Bochum gegen Frankfurt

Erneut ohne Stöger: Für Letsch ist das System „zweitrangig“

Eigentlich hatte Thomas Letsch die Frage nach der Rolle von Kevin Stöger im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt längst beantwortet. Der Spielgestalter sollte von Beginn an auflaufen und nicht ein zweites Mal auf der Bank Platz nehmen. „Kevin Stöger fordert die Bälle, kann die entscheidenden Pässe spielen“, lobte Letsch den Österreicher in dieser Woche mehrfach in den höchsten Tönen. Der 54-Jährige hat erkannt, dass es wenig Sinn macht, den vielleicht besten Fußballer der Mannschaft auf die Bank zu setzen. „Als Kevin gegen Leipzig in die Partie kam, hat es unserem Spiel gutgetan.“ Doch am Donnerstag erfuhr Bochums Trainer, dass er umplanen muss. Stöger fällt wegen einer Corona-Erkrankung aus.

Erstes Heimspiel für Letsch

Für Letsch und den VfL ist das ein Ausfall, der nur schwer zu kompensieren ist. Denn viele Hoffnungen ruhten vor allem auf der Rückkehr von Stöger. Er sollte das Bochumer Angriffsspiel beleben, das in Leipzig praktisch nicht existierte. „Das Spiel war fürchterlich und ernüchternd“, sagte Letsch bereits zu Wochenbeginn. Der Fußballlehrer zeigte sich nach seiner persönlichen Auftaktniederlage durchaus selbstkritisch; er deutete an, mit dem Wissen von heute einige Entscheidungen womöglich anders zu treffen. „Auch wenn man nicht weiß, wie es dann gelaufen wäre“, schränkte er ein. „Aber natürlich lernt man immer dazu, sammelt Erkenntnisse.“ Klar ist: So passiv soll sich der VfL kein zweites Mal präsentieren.

„Wir müssen kompakter gegen und aktiver mit dem Ball sein“, lautet die Marschroute. So will der Trainer auch die Fans mitnehmen, die ihren Grundoptimismus zuletzt ein wenig verloren haben: „Ich erwarte nicht, dass sie uns von der ersten Minute an pushen. Ich erwarte von uns, dass wir sie mitnehmen und eine tolle Stimmung entfachen.“ Ob Letsch erneut auf die kritisch beäugte Dreierkette setzt, lässt er offen. „Alles ist möglich. Das System ist zweitrangig. Es geht um grundsätzliche Tugenden: In die gleiche Richtung zu agieren, gemeinsam zu attackieren, gemeinsam ins Gegenpressing zu gehen.“ Gegen Leipzig war offensichtlich, dass sich noch nicht jeder in dieser ungewohnten Grundordnung wohlgefühlt hat.

Stafylidis zurück im Kader

Auch deshalb sind personelle Veränderungen zu erwarten, bei einer Systemumstellung erst recht. Gute Chancen auf einen Startelfeinsatz hat zum Beispiel Konstantinos Stafylidis, der wieder fit ist. „Er verkörpert alles, was wir jetzt brauchen“, sagte Letsch über den Defensivallrounder, den er vorzugsweise auf der linken Seite sieht. Auch weiter vorne sind Änderungen angedacht, sogar notwendig. Gegen Leipzig hat Letsch lediglich zwei Offensivkräfte aufgeboten. Gesucht wird – nach dem Ausfall von Stöger – unter anderem ein Spielgestalter. Mit Ausnahme von Dominique Heintz, Takuma Asano und Lys Mousset stehen alle Feldspieler zur Verfügung, sofern bis Samstag kein weiterer Corona-Fall hinzukommt.

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Wer folgt auf Reis?

