3:1-Sieg gegen Nürnberg

Spitzenreiter VfL Bochum: Fast schon unheimlich

Gertjan Verbeek, ehemaliger Trainer des VfL Bochum, würde jetzt vermutlich Wortklauberei betreiben. Man erinnere sich kurz an eine legendäre Pressekonferenz zurück. Muss es nun das Ziel sein, aufzusteigen, oder reicht die Ambition, wieder ins Oberhaus zurückkehren zu wollen? Ganz ehrlich, das ist völlig egal. Spätestens nach dem 3:1-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg ist klar: Wer kurz vor dem Hinrundenabschluss einen Schnitt von genau zwei Punkten pro Partie vorweisen kann, der sollte sich nicht dagegen wehren, wenn immer mehr vom möglichen Aufstieg gesprochen wird. Auch wenn sich die Spieler und die Verantwortlichen noch dagegen wehren, zumindest öffentlich.

16 Spiele, zehn Siege

Doch sportlich wird es langsam fast schon unheimlich. Unheimlich schön! Von 16 Spielen hat der VfL Bochum in dieser Saison zehn gewonnen, hat im neuen Kalenderjahr noch keinen Punkt verloren und ist für mindestens zwei Nächte an die Tabellenspitze gesprungen – vorbei am HSV, der erst am Montag spielt. Viel wichtiger ist aber das, was an diesem Samstag passiert ist. Der VfL hat erneut ein enges Duell für sich entschieden. Dank eigener Stärke und Dominanz war der Sieg am Ende auch verdient. Was auffällt und was in diesem Jahr anders ist: Der VfL hat endlich ein Team zusammen, das gut harmoniert und viel Qualität mitbringt – nicht nur sportlich, sondern auch darüber hinaus.

„Wir haben die Gier entwickelt, wirklich unbedingt gewinnen zu wollen“, sagt Torhüter Manuel Riemann und erklärt damit, warum der VfL auch gegen Nürnberg wieder erfolgreich war. Wie schon gegen Darmstadt und Regensburg fielen die wichtigen Tore erst in der Schlussphase. Der überragende Robert Tesche traf einmal sehenswert aus der Distanz, das andere Mal nach einem Freistoß. Entscheidend war außerdem, dass sich die Mannschaft nicht von einem Rückstand beeindrucken ließ, sondern sofort konterte. Keine zwei Minuten lagen zwischen dem 0:1 durch Nürnbergs Manuel Schäffler und dem Ausgleich durch Robert Zulj. So widerstandsfähig war der VfL in der Vergangenheit selten.

Historische Chance

Trotz des erneuten Sieges versuchen Riemann und auch Trainer Thomas Reis die Bodenhaftung zu bewahren. Überheblichkeit bringe den Klub nicht weiter, betonen beide. Die Hälfte der Saison steht noch bevor. Aber es wäre auch fatal, diese historische und vielleicht einmalige Chance, die sich in dieser Saison bietet, nicht als solche zu begreifen. Schließlich spielt der VfL seit mehr als zehn Jahren im Unterhaus, meist war die dritte Liga sogar näher als die erste. Wer weiß, wann eine solche Gelegenheit wiederkäme? Traurig nur, dass kein Fan live dabei sein darf. Das wird sich in dieser Saison vermutlich auch nicht mehr ändern. Das sollte bei aller Euphorie nicht ganz vergessen werden.

(Foto: Firo Sportphoto)

Vertrag läuft aus

Pantovic polarisiert: Was Reis & Co. an ihm schätzen

Über den Geistesblitz von Robert Zulj und den genialen Freistoß von Thomas Eisfeld wurde nach dem 2:0 des VfL Bochum in Regensburg schon ausführlich gesprochen. Nicht aber über einen Spieler, dessen Anteil am Erfolg ebenfalls von Bedeutung war. Der eingewechselte Milos Pantovic war es nämlich, der die beiden Freistöße herausgeholt hatte, die schließlich zu den Toren führten. Schon im ersten Spiel des neuen Jahres war er am Sieg beteiligt. Gegen Darmstadt leitete der 24-Jährige den entscheidenden Treffer nicht nur ein, sondern vollendete den Angriff auch mit seinem zweiten Saisontor.

