer Disziplin und ganz viel Teamgeist. „Wir sind eine Einheit, geben alles auf dem Platz. Mit unserem kleinen Etat und mit ganz vielen Spielern, die schon in der 2. Liga dabei waren, haben wir die Klasse gehalten. Da muss man vor der Mannschaft den Hut ziehen“, lobt Manuel Riemann seine Teamkollegen, aber auch sich selbst. Bochums Torhüter freute sich über den Derbysieg vielleicht am meisten: „Ich war verletzt, als wir aufgestiegen sind. Beim Sieg gegen Bayern München hatte ich Corona. Das war heute das dritte Highlight, und endlich konnte ich dabei sein. Es war immer mein Traum, vor so einer Kulisse zu spielen und dann auch noch zu gewinnen.“

Rund 10.000 Bochumer waren in die Nachbarstadt gereist, und sie sahen ein Spiel, das ihnen noch lange in Erinnerung bleiben wird. Auch die Fans haben über Monate dazu beigetragen, dass es in der Bundesliga weitergeht. Jedes Heim- und Auswärtsspiel wurde zelebriert, die gute Stimmung hinterließ Eindruck im ganzen Land. Ein Derbysieg in Dortmund, verbunden mit dem sicheren Klassenerhalt, „ist nun die Krönung der Saison“, sagt Thomas Reis. Der Trainer kennt den Klub so gut wie kaum ein anderer, vergleicht die Euphorie nur mit einem Moment: „Es fühlt sich so ähnlich an wie in den Neunzigern, als wir zum ersten Mal in den Europacup eingezogen sind.“ Auch seinerzeit feierten Spieler und Fans gemeinsam im Bermuda-Dreieck, ehe sie die nächsten Aufgaben ins Auge fassten.

Noch zwei Spiele bis zur Pause

Vorbei ist diese Saison ja noch nicht. Zunächst kommt Arminia Bielefeld nach Bochum, anschließend ist der VfL zu Gast bei Union Berlin. Danach geht es für die Verantwortlichen um die Frage, wie sich der Klassenerhalt wiederholen lässt. „Für mich ist jetzt schon klar, dass es noch schwerer werden wird“, glaubt Thomas Reis. Das zweite Jahr gilt als besonders kompliziert, wenn die Euphorie nachlässt und Leistungsträger gehen. Beides ist aber keine Gesetzmäßigkeit. Deshalb sei noch einmal an die glorreiche Zeit im UEFA-Cup erinnert. Damals blieb das Team nach gemeinsamen Erfolgen weitestgehend zusammen. Doch wahrscheinlich ist dieser Gedanke selbst für Bochum etwas zu romantisch…

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(Foto: Imago / osnapix)

Derby in Dortmund

Rekordbesuch: Mit 10.000 VfL-Fans zum Klassenerhalt

Ausgerechnet zum Maiabendfest an diesem Wochenende treffen der VfL Bochum und Borussia Dortmund wieder aufeinander. Der Legende nach haben die Dortmunder den Bauern aus Harpen im Jahr 1388 ihr Vieh gestohlen, doch die Bochumer brachten es ihnen zurück.

Elf tapfere und mutige Bochumer werden auch am Samstag ab 15.30 Uhr im Westfalenstadion gebraucht. Über mangelnde Unterstützung können sie sich jedenfalls nicht beklagen. Offiziell reisen mindestens 8.000 VfL-Fans über die alte B1 nach Dortmund, wahrscheinlich werden es noch deutlich mehr sein. Zahlreiche Bochumer deckten sich am Mittwochmorgen beim freien Ticketverkauf über die Website des BVB ein, füllten fast ganze Blöcke in der Nähe des Gästebereichs. Insgesamt war die Nachfrage für ein Auswärtsspiel so groß wie seit mindestens einer Dekade nicht mehr – ein Rekordbesuch also, für den einige Fans jedoch schwitzen mussten.