Butscher will nicht: Diese Trainer könnte der VfL im Blick haben

Die Zeit der Spekulationen über Spielertransfers ist gerade erst vorbei, da schickt sich der VfL Bochum an, die Gerüchteküche erneut mit Leben zu füllen. Der Tabellenletzte der Bundesliga befindet sich nach der Trennung von Thomas Reis auf Trainersuche. Die Mission ist klar: Trotz des historisch schlechtesten Saisonstarts soll Ende Mai oder Anfang Juni 2023 der Klassenerhalt gelingen. Eine Herkulesaufgabe, für die sicher nicht jeder Fußballlehrer zur Verfügung steht. Einen Trainer zu beerben, der bei großen Teilen der Anhängerschaft unverändert Heldenstatus besitzt, kann eine undankbare Aufgabe sein. Zudem ist der VfL finanziell nicht auf Rosen gebettet, kann sich einige Trainer also schlicht nicht leisten.

Damit sind zuvorderst Domenico Tedesco und Adi Hütter gemeint, die in den Fanforen oder sozialen Netzwerken tatsächlich Erwähnung finden. Bei diesen Namen greifen einige Anhänger aber mindestens ein Regalfach zu hoch; das gilt womöglich auch für Markus Weinzierl oder Bruno Labbadia. Der VfL sucht schließlich einen Trainer, der nach Möglichkeit eine Perspektive über die Saison hinaus bietet – entweder in der Bundesliga oder eine Spielklasse tiefer. Wobei die Frage erlaubt sein muss, ob es sinnvoll ist, das Worst-Case-Szenario schon jetzt durchzuspielen. Steigt der neue Trainer am Ende der Saison ab, ist sein Ansehen womöglich so beschädigt, dass ein gemeinsamer Neustart in der 2. Liga kaum machbar erscheint.

Kein Feuerwehrmann gesucht

Wie auch immer: Einen klassischen Feuerwehrmann der Kategorie Friedhelm Funkel (oder gar Peter Neururer) möchte der neue Geschäftsführer Patrick Fabian nicht holen. Das hat er zu Wochenbeginn selbst betont. Ein Novize soll es aber auch nicht sein. Demzufolge scheidet Mark Fotheringham bereits aus. Dass der ehemalige Magath-Assistent ein (Wunsch-)Kandidat sein soll, hatte am Montag „The Scottish Sun“ berichtet. Allerdings besitzt Fotheringham noch gar keine Erfahrung als Cheftrainer, zur Stunde nicht einmal die Fußballlehrerlizenz; dieses Wagnis wird Fabian sicher nicht eingehen. Vermutlich hat Fotheringhams Beraters lediglich die Chance genutzt, seinen Klienten ins Gespräch zu bringen – in der Branche nicht ungewöhnlich.

Weil Fabian Erfahrung auf dem Trainerstuhl durchaus wichtig ist und der neue Sportchef des VfL auch die Einbindung von Eigengewächsen forcieren sollte, geraten vor allem Kandidaten wie Hannes Wolf, Sebastian Hoeneß und Florian Kohfeldt in den Fokus. Sie alle haben schon mindestens einen Bundesligisten und auch ein Nachwuchsteam trainiert, kennen teilweise sogar die 2. Liga. Hannes Wolf zum Beispiel, der aus Bochum stammt und in Dortmund lebt, ist aktuell Trainer der U20-Nationalmannschaft, stand aber schon für Stuttgart, Hamburg und Leverkusen an der Seitenlinie. Bei ihm ist nur fraglich, ob und zu welchen Konditionen er den DFB verlassen könnte. Sein Name war schon vor der Verpflichtung von Thomas Reis in der Verlosung, allerdings eher medial als intern.

Bundesliga-Erfahrung als Vorteil

Sofort verfügbar wäre dagegen Sebastian Hoeneß. Der Sohn von Dieter und Neffe von Uli hat zunächst in den Jugendabteilungen von RB Leipzig und Bayern München gearbeitet, bevor er im Sommer 2020 zur TSG Hoffenheim wechselte. Nach zwei teils erfolgreichen, teils weniger erfolgreichen Jahren war vor wenigen Monaten Schluss. Hoeneß gilt, genauso wie Wolf, als kommunikativ, bindet die Spieler in seine Überlegungen mit ein – fraglich ist jedoch, ob er Lust auf Abstiegskampf und ein deutlich geringeres Gehalt als im Kraichgau hat. Gleiches trifft auf Florian Kohfeldt zu, der sich nach seinem Aus beim VfL Wolfsburg ebenfalls auf Jobsuche befindet, aber nicht gezwungen ist, das erstbeste Angebot anzunehmen.