Reis lobt Pantovic

Damit hat der offensive Mittelfeldspieler seine Kritiker Lügen gestraft, die ihm mangelnde Effektivität und Torgefährlichkeit vorwerfen. In 47 Zweitligapartien kam er bislang zu drei Treffern. Doch wie wertvoll ist der gebürtige Münchener wirklich? Kaum ein Spieler im aktuellen Kader polarisiert so sehr wie er. Im Netz, der einzige Ort für Fanreaktionen in Zeiten der Pandemie, entwickelten sich schon viele Diskussionen. Pantovic sei zu ineffizient, habe keine herausragenden Stärken und sei lediglich ein Ergänzungsspieler, sagen die einen. Viel Laufarbeit, eine gute Technik und Startelfqualitäten bescheinigen ihm die anderen.

Und was meint der Trainer dazu? Schon vor wenigen Wochen, als Pantovic Gegenstand einiger Analysen war, lobte ihn Thomas Reis ausdrücklich: „Milos ist ein absoluter Teamplayer. Er ackert unheimlich viel, hat eine gute Ballbehauptung und ein solides Passspiel.“ Vor allem nach dem Re-Start im Frühling des vergangenen Jahres und zu Beginn der laufenden Saison gehörte Pantovic zur Startelf. Zuletzt war er nur Joker. Tatsächlich funktioniert die Mannschaft aktuell besser mit echten Flügelspielern, die für mehr Tempo und Tiefe sorgen. „Milos hat seine Qualitäten in den Halbräumen“, erklärt Thomas Reis, „und ist unverändert wertvoll für uns.“

Bochums Trainer widerspricht damit sogar indirekt VfL-Legende Hermann Gerland. Bayerns Chefausbilder hatte bis Pantovic‘ Verpflichtung im Sommer 2018 noch etwas süffisant angemerkt, er habe „schon bessere Spieler nach Bochum geschickt.“ Pantovic spielte elf Jahre lang im Nachwuchs des Rekordmeisters. Er war seinerzeit die erste Verpflichtung von VfL-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz. Der lobt dessen Entwicklung vom Regionalliga- und Zweitligaprofi. Auch würdigt der Manager die charakterlichen Eigenschaften seines Spielers. Pantovic sei stets professionell und habe sich innerhalb des Teams ein hohes Ansehen erarbeitet.

Vertrag läuft aus

Natürlich weiß Schindzielorz, dass derzeit kaum ein Schützling so kritisch beäugt wird wie Pantovic. Bei vielen Fans hat er einen schweren Stand. Nachvollziehen kann der Geschäftsführer dies jedoch nicht. In naher Zukunft könnten die Diskussionen auch wieder neu entfacht werden. Denn Schindzielorz steht vor der Frage, ob der in diesem Sommer auslaufende Vertrag verlängert werden soll. Eine eindeutige Tendenz gebe es nicht. Grundsätzlich sei wirtschaftlich und sportlich noch vieles offen. Nimmt man die Aussagen von Chefcoach und Manager als Grundlage, könnte der Weg von Milos Pantovic beim VfL aber noch weitergehen.

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Viele Diskussionen

Corona-Regeln: Der VfL steht unter Beobachtung

Der letzte VfL-Profi, der eine Vokuhila-Frisur trug, war Theofanis Gekas. Mehr als zehn Jahre später vergeht keine Woche, in der nicht irgendein Spieler seinen Salonbesuch in den sozialen Netzwerken groß inszeniert und seinem Friseur ein Trikot überreicht, als Dank für eine gewöhnliche Dienstleistung. Was würden die Fans auch denken, wenn jemand nicht top-gestylt ins nächste Spiel gehen würde?