Große Ticketnachfrage

Zum einen finanziell: Bis zu 50 Euro kosteten die Tickets im Gästeblock, bei eher mäßiger Sicht. Zum anderen auch organisatorisch: Beim Ticketverkauf über die VfL-Website am Montag ging es wieder einmal um Sekunden. Vor allem die Stehplätze waren rasch vergriffen, zusammenhängende Sitzplätze nur teilweise zu bekommen. Kritik gab es schon im Vorfeld am Vergabeverfahren. Zahlreiche Fans äußerten sich in den sozialen Medien kritisch zu der Möglichkeit, dass jeder Dauerkarteninhaber und jedes Vereinsmitglied bis zu vier Tickets bestellen durfte. In der Praxis war es aber kaum möglich, diese auch zu erhalten. Auf Anfrage von Tief im Westen – Das VfL-Magazin erklärt ein Vereinssprecher, dass „diese Lösung bislang bei allen Auswärtsspielen unter denselben Vorbedingungen“ zur Verwendung kam. Im Schnitt wurden 2,1 Karten pro Person verkauft, teilt der VfL mit. Klar ist jedenfalls: Der Gästeblock wird voll sein, auch in anderen Blöcken wird das eine oder andere VfL-Trikot zu entdecken sein. Kenner der Szene gehen von rund 10.000 Bochumern aus, vielleicht werden es noch mehr.

Zwei sichere Ausfälle

Auch für die allermeisten Spieler wird das eine neue Erfahrung sein, vor insgesamt rund 80.000 Zuschauern zu spielen, genauso wie für Trainer Thomas Reis, der nach seiner Sperre wieder an der Seitenlinie stehen darf: „Für mich als Trainer ist es das erste Spiel vor einer solchen Kulisse. Wir hoffen, dass wir es ähnlich offen gestalten können wie das Spiel in der Hinrunde.“ Dafür sei aber eine deutliche Leistungssteigerung im Vergleich zu den enttäuschenden Auftritten gegen Freiburg und Augsburg vonnöten. Das Besondere: Mit einem Sieg beim Revierrivalen könnten die Bochumer den Klassenerhalt endgültig perfekt machen. Sollte Stuttgart im Parallelspiel gegen Wolfsburg nicht gewinnen, wäre das Ergebnis in Dortmund zweitrangig. „Als Sportler möchte man es natürlich aus eigener Kraft schaffen. Aber wenn wir in Dortmund vielleicht nicht erfolgreich sein sollten, aber durch ein anderes Ergebnis in Stuttgart, dann wäre die Erleichterung trotzdem groß.“

Personell schaut es im Grunde gut aus, es gibt nur zwei sichere Ausfälle – beide auf der Linksverteidiger-Position. Danilo Soares fehlt angeschlagen, und Konstantinos Stafylidis ist weiterhin gesperrt. Über eine mögliche Verkürzung der Sperre soll am Montag verhandelt werden. Die Alternativen heißen Maxim Leitsch (dann mit Erhan Masovic zentral) oder Herbert Bockhorn. Sollte auch Cristian Gamboa kurzfristig ausfallen (seine Frau erwartet in diesen Tagen ein Kind), würde sich die Frage nicht mehr stellen. Unabhängig davon deuten sich nach drei torlosen Partien in Folge auch in der Offensive Veränderungen an.

Ungewohnte Kulisse

Wichtiger als einzelne Personalien sind aber ohnehin das Auftreten und die taktische Disziplin der gesamten Mannschaft, sagt Thomas Reis: „Entscheidend ist, dass wir es deutlich besser machen als in den vergangenen Partien. Wir haben zu viele Fehler gemacht, das ganze Konstrukt hat zuletzt nicht mehr gepasst. Das, was uns oft ausgezeichnet hat in dieser Saison, das müssen wir wieder zeigen: Gute Defensivarbeit, hartes Anlaufen, um wirklich alles zu verteidigen.“ Dass sich seine Spieler von der ungewohnten Kulisse zu sehr beeindrucken lassen, hofft er nicht: „Ein bisschen staunen dürfen wir, aber mit Anpfiff muss das vorbei sein. Und wir wissen ja, dass wir auch genügend eigene Fans im Rücken haben…“  