Realistischer – zumindest in der Theorie – wäre dann wohl eine Verpflichtung von Kandidaten wie Achim Beierlorzer oder Dimitrios Grammozis. Auch sie kennen die Bundesliga zum Großteil schon, haben aber nicht nur gute Erfahrungen gesammelt. Beierlorzer war mit Regensburg in der 2. Liga erfolgreich, in der Bundesliga mit Köln und Mainz eher nicht. Auch Grammozis‘ erster Anlauf ging schief – nebenan beim FC Schalke, wo er noch unter Vertrag steht, aber beurlaubt ist. Von 2012 und 2019 war Grammozis bekanntlich in Bochum; erst als Spieler in der damals noch existierenden Regionalliga-Mannschaft, später dann als Jugendtrainer.

Butscher geht zurück zur U19

Bis auf Beierlorzer sind die genannten Kandidaten alle jünger als Thomas Reis, der den VfL mit 48 Jahren verlassen musste. Ein ganz anderer Name, der in den zurückliegenden Tagen häufiger fiel, wäre hingegen deutlich älter. Uwe Neuhaus, ein Kind des Ruhrgebiets, würde gewiss nicht alle der genannten Kriterien erfüllen. Dennoch: Weil er die dringend benötigte Ruhe ausstrahlt, reichlich Routine mitbringt und als Trainer gilt, der besonders mit erfahrenen Spielern umzugehen weiß, könnte er gerade jetzt zum VfL passen. Die Bochumer stellen den ältesten Kader der Liga, die Führungsspieler haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Neuhaus stand bislang stets für Kontinuität, bei Union Berlin oder Arminia Bielefeld, wo er 2021 im Abstiegskampf gefeuert wurde.

All diese Gedankenspiele sind überhaupt erst notwendig, weil die naheliegendste Lösung keine mehr ist. Heiko Butscher, der die Mannschaft interimsweise übernommen hat, kommt für eine dauerhafte Beförderung nicht infrage. Der Fußballlehrer will zurück in den Nachwuchsbereich. Das kommt dem VfL durchaus gelegen, der mit dem 42-Jährigen fest als Trainer der U19 plant. Für Butscher könnte das Spiel gegen Köln am Sonntag also das vorerst letzte als Chef in der Bundesliga sein. Auch eine Überraschung wie einst mit Thomas Reis ist übrigens nicht ausgeschlossen. Gute Assistenz- oder Jugendtrainer mit Ambitionen gibt es schließlich genug, Dino Toppmöller und Andre Pawlak zum Beispiel, um nur zwei mit Bezug zur Region zu erwähnen.

Wunschkonzert: Wer soll neuer Trainer des VfL Bochum werden?

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(Foto: picture alliance)

Schlechter Saisonstart

Fabian hat keine Zweifel an der Qualität des Kaders

Patrick Fabian hätte sich gewiss einen leichteren Start gewünscht. Der neue Geschäftsführer Sport des VfL Bochum ist zunächst als Krisenmanager gefragt. Nach der Trennung von Trainer Thomas Reis muss er einen neuen Übungsleiter finden, der die Mannschaft wieder auf Kurs bringt und im besten Fall zum Klassenerhalt führt. Nur: Wie realistisch ist das? Hat der Kader erneut die Qualität, den Verbleib in der Bundesliga zu schaffen?

Einige Leistungsträger sind weg

Daran gibt es nach sechs Spielen mit null Punkten im Umfeld erste Zweifel, noch nie ist ein Bundesligist schlechter gestartet. Nicht wenige Fans sind deshalb der Meinung, dass der Kader im Sommer geschwächt wurde. Die insgesamt 15 Abgänge, darunter die Leistungsträger Maxim Leitsch, Elvis Rexhbecaj, Armel Bella Kotchap, Milos Pantovic und Sebastian Polter, konnten bislang nicht oder nur teilweise ersetzt werden. Elf neue Spieler hat der VfL zwischen Mai und September verpflichtet, die meisten ablösefrei. Von den mehr als 15 Millionen Euro an Transfereinnahmen hat der VfL bislang nichts in die Mannschaft gesteckt.