Warum sich zwischen zahlreichen Bundesligaprofis und ihren Haupthaardoktoren in den vergangenen Jahren so eine innige Beziehung entwickelt, weiß wohl niemand so genau. Doch genau das führt während des zweiten, womöglich noch länger andauernden „Lockdowns“ zu einem echten Problem, zumindest aus Sicht einiger Fußballer. Denn die Gekas-Frisur von einst, den langen Wildwuchs, favorisiert heute niemand mehr.

Kritik an Fußballerfrisuren

Der „Zentralverband Friseurhandwerk“ hat das bereits registriert und deswegen sogar den DFB-Präsidenten angeschrieben. Dieser Brief machte an dieser Woche die Runde, fand quasi in allen namhaften Medien Erwähnung. Man sei erstaunt, dass „an den vergangenen Spieltagen ein Großteil der Fußballprofis sich mit frischgeschnittenen Haaren auf dem Platz präsentierte“, schrieb der Verbandspräsident der Friseure.

Die Vermutung des Experten: Da waren Profis am Werk. Schließlich waren reihenweise „saubere Konturen“ zu sehen. Der Handwerksverband vermutet also eine illegale Tätigkeit. Denn Friseure dürfen aktuell nicht arbeiten. Fördern also auch Profis des VfL diese Form der Schwarzarbeit? Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz ist „darüber nichts bekannt. Wir sensibilisieren unsere Spieler und halten das Hygienekonzept so genau wie möglich ein.“

DFL ermahnt die Vereine

Zwei Corona-Fälle wurden beim VfL bislang bekannt, liegen aber schon einige Monate zurück. Regelmäßige Testungen schließen Ansteckungen untereinander nicht völlig aus, machen sie aber unwahrscheinlich. Auch deshalb wird über innige Umarmungen oder Kabinenpartys oft hinweggesehen. Obgleich es Menschen, die nichts mit Fußball zu tun haben, teilweise irritiert, wenn sie solche Szenen beobachten.

Die DFL hat die Diskussionen in dieser Woche jedenfalls zum Anlass genommen, um alle 36 Profiklubs noch einmal an die Einhaltung des Hygienekonzepts zu erinnern. Das ist Grundlage dafür, dass die Bundesliga weiterspielen darf, während die Politik immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens einschränkt. Der Ligaverband fordert „weiterhin höchste Aufmerksamkeit und Disziplin“. Verwiesen wird dabei auch auf die Vorbildfunktion.

Neue Maßnahmen in Aussicht

Dieser ist sich auch Bochums Trainer Thomas Reis bewusst: „Natürlich haben wir eine Vorbildfunktion. Wir stehen ständig unter Beobachtung. Wir wollen uns so verhalten, dass uns niemand etwas vorwerfen kann. Oberstes Ziel muss es sein, dass sich niemand infiziert.“ Zugleich merkt der 47-Jährige an, dass er es „etwas übertrieben findet, sich in der öffentlichen Debatte so sehr auf den Fußball zu konzentrieren.“

Dass der Spielbetrieb insgesamt noch einmal in den Fokus der Politik geraten könnte, wenn es um verschärfte Regeln geht, fürchtet Sebastian Schindzielorz indes nicht. „Ich denke, dass wir uns da einen Vertrauensvorschuss erarbeitet haben“, sagt der Manager. Für die kommende Woche wurde erneut ein Bund-Länder-Treffen angesetzt. Dem Vernehmen nach soll es dabei um weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gehen.

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Jungprofis gehen

Leihgeschäfte: So will der VfL seine Talente fördern

Der Weg von Bochum nach Wuppertal ist nicht weit. In diesen Tagen ist es allerhöchstens der Schnee, der die Fahrt ins Bergische Land ein bisschen erschwert. Für Moritz Römling und Lars Holtkamp wird es nun der neue, bald gewohnte Arbeitsweg sein. Die beiden VfL-Jungprofis werden bis zum Sommer an den WSV in die Regionalliga verliehen. Das vorrangige Ziel: Spielpraxis zu sammeln.