(Foto: Firo Sportphoto)

0:2 gegen Augsburg

VfL wartet auf Party und Planungssicherheit

Eigentlich war schon alles für eine kleine Feier vorbereitet. Mit einem Sieg gegen den FC Augsburg hätte der VfL Bochum am Sonntagnachmittag schon vier Spieltage vor Saisonende den Klassenerhalt perfekt machen können. Doch statt der Party gab es eine bittere Niederlage. Mit 0:2 verlor der Revierklub gegen die abstiegsbedrohten Schwaben. Trotzdem bleibt die Situation aus Bochumer Sicht komfortabel. Acht Punkte Vorsprung sind es auf den Relegationsplatz. Direkt absteigen kann der VfL nicht mehr. Um letzte Zweifel aus dem Weg zu räumen, muss sich der sonst so mutige und überraschend souveräne Aufsteiger aber wieder steigern.

Ähnlich wie am Osterwochenende in Freiburg zeigten die Bochumer auch gegen Augsburg eine ziemlich schwache Leistung. „Wobei ich der Mannschaft in punkto Bereitschaft und Intensität keinen Vorwurf machen kann“, sagte Co-Trainer Markus Gellhaus, der den gesperrten Thomas Reis vertrat. Ohne den Chefcoach lief es irgendwie nicht rund. Der VfL tat sich von Beginn an schwer, leistete sich schwerwiegende Abwehrfehler und entwickelte kaum bis gar keine Torgefahr. „Wir haben im Spielaufbau und vor allem im letzten Drittel zu viele Fehler gemacht“, analysierte Gellhaus. „Das war der Knackpunkt, neben den Fehlern, die zu den Gegentreffern geführt haben.“

Leitsch patzt bei Rückgabe

Bereits nach 15 Minuten jubelten die Gäste, als Andre Hahn einen Patzer von Maxim Leitsch zur frühen Führung nutzte. Bochums Innenverteidiger war eine Rückgabe missglückt, Hahn schnappte sich den Ball und traf. Leitsch hatte sich einen ähnlichen Fehler schon vor einigen Wochen im Pokal gegen Freiburg geleistet, da passierte es in der letzten Minute. Nun blieb noch genug Zeit, das Spiel zu drehen. Doch der VfL, der mit Gerrit Holtmann und etwas überraschend auch mit Simon Zoller begann, blieb trotz sichtbarer Bemühungen ungefährlich. Augsburg verteidigte clever, konsequent und legte kurz vor der Pause den zweiten Treffer nach.

Nach einem unnötigen, eigentlich aber nicht strafbaren Kontakt von Danilo Soares gegen Daniel Caligiuri zeigte Schiedsrichter Bastian Dankert auf den Elfmeterpunkt. Augsburgs Angreifer befand sich an der Kante des Strafraums mit dem Rücken zum Tor, Soares berührte ihn leicht an der Wade. Ob der Video-Assistent die Szene überprüft hat, bleibt offen. „Uns wurde gesagt, dass die Szene angesehen wurde“, verriet Gellhaus auf Nachfrage, während sich der DFB, der eigentlich jeden Check öffentlich macht, zu keinem Zeitpunkt regte. Wie auch immer: Der Ex-Bochumer Michael Gregoritsch trat an und verwandelte gegen Manuel Riemann.

Auch die zahlreichen Wechsel kurz nach der Pause brachten kaum neuen Schwung ins Bochumer Spiel, vieles blieb Stückwerk. Der Anschlusstreffer lag zu keinem Zeitpunkt in der Luft. „Wir haben in den letzten drei Spielen kein Tor erzielt“, merkte der eingewechselte Sebastian Polter kritisch an. „So kann man in der Bundesliga kaum punkten.“ Zum ersten Mal in dieser Saison verabschiedeten sich zahlreiche Zuschauer schon vor dem Schlusspfiff, die Stimmung im Stadion war ohnehin schon besser, auch bei Niederlagen. Partyatmosphäre kam nur beim Anpfiff auf, danach wurde es im fast ausverkauften Stadion merklich ruhiger.