Erhöht wurde der Lizenzspieleretat allerdings schon. Bereits vor den Verkäufen wurde das Budget von 24 auf 30 Millionen Euro erhöht. Aber macht sich das auch qualitativ bemerkbar? Oder sind die Spieler nur teurer, aber nicht besser geworden? Von den Neuzugängen ist bislang nur Kevin Stöger unumstrittene Stammkraft. Alle anderen sind zurzeit verletzt oder nur Mitläufer. „Natürlich können wir darüber diskutieren, ob schon alle Spieler ihr gewohntes Leistungsniveau erreicht haben“, sagt Patrick Fabian dazu. „Aber der Kader ist gut genug. Wenn die Struktur passt, dann haben wir die Qualität, in der Bundesliga Punkte zu holen.“

Etablierte Spieler im Formtief

Fabian hat den Kader nur bedingt mitgestalten dürfen. In erster Linie war sein Vorgänger Sebastian Schindzielorz noch für alle Transfergeschäfte zuständig, gemeinsam mit Ex-Trainer Thomas Reis. Fabian wurde die Verantwortung erst Ende August allmählich übertragen. Er präsentierte Marko Johansson als neuen Ersatztorwart, verzichtete aber zum Beispiel auf die Verpflichtung eines zentralen Mittelfeldspielers. Allein auf dieser Position hat der VfL in diesem Sommer vier Spieler verloren, der Aderlass war groß. Mit Kevin Stöger, Philipp Förster und Jacek Goralski gab es zwar Ersatz – Skepsis, ob das ausreichend ist, ist aber durchaus angebracht. Vor allem Förster konnte noch gar nicht überzeugen, Goralski fehlte zumeist verletzt.

Erschwerend kommt hinzu, dass auch Kapitän Anthony Losilla, der vor der Abwehr seit Jahren gesetzt ist, noch nicht an seine Leistungen der Vorsaison anknüpfen konnte. „Wenn ich sage, dass es noch Luft nach oben gibt, dann betrifft das nicht nur die Neuzugänge, sondern alle Spieler“, sagte Fabian am Montag, ohne auf einzelne Namen oder Position einzugehen. Neben Losilla befinden sich auch etablierte Kräfte wie Cristian Gamboa oder Manuel Riemann in einem Formtief. Auch hier wird der neue Trainer ansetzen müssen.

Mehr Struktur im Spiel des VfL

Helfen soll dabei auch eine klare taktische Marschroute. Die wurde von einigen Spielern zuletzt vermisst, besonders in der Vorwärtsbewegung. Reis ließ der Mannschaft viele Freiheiten; damit kamen aber speziell die Neuzugänge kaum zurecht. Zum Problem entwickelte sich auch die Tatsache, dass Reis nicht nur verletzungsbedingt, sondern auch aus freien Stücken immer wieder personelle Änderungen vornahm; vor allem in der Abwehr, wo mal mit Dreier- und mal mit Viererkette gespielt wurde und sich kein Trio oder Quartett wirklich einspielen konnte. Der neue Trainer, den Fabian möglichst bald vorstellen möchte, soll für eine „klare Linie und Struktur“ stehen – und damit zeigen, dass der Kader wirklich Bundesliga-Qualität hat.

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Kommentar

Mensch, die Bochumer sind doch bekloppt! Oder?

Wenn es allein um die sportlichen Erfolge geht, dann gehört das Konterfei von Thomas Reis irgendwann auf eine Legendensäule am Stadioncenter. Denn viel mehr als er kann man mit dem VfL Bochum kaum erreichen. Thomas Reis ist mit dem Klub in die Bundesliga zurückgekehrt, hat mit bescheidenen Mitteln furios und souverän den Klassenerhalt geschafft, Momente für die Ewigkeit beschert.