„Wie bei Lars Holtkamp gilt auch für Moritz Römling: Einsatzzeit ist für junge Spieler das A und O. Und da wir ihnen diese aktuell nicht bieten können, ist eine Leihe zu einem Klub in einer anspruchsvollen Liga die sinnvollste Lösung. Wir sind von ihrem Talent weiter überzeugt“, sagt VfL-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz, der auf Nachfrage weitere Vorteile nennt: So müssen die beiden Talente nicht umziehen und können den Kontakt zum VfL halten.

Der wiederum kann die räumliche Nähe nutzen, um „jeden Entwicklungsschritt genau zu beobachten“. Dass es in diesem Winter gleich zwei Spieler zum Wuppertaler SV zieht, sei eher Zufall. Und nicht etwa das Ergebnis einer fest vereinbarten Kooperation. Vor einigen Jahren war das mal Thema. Doch mehr als ein regelmäßiger Austausch sei nicht geplant, bekräftigt Schindzielorz. Schließlich müssten die Spieler ebenfalls mit einem Wechsel einverstanden sein.

Kokovas und Ekincier könnten auch noch gehen

Bochums Manager schließt weitere Wechsel dieser Art aber auch nicht aus. Nach der Abmeldung der U23 vor mehr als fünf Jahren muss der VfL immer wieder Wege finden, um Talenten Spielpraxis zu ermöglichen. Denn nicht jeder schafft auf Anhieb den Sprung aus dem Nachwuchs- in den Seniorenfußball. Aus Kostengründen war eine konkurrenzfähige Reservemannschaft nicht mehr zu halten. Die Entscheidung wurde damals viel diskutiert.

Allein auf Testspiele zu setzen, funktioniert nicht, denn der Wettkampfcharakter fehlt. Also prüft der VfL externe Optionen für junge Hoffnungsträger. Römling wurde auch deshalb verliehen, weil man ihm zutraut, in Zukunft der eigenen Profimannschaft zu helfen. In dieser Saison kam der 20-Jährige nur zu einem Kurzeinsatz. Im Heimspiel gegen Heidenheim wurde er eingewechselt. Auch Holtkamp gehörte schon zum Kader. Doch gespielt hat er nur im Pokal.

Noch schwerer hatten es Stelios Kokovas und Baris Ekincier. Bei Kokovas gibt es mittlerweile eine Lösung: Er wechselt zum tschechischen Erstligisten MFK Karvina; nicht auf Leihbasis, sondern endgültig. Dass Römling und Kokovas auf derselben Position spielen, nämlich links hinten, und nun beide weg sind, sei kein Problem, erklärt Schindzielorz. Auch Maxim Leitsch, Gerrit Holtmann oder Herbert Bockhorn könnten aushelfen, sollte Danilo Soares einmal ausfallen.

Boboy und Ernst sind neue Hoffnungsträger

Die Entwicklung von Talenten ist übrigens auch für die künftige Verteilung der Fernsehgelder von Bedeutung. Ab der kommenden Saison wird bei der Ausschüttung berücksichtigt, wo die Spieler der 1. und 2. Liga ausgebildet wurden, die jünger als 23 sind. Aktuell würde der VfL von dieser Regelung nicht profitieren. Außerhalb von Bochum erfüllen nur wenige Spieler diese Bedingung. Und zum Einsatz ist in dieser Saison bislang keiner gekommen.

Beim VfL sind es zurzeit zwei Eigengewächse, die zum Stammpersonal bei den Profis gehören: Armel Bella Kotchap und Maxim Leitsch. Weitere Nachwuchsspieler, die entweder mit oder ohne Zwischenschritt durchstarten wollen, stehen schon in den Startlöchern. Etwa Verthomy Boboy, der gegen Darmstadt erstmals zum Profikader gehörte, oder Tjark Ernst. Der Sohn von Thomas Ernst gehört zu den größten Torwarttalenten in Deutschland.