Jetzt gegen Dortmund

Der Klassenerhalt wurde also erneut vertagt, zu einer Entscheidung kommt es frühestens am kommenden Wochenende. Entweder dann, wenn Stuttgart gegen Wolfsburg nicht gewinnt, oder wenn der VfL den BVB besiegt. „Ist natürlich eine schwere Aufgabe, aber wir haben schon gezeigt, dass wir solche Teams schlagen können“, sagte Polter, der seinem Verein mit einem Erfolg im Derby Planungssicherheit verschaffen könnte. Die wird dringend benötigt. Nach wie vor laufen elf Spielerverträge aus, die Zukunft zahlreicher Profis ist ungewiss. Wobei sich in einigen Fällen Tendenzen abzeichnen, mehrere Abgänge sind wahrscheinlich.

Aufstiegsheld Robert Tesche hat seit Anfang Februar nicht mehr gespielt, ein neuer Vertrag käme überraschend. Auch Eduard Löwen und Jürgen Locadia haben zuletzt kaum Werbung in eigener Sache betrieben. Neben der schwierigen Finanzierung ist außerdem fraglich, ob sie überhaupt bleiben wollen. Bei Löwen fiel schon nach dem so wichtigen Sieg in Hoffenheim auf, dass er als einziger Spieler fast regungslos vor dem feiernden Gästeblock stand. Ähnliches gilt für Locadia, der nach dem Abpfiff gegen Augsburg erneut kommentarlos verschwand. Auch wenn es nicht die erhoffte Party gab: Ein Gang zu den Fans sollte immer möglich sein.

(Foto: picture alliance)

Doppel-Abgang denkbar

Domino-Effekt: Leitsch und Bella Kotchap begehrt

Defensiv so anfällig wie jüngst in Freiburg präsentierte sich der VfL Bochum in dieser Saison äußerst selten. Erstmals seit Anfang Oktober kassierte der VfL mehr als zwei Gegentreffer in einer Partie. An dieser erfreulichen Bilanz haben vor allem zwei Eigengewächse ihren Anteil: Armel Bella Kotchap und Maxim Leitsch haben zuletzt mit wenigen Ausnahmen das Innenverteidiger-Duo gebildet und als solches überzeugen können. Beide spielen seit der Jugend an der Castroper Straße, sind mit dem VfL in die Bundesliga aufgestiegen und glänzen nun auch dort.

Dem VfL winkt eine hohe Ablöse

​Dass sie auch in der kommenden Saison gemeinsam das VfL-Trikot tragen, ist jedoch ziemlich unwahrscheinlich. Beide Spieler haben das Interesse anderer Vereine auf sich gezogen, denn sie bringen Qualitäten mit, die auch andere Vereine suchen: Leitsch gehört zu den schnellsten Innenverteidigern der Liga, ist Linksfuß und mit 23 Jahren noch im entwicklungsfähigen Alter. Bella Kotchap ist sogar noch jünger. Er ist erst 20 Jahre alt, ebenfalls schnell, darüber hinaus aber auch physisch sehr stark. Deshalb ist der U21-Nationalspieler nicht nur in Deutschland begehrt, sondern auch im Ausland. Schon in der Vergangenheit gab es Anfragen aus England und Italien. 