Mit seiner Art, die Mannschaft zu führen und zu motivieren, ist er lange Zeit auch bei den Spielern gut angekommen. Reis hat es ebenso geschafft, die Fans mitzunehmen. Sie mochten, nein: Sie liebten ihn. Es ist kaum möglich, die Stimmungslage exakt zu ermitteln, doch dass die überwiegende Mehrheit eine weitere Zusammenarbeit mit Thomas Reis begrüßt hätte, ist keine gewagte These.

Nicht verwerflich, aber auch nicht ehrlich

Logisch also, dass der allgemeine Tenor am Montag lautete: Mensch, die Bochumer sind doch bekloppt! Aber so einfach ist die Fußballwelt nicht. Die vermeintliche Traumehe zwischen Reis und dem VfL ist nicht allein deswegen geplatzt, weil der VfL die ersten sechs Spiele und die Nerven verloren hat. Ja, der Negativlauf war letzten Endes der ausschlaggebende Punkt. Aber es gab auch andere Gründe.

Und die hätten die Verantwortlichen durchaus erwähnen können. Bereits im Mai hat Reis öffentlich kundgetan, er werde sich Angebote anderer Klubs anhören. Dann hat er mit Schalke verhandelt und Wochen später suggeriert, der VfL wolle nicht mit ihm verlängern, obwohl es Angebote zur Verlängerung gab, die er abgelehnt hat. Alles nicht verwerflich. Aber auch nicht clever und ehrlich.

In der Öffentlichkeit und gegenüber den Fans hat sich Reis stets in der Rolle des treuen Bochumers gefallen, der gerne länger bleiben würde, eine echte Ära prägen könnte, dem man dabei aber Steine in den Weg legt. Nur welche? Am Geld lag es ja angeblich nicht, dass die Vertragsverhandlungen gescheitert sind, sagte Reis neulich. Doch woran dann? Was soll man ihm überhaupt glauben?

Reis ohne klares Bekenntnis zum VfL

Eben: Das Vertrauensverhältnis war nachhaltig zerrüttet; wer einmal lügt, dem glaubt man nicht mehr. Reis hat sich zuletzt ständig widersprochen. Noch ein Beispiel: Nach dem Derby auf Schalke hat er sich „weitere Jahre“ beim VfL gewünscht und die Verantwortlichen daran erinnert, dass sie mit ihm auch durch schwierige Zeiten gehen wollten. Aber: Wollte Thomas Reis das umgekehrt auch?

Nein, eher nicht. Sonst hätte er sich im Sommer nicht ins Schaufenster gestellt, mit dem Reviernachbarn geflirtet und die Vertragsangebote „seines“ VfL abgelehnt, weil eine Ausstiegsklausel fehlte. Hans-Peter Villis und Co. kann man einiges vorwerfen – unter anderem, dass sie Patrick Fabian am Montag komplett allein gelassen haben – aber nicht, dass sie in der Causa Reis keine klare Linie gefahren sind.

Zumal die Entscheidung, ihn jetzt zu beurlauben, extrem unpopulär ist und sie das Potenzial hat, für noch mehr Unruhe zu sorgen. Im Grunde eine völlig untypische Entscheidung für Villis, der in diesem Jahr auf seine Wiederwahl hofft. Und auch für Fabian schwierig, der sofort in der Schusslinie steht. Letzten Endes aber eine weitsichtige Entscheidung, weil die „Ehe“ mit Reis ohnehin zerrüttet war.

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Trainerfrage

Traumehe zerbrochen: Warum Reis gehen muss

Die vermeintliche Traumehe ist zerbrochen. Seit Montag um 13.32 Uhr ist Thomas Reis nicht mehr Cheftrainer des VfL Bochum. Der Bundesligist, der aktuell punktlos auf dem letzten Tabellenplatz steht, gab am Mittag die Trennung bekannt. Damit war nach den jüngsten Entwicklungen zu rechnen. Reis hat mit dem Revierklub alle sechs Partien zum Start in die neue Bundesliga-Saison verloren. Zuletzt gab es eine 1:3-Niederlage im Derby gegen Schalke 04. Schon in der Woche vor dem Spiel haben die Verantwortlichen ein klares Bekenntnis zum Trainer vermieden, nach dem Spiel äußerten sie sich gar nicht mehr. Bis zum Montag.