Auf sie und damit auf den VfL Bochum kommt allerdings noch ein ganz anderes Problem zu. Denn wegen der Corona-Pandemie darf die U19 schon seit Monaten nicht spielen. Wann es weitergeht, ist offen. Wertvolle Ausbildungszeit geht somit verloren, Spielpraxis fehlt. Der VfL hat einigen Talenten deshalb ermöglicht, zumindest gelegentlich am Profitraining teilzunehmen. Wie es dann weitergehen soll, steht noch in den Sternen.

(Foto: VfL Bochum 1848)

2:0-Sieg in Regensburg

VfL jetzt Zweiter: Zeit für Zärtlichkeiten

Noch während des Spiels blieb Zeit für Zärtlichkeiten. Als Torhüter Manuel Riemann den einzig gefährlichen Torschuss der Regensburger in der Schlussphase entschärfte, gab es von Kapitän Anthony Losilla ein Küsschen auf den Hals – als Dank für dessen Rettungstat. Weitere Zärtlichkeiten folgten nur wenige Augenblicke später, als der frisch eingewechselte Thomas Eisfeld den Ball bei einem Freistoß sehenswert in den Winkel hob und damit für den 2:0-Endstand sorgte. Die Bochumer bildeten eine Jubeltraube.

Zoller und Eisfeld treffen

Dass der VfL trotz einer ausbaufähigen Leistung – zumindest im vorderen Drittel – erneut drei Punkte holte, sagt viel über die Weiterentwicklung dieser Mannschaft aus. Selbst wenn sie nicht in Bestform ist, springt am Ende ein Sieg heraus. Das war schon gegen Darmstadt der Fall. Dass Spieler wie Danny Blum, Gerrit Holtmann oder auch Robert Zulj nach dem Jahreswechsel noch nicht ganz ihr Top-Niveau erreicht haben, lässt sogar hoffen für die nächsten Wochen. Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft.

Und trotzdem gab es auch in Regensburg wieder Momente und Szenen zu bestaunen, die ein Ausdruck von gehobener Qualität sind. Nach 80 ereignisarmen Minuten schaltete Robert Zulj direkt vor dem gegnerischen Strafraum am schnellsten. Er führte einen Freistoß ohne zu zögern aus, legte ab auf Simon Zoller, der die völlig unsortierten und insgesamt harmlosen Gastgeber mit dem 1:0 überraschte. Dieser Geistesblitz war entscheidend, um den siebten Sieg aus den vergangenen neun Pflichtspielen einzuleiten.

Aufstiegsplatz für Bochum

Besser hätte dieses Wochenende für den VfL Bochum ohnehin nicht laufen können. Alle direkten Tabellennachbarn patzten: Fürth verlor schon am Freitag, und Kiel sowie der HSV kamen am Samstag nicht über ein Unentschieden hinaus. Die Chance auf Platz zwei zu klettern war also groß – und die Mannschaft von Trainer Thomas Reis nutzte sie. Das Zahlenwerk ist sowieso beeindruckend. 29 Punkte nach 15 Spielen hatte der VfL zuletzt in der Saison 2005/06 auf dem Konto – am Ende feierten Fans und Spieler den Aufstieg.

Dieses „böse“ Wort schon jetzt, vor dem Ende der Hinrunde in den Mund zu nehmen, gleicht in Bochum allerdings einem Tabubruch. Dabei ist es ja nicht verwerflich, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die vielleicht historische Chance zu begreifen, ohne gleich übermütig zu werden. Denn in diesem Jahr bieten sich besondere Umstände, vor allem aus zwei Gründen: Der VfL hat endlich ein gutes Team beisammen, und: In der Liga gibt es keine Übermannschaft. Eine, die so innig miteinander feiert, ohnehin nicht…

(Foto: Firo Sportphoto)

Sommertransfers

Bilanz: Holtmann bester Neuer – Bockhorn wie Tutu?

Einige VfL-Fans scherzten schon. Als der Verein am Sonntag bekannt gab, dass Eigengewächs Lars Holtkamp für ein halbes Jahr zum Wuppertaler SV wechselt, fragten sie in den sozialen Netzwerken zur Sicherheit kurz nach. Wirklich Holtkamp? Oder Holtmann? Zuletzt wurden die beiden in TV-Übertragungen immer wieder verwechselt.