Hergeben möchte der VfL Bochum seine beiden Jung-Stars freilich nicht, doch die Marktmechanismen sind bekannt – und eine finanzielle Entschädigung winkt schließlich auch. Leitsch ist noch bis 2023, Bella Kotchap bis 2024 den VfL gebunden. Eine Verlängerung ist in beiden Fällen nicht zu erwarten. Bei Leitsch soll eine Ausstiegsklausel zum ‚Schnäppchenpreis‘ von drei Millionen Euro existieren, bei Bella Kotchap nicht. Für ihn verlangt der VfL wohl mindestens 10 Millionen Euro – für Bochumer Verhältnisse eine hohe Summe. Zur Einordnung: Der Lizenzspieleretat liegt aktuell bei rund 24 Millionen Euro. Das weiß auch Trainer Thomas Reis, der „natürlich sehr gerne mit beiden in die kommende Saison gehen“ würde, aber Realist ist: „Es gilt auch wirtschaftliche Faktoren zu berücksichtigen.“

Beide Spieler sind ambitioniert

Auch den Spielern winkt bei einer Vertragsunterschrift außerhalb von Bochum mehr Geld. Beide geben sich in dieser Angelegenheit jedoch eher wortkarg, lassen sich nur ungern in die Karten schauen. Vor allem Leitsch wägt die Vor- und Nachteile eines Wechsels genau ab, gilt als heimatverbunden, ist aber auch sportlich ambitioniert. Beim VfL kann er sich kaum noch neue Ziele stecken, den Aufstieg und Klassenerhalt hat er nun (fast) erreicht. Und eine Vorentscheidung hat Leitsch bereits im vergangenen Sommer getroffen. Im August hat er seinen Vertrag um ein Jahr verlängert – eine ungewöhnliche Laufzeit in seinem Alter. Der Hintergedanke: Wenn er nach der Saison wechselt, soll der VfL wenigstens finanziell profitieren. Schon da kokettierte Leitsch also mit dem nächsten Schritt.

Bella Kotchap, dessen Potenzial noch höher einzuschätzen ist, denkt ebenso an einen Abgang. Dass sein Vater, der eigentlich die Interessen seines Sohnes vertritt, laut SportBild einen professionellen Berater engagieren möchte, gilt in der Branche als fast sicheres Indiz für einen Vereinswechsel. Im Gegensatz zu Leitsch, der mit einer Ausstiegsklausel das Heft des Handelns selbst in der Hand hat, kann der VfL bei Bella Kotchap aber relativ entspannt in Verhandlungen mit anderen Vereinen gehen. Theoretisch könnten die Bochumer noch ein Jahr warten, auch 2023 würde es für Bella Kotchap noch eine Ablöse geben. Der VfL ist also nicht gezwungen, beide Innenverteidiger auf einmal abzugeben. Gleichwohl: Bei einem passenden Angebot ist ein Wechsel dennoch wahrscheinlich.

Viele Wechsel im Sommer

Zumal die Nachfrage für talentierte Innenverteidiger in diesem Sommer besonders groß sein dürfte. Mit dem feststehenden Abgang von Matthias Ginter, der Borussia Mönchengladbach verlässt, mit dem Wechsel von Bayern-Profi Niklas Süle zu Borussia Dortmund und dem möglichen Transfer von Freiburgs Nico Schlotterbeck zu einem der Top-Klubs könnte es auf dem deutschen Markt eine Art Domino-Effekt geben. Heißt: Vereine, die Spieler abgeben, schauen innerhalb der Liga nach potenziellen Nachfolgern – und könnten dabei auch in Bochum fündig werden.

(Foto. Imago / Team 2)

0:3 gegen Freiburg

Bochum sieht zweimal Rot: Schlappe mit Nachwirkung

Wenn Manuel Riemann schon gar nicht mehr meckert, sondern nur noch resignierend mit dem Kopf schüttelt, ist das kein gutes Zeichen. Mitte der zweiten Halbzeit, beim Stande von 0:3, war es so weit. Riemann hatte gerade allein gegen mehrere Freiburger den nächsten Einschlag verhindert. Seine Mitspieler waren bei einem indirekten Freistoß mal wieder zu weit weg von allen Angreifern und leisteten kaum Gegenwehr – wie im Prinzip über 90 Minuten. Nach einer katastrophalen ersten Halbzeit und einer nicht wesentlich besseren zweiten Hälfte war der Aufsteiger am Ende mit drei Gegentreffern sogar noch gut bedient. Diese Schlappe konnte und wollte auch keiner der Beteiligten schönreden.