„Dass uns diese Entscheidung nicht leichtfällt, dürfte allen klar sein. Thomas Reis hat eine Verbindung zu Verein und Stadt, die über die vergangenen drei Jahre hinausreicht“, sagte Sportchef Patrick Fabian, der noch keine zwei Wochen im Amt ist und die Entscheidung gemeinsam mit der kompletten Vereinsführung getroffen hat. „Ich kann alle Fans verstehen, die sich das anders gewünscht hätten. Auch wir wären den Weg mit Thomas Reis gerne weitergegangen. Aber wir sind Letzter, haben schon einen Punkteabstand nach oben. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass die Chancen für das Ziel Klassenerhalt in anderer Konstellation größer sind.“

Kredit bei der Mannschaft verspielt

Reis, mit dem der VfL im Sommer noch verlängern wollte, wurde eine Trendwende also nicht mehr zugetraut. Fabian erklärte am Montag, dass er auch mit der Mannschaft gesprochen habe, und vor allem sportliche Gründe bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurden. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin hat Reis seinen Kredit in der Kabine nicht komplett und bei allen Spielern, aber in Summe mehr und mehr verspielt. Es gab zuletzt keine klare, nachvollziehbare Linie bei den personellen und taktischen Entscheidungen, Reis wirkte zunehmend ratlos. Es gab Verletzungen, die sich auf eine schlechte Trainingssteuerung zurückführen lassen und auch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Spieler wussten schon länger, dass Reis mit einem Wechsel geliebäugelt hat.

Ganz anders war und ist dagegen die Stimmungslage bei vielen Fans. Weil Reis den VfL zurück in die Bundesliga geführt und anschließend den Klassenerhalt geschafft hat, genießt er Heldenstatus, die Trennung ist für viele unverständlich. Dass Reis im Sommer ausgerechnet mit Schalke verhandelt hat, damit in Bochum und in der Branche teilweise sogar selbst (!) hausieren ging, um vor laufender Kamera alles abzustreiten, interessiert die meisten Fans seltsamerweise kaum. Auch die angespannte sportliche Situation führte nicht zu den im Fußball oft üblichen ‚Trainer-raus‘-Rufen. Angesichts dieser Gemengelage dürfte die erste große Aufgabe für Patrick Fabian, die Suche nach einem neuen Cheftrainer, zu einer mittelschweren Herausforderung werden.

Butscher nur eine Interimslösung

Zum genauen Zeitplan äußerte sich Fabian am Montag nicht. Gegen den 1. FC Köln am kommenden Sonntag wird der neue Mann wohl noch nicht an der Seitenlinie stehen. Zunächst übernimmt der bisherige U19-Coach Heiko Butscher die Mannschaft. Marc-Andre Kruska, Butschers Co-Trainer bei der U19, wird ihm assistieren, genauso wie Frank Heinemann. Eine Dauerlösung soll diese Konstellation aber nicht sein, stellte Fabian auf Nachfrage klar. Gesucht werde jemand, „der nicht völlig neu im Geschäft, aber auch kein klassischer Feuerwehrmann ist“. Doch wer ist bereit, in dieser Situation zu übernehmen, in der die Anhänger noch dem Vorgänger nachtrauern und nicht ganz klar ist, ob die Mannschaft wirklich besser ist als sie es zuletzt gezeigt hat?

Passen könnte etwa Uwe Neuhaus. Er steht für Ruhe und Erfahrung, bringt eine klare Spielidee mit, weiß besonders mit den vielen älteren Spielern umzugehen und ist im Ruhrgebiet zu Hause. Ob der 62-Jährige, der zuletzt Arminia Bielefeld in die Bundesliga geführt hat, überhaupt auf der Liste steht und Interesse hätte, ist aber noch unklar. Gleiches gilt für Dimitrios Grammozis, Sebastian Hoeneß oder Bruno Labbadia, über die in Fankreisen intensiv diskutiert wird. Bei ihnen muss aber nicht nur die Gehaltsfrage berücksichtigt werden, sondern auch, ob sie bereit wären, dem VfL im schlimmsten Fall in die 2. Liga zu folgen. Thomas Reis war dazu jedenfalls nicht bereit, anderenfalls hätte er seinen Vertrag längst verlängert.