Holtmann überzeugt mit seiner Dynamik

Dabei ist die Lage rein sportlich betrachtet ziemlich klar. Holtkamp soll Spielpraxis in der Regionalliga sammeln – und Holtmann bekommt sie gerade beim VfL Bochum. Der 25-Jährige, der im Sommer ablösefrei vom FSV Mainz 05 ins Ruhrgebiet gekommen ist, gehört seit Ende November zur Bochumer Startformation. Er ist damit der einzige Neuzugang, der zurzeit erste Wahl ist.

Holtmann hat sich auf der linken Außenbahn festgespielt, überzeugt vor allem mit seiner Dynamik und seinem Engagement. „Sein Einstand mit dem Platzverweis in Karlsruhe war natürlich etwas unglücklich. Aber danach hat er tolle Spiele gemacht und bewiesen, dass er uns weiterhilft“, sagt Trainer Thomas Reis und weiß, was Holtmann noch verbessern muss: „Er muss noch an seiner Abschlussqualität arbeiten, das weiß er aber auch.“ Holtmann traf bislang erst einmal: im Pokal gegen Mainz, ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub.

Chibsah muss sich noch steigern

Dabei haben ihm die fünf anderen Neuzugänge nur von der Bank oder gar vom Sofa aus zugesehen. Anders als Holtmann wurden sie aber größtenteils nicht mit dem Anspruch verpflichtet, sofort zum Stammpersonal zu gehören. Eher sollten sie den Kader in der Breite ergänzen und sich im Idealfall zu positiven, günstigen Überraschungen entwickeln.

Einzig Raman Chibsah erfüllt die Erwartungen bislang nicht so ganz. Der Ghanaer wurde geholt, um Anthony Losilla und Robert Tesche ihren Platz vor der Abwehr streitig zu machen. Doch Chibsah hat noch nicht bewiesen, dass er besser ist. Der 27-Jährige brachte eher Unruhe als Ordnung ins Bochumer Spiel. Zu früh abschreiben sollte man ihn allerdings nicht. Er wäre schließlich nicht der erste Neuzugang, der eine Anlaufzeit benötigt. Außerdem deuten knapp 100 Spiele in der italienischen Serie A darauf hin, dass in Chibsah noch Potenzial schlummern könnte.

Bockhorn gehört in Regensburg zur Startelf

Zeigen, was er kann, darf am kommenden Sonntag Herbert Bockhorn. Er wird den gesperrten Cristian Gamboa ersetzen. Zuletzt deutete der in Uganda geborene, aber in Deutschland aufgewachsene Neuzugang bereits seine Qualitäten an – jedoch in der Offensive. Gegen Darmstadt bereitete er kurz nach seiner Einwechslung sehenswert den Siegtreffer vor. In Regensburg wird Bockhorn nun als Rechtsverteidiger gefragt sein.

Diese Position ist ihm allerdings nicht fremd. In der Vergangenheit kam Bockhorn dort am häufigsten zum Einsatz. Thomas Reis vergleicht ihn deshalb sogar mit dem ehemaligen Bochumer Jordi Osei-Tutu: „Er bringt viel Dynamik mit. Wir haben ihn für hinten verpflichtet, aber er kann auch weiter vorne spielen. Das war bei Jordi ähnlich. Herbert belebt unseren Konkurrenzkampf auf beiden Positionen.“ Bockhorn war in der Saisonvorbereitung gleich zweimal verletzt, hat sich zuletzt aber immer mehr in den Fokus gespielt. Nun winkt der erste Startelfeinsatz.