Völlig verkorkster Auftritt

„Wir waren von Anfang bis Ende extrem schlecht. Wir hätten uns nicht beschweren können, wenn wir hier mit 0:5 oder 0:7 verlieren“, sagte Simon Zoller, der schon zur Pause eingewechselt wurde, das Ruder aber auch nicht mehr herumreißen konnte. Insgesamt drei Pausenwechsel – ein Novum unter Thomas Reis – verpufften fast wirkungslos. Spätestens mit dem 0:3 nach 53 Minuten war das Spiel entschieden. „Wir waren in allen Belangen komplett unterlegen. In keiner Phase ist es uns wirklich gelungen, dagegenzuhalten“, monierte der Trainer nach der Partie. Die energischen Freiburger waren von Beginn an dominant und führten bereits nach 16 Minuten mit 2:0. Der VfL verließ kaum die eigene Hälfte, kam nicht in die Zweikämpfe. Keiner erreichte nur annähernd seine Normalform – ein untypisch konfuser Auftritt, der gar nicht zur ansonsten guten Saison passt. Allenfalls das 0:7 in München und das 0:2 in Bielefeld passen noch in die Kategorie der völlig verkorksten Partien.

Zweimal Rot mit Folgen

Zu allem Überfluss beendeten die Bochumer das Spiel nur zu zehnt. Konstantinos Stafylidis sah in der zweiten Halbzeit nach einem Frustfoul die Rote Karte – eine nachvollziehbare Entscheidung, die der Spieler allerdings nur mit einem breiten Grinsen quittierte. Strafmildernd dürfte sich dieses Verhalten sicher nicht auswirken, Stafylidis wird große Teile des Saisonendspurts verpassen. Doch das wird nicht die einzige Nachwirkung der Aktion bleiben. Auch Thomas Reis droht eine Strafe. Schiedsrichter Sascha Stegemann hatte dem Chefcoach ebenfalls aus dem Innenraum verwiesen. Reis soll sich unangemessen zur Roten Karte gegen Stafylidis geäußert haben, was der Beschuldigte aber bestreitet: „Ich habe den Schweibenwischer gemacht. Dazu stehe ich, aber ich habe meinen Spieler gemeint, nicht den Schiedsrichter. Aber ich habe gleich gemerkt, dass der 4. Offizielle es auf sich bezieht.“ Jetzt muss Reis das Urteil des DFB-Sportgerichts abwarten, wahrscheinlich droht ihm aber ein Spiel Sperre.

Klassenerhalt gegen Augsburg?

Wird es beim VfL also doch noch einmal unruhig? Klar ist: Die Party für den Klassenerhalt ist vorerst vertagt. Wer auf ein besonders frohes Osterfest gehofft hatte, wurde bitter enttäuscht. Knapp 2.000 Bochumer waren mit nach Freiburg gereist. Dennoch: Weil sich Hertha und Stuttgart am kommenden Spieltag in der Abstiegszone gegenseitig die Punkte wegnehmen, genügt ein Sieg zu Hause gegen Augsburg, um auch rechnerisch für Klarheit zu sorgen. Dass Thomas Reis bis dahin besonders auf die Trainingsleistungen achten wird, liegt auf der Hand. Sein Vorteil: Alle Spieler sind fit, der Konkurrenzkampf ist groß – auch wenn sich das gegen Freiburg noch nicht leistungsfördernd ausgewirkt hat.

(Foto: Imago / Langer)

Kaderplanung

VfL Bochum will Hofmann: Jetzt könnte es klappen

Es ist längst kein Zufall mehr, dass der VfL Bochum auch in dieser Saison von größeren Verletzungsproblemen verschont bleibt. Von wenigen kurzfristigen Ausfällen abgesehen, kann Trainer Thomas Reis im Endspurt aus dem Vollen schöpfen. Läuft alles nach Plan, dann fehlt gegen den SC Freiburg am Karsamstag kein einziger Spieler mehr.