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Kommentar zum Thema:

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1:3-Pleite auf Schalke

VfL-Führung in der Zwickmühle: Derbyniederlage mit Folgen?

Kleine Gesten können Großes bewirken. Als Schiedsrichter Felix Zwayer in der 52. Minute nach Rücksprache mit dem Video-Assistenten zum Mittelkreis zeigte, stürmten die Bochumer Spieler in Richtung Fanblock. Mit dem Ausgleichstreffer durch Philipp Hofmann keimte wieder Hoffnung auf. War der VfL nun endlich in diesem Derby angekommen? Die Freude währte nur kurz. Am Ende verlor der VfL mit 1:3. Und die Spieler standen völlig ratlos und niedergeschlagen vor der Kurve.

„Ganz ehrlich: Es wiederholt sich jede Woche. Es ist zu wenig, was wir zeigen. Wir haben Chancen, schießen aber kaum Tore. Und wir machen Fehler, die zu Gegentoren führen. Es tut einfach weh“, machte Anthony Losilla aus seinem Herzen keine Mördergrube. Der Kapitän, der sich nach jedem Spiel stellt, wirkte so niedergeschlagen wie selten zuvor. Auch er weiß: Der Druck steigt weiter, und das Selbstvertrauen sinkt. Nach sechs Partien steht der VfL bei null Punkten, ist abgeschlagen Letzter.

Defensive instabil, Offensive harmlos

Auch im ersten Revierderby nach mehr als zwölf Jahren war durchaus mehr möglich. Wie schon gegen Bremen wäre eine Punkteteilung vielleicht sogar gerecht gewesen. Doch wie so oft in dieser Saison machte der VfL zu viele Fehler, vorne wie hinten. Schalke, keinesfalls überragend, nutzte diese eiskalt aus. Beim 0:1 patzte Torhüter Manuel Riemann, zum wiederholten Mal sah er nicht gut aus. Vor dem 1:2 entschied Schiedsrichter Zwayer zu Unrecht auf Freistoß für Schalke, dann lenkte Erhan Masovic den Ball ins eigene Tor. Die Krönung: Ausgerechnet Sebastian Polter traf in der Nachspielzeit zum 1:3. Für den VfL war es schon der achte Gegentreffer nach einer Standardsituation.

Allein mit (fehlendem) Glück oder Pech ist die Niederlagenserie nicht zu erklären. Nur vier Tore nach sechs Partien sind ein Beleg für die Harmlosigkeit in der Offensive, 18 Gegentreffer für die fehlende Stabilität der Defensive. Eine Trainerdiskussion lässt sich angesichts dieser Zahlen kaum verhindern. Die Verantwortlichen haben schon zuletzt ein klares Bekenntnis zu Thomas Reis vermieden, nach dem Spiel gegen Schalke äußerten sie sich gar nicht mehr. Dass sie nun handeln und noch vor dem Heimspiel gegen Köln und der dann anstehenden Länderspielpause einen Trainerwechsel anstreben, ist nicht unwahrscheinlich.

Die alles entscheidende Frage lautet allerdings: Liegt es überhaupt an Reis, würde ein neuer Trainer also mehr aus dieser Mannschaft herausholen? Klar beantworten lässt sich diese Frage nicht. Sicher: Dass immer wieder Spieler, vor allem Neuzugänge, wegen muskulärer Probleme ausfallen, wirft ein schlechtes Licht auf die Trainingssteuerung. Zudem fehlt Reis eine klare Linie bei seinen Startaufstellungen, er probiert immer noch viel aus. Von außen betrachtet war seine Personalauswahl in der Vergangenheit leichter nachzuvollziehen als heute. Aber: Die Mannschaft lässt sich nicht hängen, tritt nicht wie ein lebloses Tabellenschlusslicht auf. Vielleicht ist sie einfach nicht gut genug.