Novothny und Bonga fehlen zurzeit

Wohl nicht zum Kader gehören werden am Sonntag die Neuzugänge Soma Novothny und Tarsis Bonga. Die beiden Angreifer sind zurzeit verletzt. Novothny hat sich bislang als gute Kaderergänzung erwiesen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Bongas Qualitäten sind nach nur 20 Einsatzminuten in der Liga dagegen kaum zu bewerten. Talent bringt er aber ebenso mit wie Erhan Masovic, der sich im defensiven Mittelfeld am wohlsten fühlt. Für ein Urteil ist es aber auch bei ihm noch etwas zu früh.  

(Foto: Imago / RHR-Foto)

2:1-Sieg gegen Darmstadt

Bochum beweist: Dieses Jahr ist einiges möglich

Widerstandsfähigkeit hat sich der VfL Bochum schon vor vielen Jahren in sein Leitbild geschrieben. Gelebt wurde das nicht immer. Doch der 2:1-Sieg gegen Darmstadt zum Start ins neue Fußballjahr ist der beste Beweis dafür, dass die aktuelle Mannschaft so auftritt, wie es sich jeder in Bochum wünscht: Sie kämpft und probiert alles, lässt sich auch von Rückschlägen nicht beeindrucken, und gewinnt selbst nach einer eher mäßigen Leistung.

76 Sekunden reichen zum Sieg

Für die Wende benötigte das Team von Trainer Thomas Reis an diesem Samstag lediglich 76 Sekunden. Denn nach spannenden und ausgeglichenen, aber torlosen 80 Minuten ging es Schlag auf Schlag. Nachdem Darmstadts Tobias Kempe per Freistoß das 0:1 erzielte, schaltete der VfL den Turbo an und fand auch die Genauigkeit zurück, die in vielen Aktionen zuvor noch gefehlt hatte. Zunächst lenkte Kempe einen Kopfball von Anthony Losilla zum 1:1 ins eigene Tor. Und direkt danach war es eine gelungene Co-Produktion zweier Joker, die dem VfL den vierten Heimsieg in Folge bescherten. Herbert Bockhorn legte clever ab auf Milos Pantovic, der das entscheidende 2:1 erzielte.

Freimütig gab der Matchwinner hinterher zu: „Wenn ich sage, dass ich mir zu 100 Prozent sicher war, dass wir das noch drehen, würde ich lügen. Aber wir haben nicht aufgegeben und mit etwas Glück noch gewonnen.“ Thomas Reis wartete bis zum ersten Wechsel wie gewohnt recht lange, entschied sich dann aber für genau das richtige Personal. „Es hat mich gefreut, dass die Mannschaft sich von dem späten Gegentor nicht aus der Bahn werfen ließ. Da ist schon etwas zusammengewachsen“, lobt der Fußballlehrer die Widerstandsfähigkeit seiner Mannschaft zu Beginn eines wohl richtungsweisenden Monats. Fünf weitere Spiele stehen im Januar noch an.

„Wenn wir jetzt möglichst viele Spiele gewinnen, können wir uns oben festsetzen und dort lange bleiben“, sagt Reis. Dass in diesem Jahr für den VfL Bochum so einiges möglich sein könnte, ist seit einigen Wochen unverkennbar. Die Startelf steht und wird nur dann verändert, wenn es unbedingt sein muss. Aus einem Haufen Individualisten ist ein Team geworden. Und Trainer Thomas Reis lebt einen unbändigen Ehrgeiz vor. Nur das Wort Aufstieg steht bislang noch auf dem Index. Das hat natürlich Gründe. Schließlich ist die Hinrunde noch nicht vorbei, die Saison noch lang. Doch die Fans träumen längst und sprechen das auch offen aus.

Die Mannschaft will aufsteigen

Selbst in der Mannschaft weicht die Zurückhaltung der Gier nach mehr. Auch die Spieler sehen, dass es in dieser Saison kein dominantes Spitzenteam gibt – womöglich eine Chance für die seit mehr als zehn Jahren zweitklassigen Bochumer. Angreifer Simon Zoller geht deshalb in die Offensive: „Es gibt nichts Geileres als in der Bundesliga zu spielen. So ehrgeizig sollten wir alle sein, um das zu schaffen…“

(Foto: Firo Sportphoto)