Hofmann im Sommer ablösefrei

Bis dahin soll auch Jürgen Locadia wieder einsatzfähig sein. Der Winter-Neuzugang würde die Möglichkeiten in der Offensive erweitern, ist aber keinesfalls gesetzt, nicht einmal für den Kader. Simon Zoller ist bekanntlich auch wieder fit und drängt ins Team. Die beiden Rückkehrer ähneln sich vom Spielertyp, haben einen großen Aktionsradius und grenzen sich somit klar von Zielspieler Sebastian Polter ab. Thomas Reis hat ein Sturm-Duo nie ausgeschlossen, bislang aber auch nicht praktiziert. Heißt: Drei Spieler kämpfen um eine Position. Und in Zukunft könnte es noch einen neuen Kandidaten geben. Denn der VfL hat Philipp Hofmann vom Karlsruher SC an der Angel.

Der Mittelstürmer zählt auch in dieser Saison zu den besten Torschützen der 2. Liga, hat in 29 Partien 17 Treffer erzielt. Laut BILD-Zeitung bahnt sich eine Verpflichtung an, nach Informationen der WAZ ist der Vertrag sogar schon unterschrieben – wobei die Spielerseite eine Einigung auf Anfrage von Tief im Westen – Das VfL-Magazin dementiert. Klar ist nur: Hofmann war bereits im vergangenen Sommer und Winter ein Kandidat, ein Transfer jedoch nicht zu finanzieren. Ab Juli aber ist der 29-Jährige ablösefrei zu haben, was für die Bochumer nach wie vor ein wichtiges Kriterium ist. Naheliegend also, dass die Verantwortlichen ihren Wunschtransfer jetzt realisieren wollen.

Locadias Verbleib ungewiss

Sportlich würde Hofmann eine Alternative zu Sebastian Polter darstellen, der momentan der einzig physisch starke Stoßstürmer im Kader des VfL ist. Mit acht Saisontoren ist er zwar der erfolgreichste Bochumer, fußballerisch aber nicht der beste. Hofmann wiederum ist stärker am Ball, ebenso wuchtig in Zweikämpfen und vor allem kopfballstark. Der junge Familienvater stammt aus dem Sauerland und will in die Bundesliga, die Neuland für ihn wäre. Für Trainer Thomas Reis allerdings kein Problem, der sich schon zu Zweitliga-Zeiten wertschätzend über Hofmann geäußert hat. Sein Berater pflegt überdies gute Verbindungen zum VfL – sicher kein Nachteil.

Für den VfL könnte es sich zudem als vorteilhaft erweisen, dass der Ligaverbleib so gut wie sicher ist. Die Planungen können konkreter werden. Das gilt schließlich auch für den eingangs erwähnten Jürgen Locadia. Ob er in Bochum bleiben wird, ist ungewiss, insbesondere im Falle einer Verpflichtung von Philipp Hofmann. Vier Stürmer auf einem hohen Gehaltsniveau wird sich der VfL nicht leisten können. Locadia kam im Januar aus England, absolvierte bislang neun Pflichtspiele und erzielte ein Tor. Grundsätzlich sind die Verantwortlichen von seinen Qualitäten überzeugt, ein Abgang ist aber wahrscheinlicher als ein Verbleib. Zumal Simon Zoller, den Locadia ersetzen sollte, wieder zurück ist.

Ganvoula könnte zurückkehren

Keine nennenswerte Rolle in den Planungen spielt indes Silvere Ganvoula. Der Angreifer kann bislang auch in Belgien nicht überzeugen, ist bei Cercle Brügge allenfalls Joker, wenn überhaupt. Stand jetzt wird er im Sommer nach Bochum zurückkehren. Doch dass er dort bis zum Vertragsende im Sommer 2023 bleiben wird, ist unwahrscheinlich.

(Foto: Eibner)