Erste große Entscheidung für Fabian

Die VfL-Führung steckt also in der Zwickmühle. Vor allem für Patrick Fabian ist die Lage vertrackt. Traut er sich, in seiner zweiten Woche in neuer Funktion den Erfolgstrainer der vergangenen drei Jahre zu feuern, womöglich gegen den mehrheitlichen Wunsch der Fans? „Reis-raus-Rufe“ gab es bislang noch keine, selbst den Flirt mit Schalke haben ihm viele Anhänger verziehen. Natürlich würde Fabian die Entscheidung nicht alleine fällen, qua seines Amtes ist die Trainerposition aber seine Baustelle.

Sehr wahrscheinlich hängt die Entscheidung am Ende auch nicht nur von der sportlichen Situation ab. Dass das Kapitel Thomas Reis beim VfL Bochum in absehbarer Zeit ohnehin enden wird, ist den Verantwortlichen mittlerweile bewusst. Reis betont zwar immer wieder, dass er gerne bleiben würde, hat aber mehrere Vertragsangebote des VfL ausgeschlagen. Das könnte für eine zeitnahe Beurlaubung sprechen, um schon jetzt, inmitten einer Negativserie, einen neuen Impuls zu setzen.

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Kurze Derby-Vorschau

Riemann und Co. sollen Fabian als letzten Derbysieger ablösen

Der VfL Bochum lebt. Das war die Interpretation der Verantwortlichen, als Torhüter Manuel Riemann am Dienstag seine Mitspieler während des Training als „Missgeburten“ beschimpft hat. Man kann es natürlich auch anders sehen. Liegen die Nerven beim punktlosen Tabellenletzten schon blank?

Klar ist: Das Thema verstärkte kurzzeitig die Unruhe im Umfeld der Bochumer, ist nach einer Entschuldigung jedoch abgehakt. Trainer Thomas Reis hat sich gegen eine disziplinarische Maßnahme entschieden: „Es gibt keinen Grund ihn nicht spielen zu lassen. Natürlich war die Wortwahl nicht in Ordnung, und natürlich haben wir über die Situation gesprochen. Aber die Jungs sind alt genug, um das allein zu klären.“ Riemann hatte sich am Tag nach dem Vorfall krankgemeldet, ist nun aber wieder fit.

Zwei Linksverteidiger zurück

Veränderungen in der Startelf dürfte es trotzdem geben. Mit Jannes Horn und Danilo Soares, der nach einer zweimonatigen Hüftverletzung wieder fit ist, kehren gleich zwei Linksverteidiger in den Kader zurück, wobei Horn wohl einen Fitnessvorteil hat. Jordi Osei-Tutu wird weichen müssen. Kandidaten für einen Einsatz von Beginn an sind außerdem Ivan Ordets und Patrick Osterhage. Der körperlich starke Ordets könnte den großgewachsenen Schalker Angreifern entgegengesetzt werden und Vasilios Lampropoulos ersetzen, der gegen Bremen an beiden Gegentreffern beteiligt war. Auf der Doppelsechs könnte Osterhage für mehr Zweikampfstärke sorgen, Philipp Förster müsste dann auf die Bank.

Bitter für Bochum: Mit Dominique Heintz und Jacek Goralski fallen zwei potenzielle Stammspieler weiter aus, auch Konstantinos Stafylidis fehlt. Ganz vorne winkt Lys Mousset sein erster Einsatz als Joker, Philipp Hofmann vielleicht sogar ein Platz in der Startelf. Der Ex-Schalker wartet noch auf sein erstes Bundesliga-Tor: „Dafür und vor allem für unsere ersten Punkte gibt es doch keinen besseren Zeitpunkt als das Derby.“

Letzter Derbysieg bei Fabians Debüt

Das sieht der neue Sportchef Patrick Fabian ganz ähnlich, der „sehnlichst auf ein Erfolgserlebnis“ wartet. Persönlich hat er gute Erinnerungen an das Duell mit dem Reviernachbarn. Sein erstes Bundesliga-Spiel hat Fabian 2009 ausgerechnet gegen Schalke absolviert. Bochum hat seinerzeit mit 2:1 gewonnen – Stand jetzt der letzte Derbysieg gegen S04.

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